Das "Soziale Atom"
Wenn Sie bisher dachten, Sie würden
als Individuum mit einer eigenen
Persönlichkeit und Geschichte durchs Leben
gehen, dann belehrt Sie Mark Buchanan
eines Besseren. Der promovierte Physiker
und Journalist führt in diesem Sachbuch
aus, weshalb Menschen im sozialen
Gefüge bestimmten Gesetzmäßigkeiten
folgen. Er belegt dies anhand so unterschiedlicher
Phänomene wie Aktienkursen
und Altruismus, dem so genannten
Phantomstau auf Autobahnen und
den Bewegungsströmen auf Massenveranstaltungen,
nimmt aber auch die Wohlstandsverteilung
und das Wettrüsten,
Konsumtrends und das Beifallverhalten
von Zuschauern ins Visier.
Buchanan betont, dass wir uns "in versteckten sozialen Strömungen mittreiben lassen, ohne ihre Existenz auch nur zu erahnen". Die Regeln der Physik und Mathematik erlaubten es aber, Gesetzmäßigkeiten in Form von Mustern aufzuspüren, die ganze Gruppen, Gesellschaften und Nationen steuern. In diesen Mustern sei der Mensch nicht mehr als ein "soziales Atom", dessen Verhalten man mit Hilfe der Sozialphysik erklären könne.
So deutet er beispielsweise Kooperationsbereitschaft als quasiphysikalisches Gesetz, das auf individueller Ebene wirkt, um auf kollektiver Ebene gelingendes Miteinander und Zusammenhalt entstehen zu lassen. Und Computersimulationen mit Hilfe virtueller Agenten können – frei von psychologischem Ballast – aufzeigen, wohin etwa die Liberalisierung des Energiemarktes führt.
Mit seiner Schlussfolgerung, dass der Mensch mathematischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist, beschwört Buchanan allerdings einen Determinismus, mit dem er psychologische, soziale und politische Aspekte bagatellisiert. Die Begriffswahl analog zur Physik unterstreicht den Habitus des überlegenen Naturwissenschaftlers, in dem alle anderen Disziplinen – insbesondere die Wirtschaftswissenschaften – schlecht wegkommen.
Diese werden nicht nur mit den Sozial- oder Humanwissenschaften gleichgesetzt, deren Mängel und Rückständigkeit Buchanan immer wieder vorführt. Die Behauptung, Sozialforscher hätten erst im vergangenen Jahrzehnt damit begonnen, den Menschen in Laborversuchen zu ergründen, um Aufschluss über seine Gedanken- und Gefühlswelt zu erhalten, ist zudem schlichtweg falsch. Der Autor ignoriert hartnäckig, dass eben nicht erst die Physik, sondern Psychologen seit mehr als 100 Jahren anhand experimenteller Methoden das Erleben und Verhalten des Menschen studieren.
Im typisch amerikanischen Sachbuchstil verschränkt Buchanan Anekdoten, Zitate und Zeitdokumente mit einer Fülle von wissenschaftlichen Studien. Dabei bietet der Autor weniger neue Erkenntnisse als vielmehr eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen der vergangenen 60 Jahre aus eben den Disziplinen, die er als Erkenntnisbremse in Sachen Mustererkennung versteht.
Fazit: Buchanan präsentiert eine spannende Perspektive auf soziale Phänomene – schießt dabei aber immer wieder übers Ziel hinaus. Zum Beispiel mit der etwas schlichten Antwort auf die Frage, weshalb Reiche immer reicher werden: Laut der "80-zu-20-Regel" des italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto (1848 – 1923) sind manche Dinge eben auf Ungleichverteilung gepolt. Armut per Naturgesetz? Ganz so einfach ist es wohl nicht.
Buchanan betont, dass wir uns "in versteckten sozialen Strömungen mittreiben lassen, ohne ihre Existenz auch nur zu erahnen". Die Regeln der Physik und Mathematik erlaubten es aber, Gesetzmäßigkeiten in Form von Mustern aufzuspüren, die ganze Gruppen, Gesellschaften und Nationen steuern. In diesen Mustern sei der Mensch nicht mehr als ein "soziales Atom", dessen Verhalten man mit Hilfe der Sozialphysik erklären könne.
So deutet er beispielsweise Kooperationsbereitschaft als quasiphysikalisches Gesetz, das auf individueller Ebene wirkt, um auf kollektiver Ebene gelingendes Miteinander und Zusammenhalt entstehen zu lassen. Und Computersimulationen mit Hilfe virtueller Agenten können – frei von psychologischem Ballast – aufzeigen, wohin etwa die Liberalisierung des Energiemarktes führt.
Mit seiner Schlussfolgerung, dass der Mensch mathematischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist, beschwört Buchanan allerdings einen Determinismus, mit dem er psychologische, soziale und politische Aspekte bagatellisiert. Die Begriffswahl analog zur Physik unterstreicht den Habitus des überlegenen Naturwissenschaftlers, in dem alle anderen Disziplinen – insbesondere die Wirtschaftswissenschaften – schlecht wegkommen.
Diese werden nicht nur mit den Sozial- oder Humanwissenschaften gleichgesetzt, deren Mängel und Rückständigkeit Buchanan immer wieder vorführt. Die Behauptung, Sozialforscher hätten erst im vergangenen Jahrzehnt damit begonnen, den Menschen in Laborversuchen zu ergründen, um Aufschluss über seine Gedanken- und Gefühlswelt zu erhalten, ist zudem schlichtweg falsch. Der Autor ignoriert hartnäckig, dass eben nicht erst die Physik, sondern Psychologen seit mehr als 100 Jahren anhand experimenteller Methoden das Erleben und Verhalten des Menschen studieren.
Im typisch amerikanischen Sachbuchstil verschränkt Buchanan Anekdoten, Zitate und Zeitdokumente mit einer Fülle von wissenschaftlichen Studien. Dabei bietet der Autor weniger neue Erkenntnisse als vielmehr eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen der vergangenen 60 Jahre aus eben den Disziplinen, die er als Erkenntnisbremse in Sachen Mustererkennung versteht.
Fazit: Buchanan präsentiert eine spannende Perspektive auf soziale Phänomene – schießt dabei aber immer wieder übers Ziel hinaus. Zum Beispiel mit der etwas schlichten Antwort auf die Frage, weshalb Reiche immer reicher werden: Laut der "80-zu-20-Regel" des italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto (1848 – 1923) sind manche Dinge eben auf Ungleichverteilung gepolt. Armut per Naturgesetz? Ganz so einfach ist es wohl nicht.
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