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Bäume im Regenwald: Gleich und Gleich gesellt sich nicht gern

Regenwälder gehören zu den artenreichsten Ökosystemen der Erde. Doch viele Arten kommen nur selten vor. Warum das so ist, haben Biologen nun bei Bäumen ermittelt.
Baumvielfalt am Amazonas
Wer von oben auf den Regenwald blickt, sieht viele Bäume. Aber jede vorhandene Art ist nur selten vertreten.

Allein in Amazonien wachsen schätzungsweise mehr als 16 000 Baumarten – mehr als in jedem anderen Ökosystem der Erde. Und auf einem Hektar Regenwald in Zentral- oder Südamerika können mehr als 250 Baumarten wachsen, was die gesamte Baumvielfalt Deutschlands übertrifft. Allerdings kommt fast jede Spezies nur sehr selten vor: Oft wachsen nicht mehr als ein oder zwei Individuen pro Art und Hektar. Weshalb das so ist, wollten Biologinnen und Biologen um Annette Ostling von der University of Texas in Austin ergründen. Ihr Ergebnis haben sie in »Science« veröffentlicht.

Das Team hat dafür Daten von der Insel Barro Colorado im Panamakanal ausgewertet: Das Eiland wird seit Jahrzehnten von Wissenschaftlern eines dort angesiedelten Forschungszentrums überwacht und gilt als die am besten untersuchte Region der Tropen. Ostling und Co haben dazu alle Baumarten, deren Individuen und ihre räumliche Anordnung erfasst und damit ein Computermodell gefüttert: Ausgewachsene Bäume sind demnach dreimal so weit von anderen ausgewachsenen Exemplaren derselben Art entfernt, wie ihre Samenausbreitung eigentlich vermuten ließe.

Jede Baumart wird demnach von ihresgleichen viel stärker beeinträchtigt als von anderen Spezies. Zurückzuführen ist dies wahrscheinlich auf den Konkurrenzdruck innerhalb der Art sowie auf äußere Faktoren wie krankheitserregende Pilze oder Pflanzenfresser wie Insekten, die spezifische Vorlieben haben. Ihr Druck sorgt dafür, dass Platz geschaffen wird für andere Arten, die sich um jeden Baum herum ansiedeln. Das führt zu einem vielfältigen Wald und verhindert, dass eine einzelne Art dominiert. In einigen Fällen waren mehrere Arten bis zu 100 Meter weiter voneinander entfernt, als man anhand ihrer Samen hätte annehmen können.

»Dank einer Fülle von Daten über diesen Wald kannten wir den exakten Standort jedes Baums und wussten auch, wie weit die jeweiligen Samen reisen«, sagt der an der Studie beteiligte Michael Kalyuzhny. »Wir konnten uns fragen: Wie müsste der Wald aussehen, wenn sich die Bäume nur dort ansiedeln würden, wo die Samen landen? Mit unseren Berechnungsmodellen stellte sich heraus, dass der echte Wald überhaupt nicht so aussieht. In der Realität stehen die Bäume viel weiter auseinander.«

In tropischen Regenwäldern übernehmen meist Tiere den Ferntransport der Samen, etwa weil sie Früchte fressen und später die Samen über ihren Kot ausscheiden. Wind spielt dagegen eine untergeordnete Rolle; nur die Dipterocarpaceen in den Regenwäldern Südostasiens bilden davon eine größere Ausnahme. Weltweit kennt man bislang rund 64 000 Baumarten, wovon der größte Teil in den Tropen beheimatet ist. Schätzungsweise 9000 Arten gelten noch als unentdeckt oder nicht wissenschaftlich beschrieben – wiederum mehrheitlich in den Wäldern rund um den Äquator.

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