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Metzler Lexikon Philosophie: Teleologie

(griech. telos: Ziel, Zweck). Unter T. wird die Annahme der Zielgerichtetheit eines Prozesses oder einer Handlung verstanden. Als deskriptives Interpretationsschema dient es zur Beschreibung ganz unterschiedlicher Phänomene. In Bezug auf Naturphänomene unterstellt eine teleologische Betrachtungsweise eine innere Zweckgerichtetheit eines Prozesses. Die aristotelische Unterscheidung zwischen causa materialis und causa finalis gibt die Grundlage dafür ab, um bestimmte Vorgänge in der Welt nicht aus ihren Wirkursachen, sondern von den Zielzuständen (sog. Endursachen) her zu erklären. Solche Deutungen unterscheiden sich hinsichtlich der Annahmen, wodurch der Zweck oder das Ziel begründet ist. Eine solche Zielorientierung allen Werdens kann durch eine Seinsordnung begründet sein, wodurch in jedem Ding angelegt ist, sich auf seinen immanenten Zweck hin zu entfalten und in ihm zur Vollendung zu gelangen. Eine solche Vorstellung findet sich im Anschluss an Aristoteles: Jedes Wesen strebt danach, des Guten nach Maßgabe seiner Kapazität teilhaftig zu werden. Diese Zielorientiertheit kann auch in einer göttlichen Zwecksetzung begründet sein, wie es für die christliche Philosophie im Anschluss an Augustinus maßgebend war. Eine teleologische Beschreibung der Naturphänomene lieferten die Vertreter des Vitalismus, für die chemische und physikalische Gesetzmäßigkeiten keine hinreichenden Antworten boten, um die typischen Lebensvorgänge wie Reproduktion und Selbstregulation zu erklären. Erst die Annahme von zielbewusst handelnden, unsichtbaren Entelechien boten ihrer Meinung nach einen hinreichenden Erklärungsgrund. Im heutigen wissenschaftlichen Denken kommt die T. in Theorien von selbstgesteuerten Automaten zur Geltung. Das kybernetische Modell des Regelkreises ermöglicht eine Rekonstruktion von Prozessen ohne die Annahme eines immanenten Zielstrebens. – Bereits Kant kritisierte die Annahme einer objektiven Zweckbestimmung der Natur. In Bezug auf die Objekterkenntnis kann T. nicht sinnvoll behauptet werden. Sie ist bestenfalls als regulative Idee nützlich, d.h. als Vernunftleitfaden für die Zusammenfassung der Verstandeserkenntnisse zur systematischen Einheit (KdU § 74).

Im Hinblick auf die Analyse menschlichen Handelns ist der Stellenwert teleologischer Erklärung umstritten. Der von Hempel, Oppenheim, Popper und Stegmüller vertretenen Auffassung, dass nur kausale Erklärungen wissenschaftlichen Status haben, stellt v. Wright sein Modell intentionaler bzw. teleogischer Erklärung gegenüber (Erklärung). Die intentionale oder teleologische Handlung basiert auf zwei Annahmen: (1) einem Wissen, dass mit einem bestimmten Verhalten (d.i. einer Tätigkeit) ein Ergebnis erreicht werden kann; (2) der Absicht einer Person, mittels dieser Tätigkeit das intendierte Ergebnis zu erreichen. V. Wright erläutert die intentionale Handlung durch die Form des praktischen Schlusses: 1. Prämisse: Die Person A beabsichtigt, ein Ereignis p herbeizuführen; 2. Prämisse: A glaubt, dass sie p nur herbeiführen kann, wenn sie eine Tätigkeit a ausführt; 3. Konklusion: Folglich macht sich A daran, a zu tun. Anhand dieses praktischen Schlusses demonstriert er, dass die H. keine kausale Erklärung sein kann, da die Konklusion aus den Prämissen logisch gefolgert werden kann. Für eine kausale Ursache (i. S. Humes) ist es dagegen charakteristisch, dass Ursache und Wirkung logisch voneinander unabhängig sind und nur zu einer Aussage über eine empirische Notwendigkeit führt. Der praktische Schluss zeigt auf, dass Intention und Handlung miteinander logisch verknüpft sind (was nicht heißt, dass die Prämissen notwendig die Handlung zur Folge haben müssen). Wenn der praktische Schluss als Konklusion eine wahre Behauptung darüber ergibt, was die betreffende intentionale Handlung ist, dann stellen die Prämissen dieses Schlusses auch eine teleologische Erklärung dieser Handlung dar. Die Prämissen des praktischen Schlusses implizieren eine Aussage über einen intentionalen Akt und erklären somit diesen Akt teleologisch, weil die Prämissen die Bedingungen niederlegen, mit Hilfe derer das betreffende Verhalten zu verstehen ist. – Im Kontext der Ethik wird jene Position als teleologisch bezeichnet, die die Richtigkeit des Handelns danach beurteilt, ob durch das Handeln ein Zustand herbeigeführt wird, der unabhängig von diesem konkreten Handeln und ohne Rekurs auf moralische Pflichten als erstrebenswert gilt und gerechtfertigt ist. Der Utilitarismus repräsentiert eine teleologische Ethik. Funktionalanalyse.

Literatur:

  • N. Hartmann: Teleologisches Denken. Berlin 1966
  • R. Löw: Die Philosophie des Lebendigen. Frankfurt 1980
  • R. Spaemann/R. Löw: Die Frage Wozu? Geschichte und Wiederentdeckung des teleologischen Denkens. Stuttgart 1981
  • W. Stegmüller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und analytischen Philosophie. Bd. 1. Berlin/Heidelberg/New York 1969. Kap. VIII
  • G. H. v. Wright: Erklären und Verstehen. Frankfurt 1974. S. 83 ff.

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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