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Kaufen nach Bauchgefühl

Konsumenten handeln irrational, lautet ein Leitsatz der Markt- und Werbeforschung. Damit ist keineswegs gemeint, dass wir als Verbraucher falsch oder unsinnig handeln – sondern dass wir in erster Linie emotionale Kaufentscheidungen treffen. Das widerspricht dem wirtschaftswissenschaftlichen Modell des Homo oeconomicus, des rationalen Nutzenmaximierers. Die Autoren des vorliegenden Buchs zeigen, dass den Bauchentscheidungen der Konsumenten Prinzipien zugrunde liegen, die sich systematisch erfassen und beeinflussen lassen.

Im ersten Teil des Werks führen Stürmer und Schmidt in die Grundlagen der menschlichen Informationsverarbeitung und Handlungskontrolle ein. Dabei befassen sie sich mit den Arbeiten des US-Psychologen Daniel Kahnemann, des Neurowissenschaftlers António Damasio, des Emotionsforschers Paul Ekman und anderer. In lockerer Schreibe veranschaulichen die Autoren, wie Gefühle im Unternehmensmarketing instrumentalisiert werden können. Die theoretischen Grundlagen dieses Abschnitts sind zwar nicht neu, aber Stürmer und Schmidt gelingt eine anregende Zusammenfassung des facettenreichen Themas. Knapp auf den Punkt gebracht stellen sie das "emotionale System von Konsumenten" dar. Auf Dauer stören jedoch die vielen Lehnwörter aus der Computerwelt, etwa wenn Stürmer und Schmidt die Amygdala als "emotionalen Main-Controller" bezeichnen.

Detaillierte Erläuterungen dazu, wie sich Gefühlsregungen messen lassen, folgen im zweiten Teil. Möglich ist das beispielsweise durch eine Bestimmung der Hautleitfähigkeit, eine Auswertung von Herz-Kreislauf- und Gesichtsmuskelaktivitäten oder durch eine Erfassung von Hirnwellen und Augenbewegungen.

"Wertvolle Markenprodukte": Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

Im dritten Teil führen die Autoren interessante Fallstudien an, die den Wert der Emotionsforschung für die Marketingpraxis veranschaulichen. Dabei gehen sie klassischen Fragen der Marktforschung nach, etwa inwieweit die Gestaltung von Produktverpackungen die Kaufbereitschaft der Konsumenten fördert. Besonders interessant ist, wie Marken die Produktwahrnehmung beeinflussen. In einer Studie sollten Teilnehmer verschiedene Puddingsorten blind verkosten. Jene mit dem höchsten Kaloriengehalt schnitten durchweg als am leckersten ab. Und je höher der Schokoladengehalt, umso stärker verbanden die Probanden das Produkt mit positiven Gefühlen. Bekamen die Teilnehmer nun mitgeteilt, dass sie ein Markenerzeugnis vor sich hatten, empfanden sie Puddings mit niedrigem Kaloriengehalt als deutlich wohlschmeckender und emotional anregender. Der gegenteilige Effekt trat ein, wenn die Kostproben als "Discountprodukte" deklariert wurden.

Allerdings stellen Stürmer und Schmidt die meisten Praxisbeispiele nur sehr knapp dar. Dabei lassen sie etliche Fragen unbeantwortet. Immerhin befassen sie sich im Anhang ausführlich mit den oben genannten Methoden und geben Empfehlungen, wie diese sich anwenden lassen.

Stellenweise versuchen Stürmer und Schmidt etwas krampfhaft, nahezu alle Phänomene des Konsumentenverhaltens auf emotionale Prozesse zurückzuführen. Eine stärkere Einbettung der Emotionsforschung in das allgemeine Methodenspektrum der Marktforschung hätte für mehr Ausgewogenheit gesorgt. Insgesamt ist das Buch aber lesenswert für alle, die im Marketing oder der Marktforschung tätig sind oder sich für diese Bereiche interessieren.

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