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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn wir alle elektrisch fahren würden?

Wäre es nicht schön, wenn wir abgasfrei mobil wären? Ist das in Zukunft möglich? Und müssen wir dann auf das Saarland verzichten? Vince Ebert wagt einen Blick in die Zukunft.
Der Kabarettist Vince Ebert

Mein Nachbar hat sich jetzt einen Tesla gekauft. Ein geiles Teil! Von 0 auf 100 in drei Sekunden. Einziger Nachteil: Man muss ihn alle paar Stunden aufladen. Und das dauert. Selbst mit einem Supercharger ist nach 20 Minuten der Tank erst halb voll. Außerdem gibt's so viele von diesen Ladesäulen noch nicht. "Schnurlose Autos müsste es geben", hat er neulich zu mir gesagt. "Mit einem Treibstoff, der überall verfügbar ist. Und mit dem man 700, 800 Kilometer weit kommt …" Aber so was ist natürlich totale Zukunftsmusik.

Auch einige Politiker sind vom Elektroauto so begeistert, dass sie sogar ab 2030 die schmutzigen Benzin- und Dieselmotoren ganz verbieten möchten. Doch löst das Elektroauto wirklich unsere Energie- und Umweltprobleme?

Fangen wir zunächst bescheiden an und gehen von dem Wunsch der Politik aus, dass ab 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland fahren sollen. Für diesen Fall sollen laut Bundesregierung moderne Schnellladestationen von jeweils 350 Kilowatt Leistung im gesamten Land installiert werden. Dazu ein Rechenbeispiel: Angenommen, es ist 20 Uhr, und zehn Prozent der eine Million Elektroautobesitzer möchten ihre Fahrzeuge aufladen. Dann wird zusätzlich zu dem normalen Strombedarf eine Leistung von 35 000 Megawatt benötigt. Das entspräche ungefähr 23 mittleren Kohlekraftwerken oder – falls Sie es nachhaltiger haben wollen – 35 000 Windrädern. Allerdings nur, wenn der Wind auch weht. Falls es Sommer ist und die Sonne abends noch volle Pulle scheint, könnten Sie die Autos auch mit einer Fotovoltaikanlage von einer Größe von 350 Quadratkilometern aufladen.

Würden wir nun alle 60 Millionen Verbrennungsmotoren in Deutschland durch Batterien ersetzen und annehmen, dass jeder Fahrzeugbesitzer sein Auto nur alle zwei Tage für jeweils eine halbe Stunde auflädt; und nehmen wir weiterhin an, die Aufladevorgänge könnten durch ein smartes System gleichmäßig über die gesamten zwei Tage verteilt werden, so bräuchten wir sogar knapp 140 neue Kraftwerke oder 220 000 Windräder oder eine Fotovoltaikanlage von der Größe des Saarlands, um den zusätzlichen Strombedarf zu decken. Zugegeben, beim Saarland denken sich viele Deutsche: "Das ist es mir wert …"

Der Biologe Thomas Huxley hat vor 100 Jahren mal gesagt: "In der Naturwissenschaft wird jede hübsche Hypothese von einer hässlichen Tatsache dahingemeuchelt."

Millionen Deutsche an der Steckdose

Es soll an dieser Stelle keinesfalls darum gehen, den Elektromotor zu verteufeln. Im Gegenteil. Ich persönlich finde Elektroautos sogar ziemlich cool. Sie haben einen höheren Wirkungsgrad als ein Verbrenner und blasen nicht einfach einen wertvollen Rohstoff in die Luft. Ein ökologisches Allheilmittel sind sie jedoch nicht.

Um 30 Kilogramm Benzin zu ersetzen, brauchen Sie derzeit eine moderne Lithiumionen-Batterie, die rund 900 Kilogramm wiegt. Und bei Millionen von geplanten E-Autos benötigen Sie dazu einen ganz schönen Haufen Lithium, das zusammen mit dem ebenfalls benötigten Seltenerdmetall Neodym nicht gerade besonders nachhaltig abgebaut wird. Zudem kam das Fraunhofer-Institut für Bauphysik zu dem Schluss, dass sich die Herstellung und das Recycling einer modernen Batterie auf die Gesamtökobilanz im Vergleich zum Verbrennungsmotor in negativer Weise auswirken.

Von den organisatorischen Problemen gar nicht erst zu reden. Denn selbst wenn der benötigte Strom zum massenhaften Aufladen ökologisch korrekt zur Verfügung stünde, stelle man sich nur einmal das Verkehrschaos vor, wenn im Sommer Millionen Deutsche gleichzeitig mit ihren Elektroautos in den Urlaub aufbrechen und an der Raststätte Spessart die Zapfsäule eben nicht mal schnell für zwei Minuten, sondern jeweils eine Stunde blockieren.

Die Politik suggeriert, dass das Fahren mit Elektroautos sauber und ohne nennenswerte Umweltbelastungen möglich ist. Aber um ein Fahrzeug von Punkt A nach Punkt B zu bewegen, benötigt man nun mal eine gewisse Energiemenge. Und die muss man erzeugen. Egal ob mit Strom, Benzin oder Muskelkraft.

Wenn man den Benziner durch das E-Auto ersetzt, verlagert man also allenfalls die Ressourcen- und Umweltprobleme. Nutzbare Energie gibt es leider nicht kostenlos. Man muss immer einen Preis dafür zahlen. Die Sonne schickt uns zwar keine Rechnung. Aber dafür der Solarstromanbieter.

Wenn Sie mehr über den Wissenschaftskabarettisten und Bestsellerautor wissen möchten, besuchen Sie ihn auf seiner Homepage www.vince-ebert.de oder auf Facebook unter facebook.com/Vince.Ebert

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