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Metzler Lexikon Philosophie: Symbolisierung, präsentative

Der von S. K. Langer eingeführte Begriff dient der Abgrenzung einer sich von der diskursiven S. grundlegend unterscheidenden Symbolisierungsform. Der Typ der diskursiven S. bezeichnet den Fall der Artikulation einer Bedeutung aufgrund eines bereits vorhandenen konventionell gesicherten Bestands an bedeutungsdefiniten Symbolen. Beispiele hierfür sind Idealsprachen, so wie sie in den Wissenschaften oder künstlichen Symbolsystemen (z.B. der Mathematik) entwickelt werden. Hier hat jedes Symbol aufgrund von Definitionen eine eindeutige und konstante Bedeutung. Aufgrund der vorgängigen Definition ändert sich die Bedeutung des Symbols je nach dem Verwendungszusammenhang nicht. Da die sinnliche Manifestation eines Symbols aufgrund konventioneller Vereinbarung für die Bedeutung des Symbols ohne Belang ist, besteht keine interne Verbindung zwischen der sinnlichen Realisierung einer S. und ihrer Bedeutung. Das Prinzip der diskursiven S. macht sich – allerdings nicht durchgängig – in der Sprache geltend. Die diskursive S. darf aber nicht mit »Sprache« gleichgesetzt werden. In der Alltagssprache mischen sich diskursive und präsentative Symbolisierungsformen. – Im Gegensatz dazu besteht ein präsentatives Symbol nicht aus der Anordnung von bedeutungsdefiniten und -stabilen Elementen. Beispiele hierfür sind Kunstwerke, Mythen, Träume oder Rituale. Auch in präsentativen Symbolen wird eine Bedeutung artikuliert und objektiviert. Das zugrundeliegende Bedeutungsprinzip ist aber ein anderes. Präsentative Symbole bedeuten etwas aufgrund einer bestehenden Formentsprechung zwischen ihrer anschaulichen Artikulation und anderen Erfahrungen. Sie können alles bedeuten, wozu sie aufgrund ihrer komplexen Artikulation eine Formentsprechung aufweisen. Daher kann es zahlreiche Bedeutungen für ein präsentatives Symbol geben. Die Bedeutung etwa eines Bildes oder eines Musikstücks wird nicht in einem sukzessiven Auffassen feststehender Bedeutungen verstanden, sondern nur im Gesamt der Anordnung ihrer jeweiligen Elemente. Die Bedeutung jedes Tons hängt von seiner Stellung in der gesamten Artikulation ab. P. S.en operieren mit Elementen, die keine kontextinvariante Eigenbedeutung haben. Daher findet hier kein sukzessives, sondern nur ein auf dem synoptischen Erfassen des Gesamtkomplexes beruhendes Verstehen ihrer Bedeutung(en) statt. Die Bedeutung ist an die konkrete sinnliche Realisierung gebunden und kann nicht von ihr abgelöst werden. Präsentative Symbole sind daher singuläre Symbole. Sie ermöglichen keinen Aufbau eines Symbolsystems. Die Bedeutung wird lediglich präsentiert.

Aus diesem basalen Unterschied folgen weitere Differenzen zwischen beiden Symbolisierungsprinzipien. Weil bei präsentativen Symbolen die Bedeutung der einzelnen Elemente hochgradig von ihrer Plazierung im jeweiligen Artikulationszusammenhang abhängt, kann es keine Definition der Elemente geben. Selbst die Identifikation einzelner oder kleinster Elemente ist unmöglich. Anders als in der diskursiven S. gibt es keine semantischen Einheiten, die in Form realer Identitäten identifizierbar wären. Dies schließt die Möglichkeit der Übersetzung aus. Aufgrund der semantischen Spezifität sind in präsentativen Symbolen auch Negationen, Widersprüche oder Abgrenzungen nicht formulierbar. Präsentative Symbole haben eine bleibende Ambiguität, da ihre Bedeutung allein durch die artikulierte Struktur und nicht durch Definitionen oder deiktische Hinweise fixiert werden kann. Die Struktur bleibt für verschiedene Interpretationen offen. Sie kann alles zum Ausdruck bringen, wozu sie eine Formentsprechung aufweist. Die Bedeutungsbeziehung umfasst hier nicht den Aspekt der Referenz auf ein bestimmtes Objekt. Präsentative Symbole haben eine besondere Symbolisierungsfähigkeit. Vorausgesetzt, dass Symbole u. a. aufgrund ihrer Formentsprechung mit Erfahrungen etwas bedeuten, ist verständlich, dass präsentative Symbole ein geeignetes Ausdrucksmittel lebendiger und dynamischer Phänomene sind. Aufgrund der wechselseitigen Modifikation aller an ihrer Artikulation beteiligten Elemente, weisen diese Symbole formale Eigenschaften auf, die auch etwa für dynamische Prozesse und etwa die Morphologie unseres Fühlens typisch ist. Dies ist die Grundidee, mit der Langer in Feeling and Form eine allgemeine Philosophie der Kunst entwickelt. Langers symboltheoretische Unterscheidung wurde von N. Goodman in Languages of Art weitergeführt.

Literatur:

  • N. Goodman: Languages of Art. Indianapolis 1968
  • S. K. Langer: Philosophy in a New Key. A Study in the Symbolism of Reason, Rite, and Art. Cambridge 1942 (Dt.: Philosophie auf neuem Wege. Frankfurt 1984)
  • S. K. Langer: Feeling and Form: A Theory of Art Developed from Philosophy in a New Key. New York 1953
  • P. Welsh: Discursive and Presentational Symbols. In: Mind 64 (1955). S. 181–199.

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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