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Autoimmunkrankheiten: Darmwand-Defekt als Ursache von Autoimmunität?

Bakterien sorgen für Ärger, wenn sie durch die Darmwand ins Blut gelangen. Aber besonders eine Art scheint das Immunsystem zur Attacke auf den eigenen Körper zu verleiten.
Darmbakterien

Bestimmte Autoimmunkrankheiten könnten vielleicht durch eigentlich harmlose, körpereigene Bakterien ausgelöst werden – wenn diese eine löchrige Barriere durchqueren und aus dem Darm in den übrigen Körper gelangen. Dieses Szenario beschreiben Forscher um Silvio Manfredo Vieira von der Yale University in »Science« nach Versuchen an Mäusen.

Die Wissenschaftler hatten Darmbakterien der Art Enterococcus gallinarum mit Fluoreszenzmarken versehen und in Mäusen verfolgt, die an einer Lupus-Variante der Nager erkrankt sind. Bei den kranken Tieren – nicht aber bei gesunden, zur Kontrolle untersuchten Mäusen – gelangten Bakterien aus dem Darm in Lymphknoten, Milz und Leber. Dort scheinen E.-gallinarum-Keime, anders als andere typische Darmbewohner, zudem die für die Krankheit typische Autoimmunantwort zu aktivieren. Nach einer Antibiotikabehandlung, die die Erreger abtötete, besserten sich die Symptome der Versuchstiere.

In der Leber von menschlichen Lupus-Patienten ist bei Autopsien und Gewebeproben ebenfalls bereits E. gallinarum gefunden worden. Dieser Keim könnte demnach Autoimmunreaktionen auslösen, wenn die Darmwand defekt ist und den Übertritt der Bakterien in den Rest des Körpers gestattet. Die Ursachen für eine löchrige Darmwand – bei der meist die »tight junctions« zwischen den Zellen defekt sind – sind vielfältig; Umwelteinflüsse spielen ebenso eine Rolle wie die Ernährung und die genetische Konstitution. Ein Defekt der Barriere kann dann verschiedene Folgen wie Reizdarm, Autoimmunkrankheiten und im schlimmsten Fall schwere Blutvergiftungen haben. Bei Lupus dürften weitere für die Patienten typische Faktoren eine Rolle spielen und dafür sorgen, dass einzelne fehlgelaufene Darmbakterien die Körperabwehr besonders fordern.

Auch andere Immunkrankheiten wie multiple Sklerose werden seit einiger Zeit mit dem Mikrobiom in Verbindung gebracht; nicht immer muss dabei eine defekte Darmwand im Spiel sein. Forscher fanden bereits Indizien dafür, dass die Bakterienfauna im Darm die Körperabwehr und sogar das Gehirn beeinflussen kann – etwa durch ein typisches Gemisch freigesetzter Stoffwechselprodukte, die von den Darmzellen aktiv durchgeleitet werden und in den Blutstrom sowie zum Nervensystem gelangen. Bei einer defekten Darmwand könnten diese Prozesse sicherlich zusätzlich deutlich gestört sein.

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