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Angemerkt!: Ende des Bio-Irrwegs

Eine neue Vorgabe der Europäischen Union könnte die Umweltkriterien für Agrarkraftstoffe verschärfen und das Aus für Biodiesel und Co bedeuten. Und das ist gut so.
Daniel Lingenhöhl

Eine Vorgabe der Europäischen Union sorgt für Verwirrung, Ärger und Sorgen bei den europäischen Produzenten von Agrarkraftstoffen wie Biodiesel oder Bioethanol: Bald schon sollen sie in ihren Klimabilanzen mitteilen, wie stark indirekte Landnutzungsänderungen berücksichtigt werden müssen, die ihre Produktion der Agrarkraftstoffe auslöst. Bislang fallen diese Effekte unter den Tisch. Nutzt aber ein Landwirt seinen Maisacker nun mit Energie- statt mit Futterpflanzen, fehlen diese anderswo. Um den Bedarf zu decken, könnte nun Grünland umgebrochen oder Wald gerodet werden – etwa in Brasilien, wo viele der europäischen Viehmastbetriebe ihr Sojakraftfutter einkaufen.

Durch solche Umwandlungen – die nicht direkt auf die Agrarkraftstoffproduktion zurückgehen, aber von ihr ausgelöst wurden – werden jedoch enorme Mengen Treibhausgase wie Kohlendioxid freigesetzt. Müssen diese in die Klimabilanz von Biodiesel und Co einfließen, verschlechtert sich deren ökologischer Fußabdruck gewaltig: Statt grün und klimaneutral erscheinen sie nun ebenso schmutzig wie ihre fossilen Konkurrenten aus Erdöl. Viele Wissenschaftler wie der Nobelpreisträger für Chemie Paul Crutzen oder der Klimaforscher Stefan Rahmstorf raten deshalb von der Nutzung von Biomasse als Treibstoff vehement ab. Und für die meisten Ökologen und Naturschützer sind Agrarkraftstoffe ohnehin bereits ein rotes Tuch, weil sie die Zerstörung von artenreichen Wäldern in den Tropen antreiben oder hier zu Lande riesige, intensiv bewirtschaftete Monokulturen aus Mais oder Raps fördern.

Die Agrarkraftstoffproduzenten fürchten deshalb zu Recht, dass sie ihre Umweltzertifikate verlieren, wenn ihnen diese Folgen angerechnet werden: Schon jetzt gilt, dass Biodiesel und Konsorten bis 2017 50 Prozent weniger CO2 verursachen müssen als die entsprechende Menge Benzin oder Diesel aus Erdöl – für viele Agrartreibstoffe, etwa aus Soja oder Palmöl, ein wohl unerreichbares Ziel, wenn dann noch zusätzlich indirekte Landnutzungsänderungen in der Kalkulation auftauchen sollen. Ihre Erzeuger argumentieren zwar, dass gegenwärtige Berechnungsmodelle untauglich seien, um indirekte Landnutzungsänderungen kenntlich zu machen und sie auf Energiepflanzen zurückzuführen. Käme es dennoch zu einer gesetzlichen EU-Vorgabe, wären Agrarkraftstoffe ab 2017 in der EU nicht mehr marktfähig, so ihre Befürchtung.

Sollte sich die EU also tatsächlich zu einem derartigen Beschluss durchringen, könnte dies endlich das Ende des bisherigen "Bio"-Irrwegs einläuten. Zahlreiche Studien (die oft in renommierten Journals publiziert wurden und nicht von Interessengruppen stammen) und Fallbeispiele haben belegt, dass Treibstoffe vom Acker eine verheerende Umweltbilanz haben: Der Anbau von Energiepflanzen fördert Landnutzungskonflikte in Afrika und Südamerika, beschleunigt die Rodung von Regenwäldern weltweit, fördert die Überdüngung landwirtschaftlicher Nutzflächen und könnte sogar Hungerkrisen verschärfen, weil die Preise für Lebensmittel steigen. Und sie nützen dem Klima wenig bis gar nicht, im Gegenteil fördern sie die Erderwärmung noch. Um allein den für die europäischen Vorgaben nötigen Bedarf an "Bio"-Diesel und -Ethanol zu decken, müssten bis 2020 weitere 69 000 Quadratkilometer Wald, Weiden und Feuchtgebiete zur Energiegewinnung umgewandelt werde – das entspricht der Fläche Bayerns. Allein dadurch werden mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich frei, was den Abgasen von mehreren Millionen Autos entspräche.

Die neue EU-Regelung muss übrigens nicht zwingend das Aus für Agrarkraftstoffe bedeuten. Ihre Hersteller sollten sich entsprechend auf eine Herstellung aus pflanzlichen Reststoffen und Abfällen der Nahrungsmittelproduktion konzentrieren. Der Gesamtertrag wird hierbei sicherlich niedriger liegen, doch nur in diesem Fall kann man guten Gewissens Umweltzertifikate verleihen und wahrhaftig von Bio-Treibstoffen sprechen. Alles andere ist Etikettenschwindel.

Lesen sie zu diesem Thema auch den Artikel von Björn Lohmann: "K.-o.-Schlag für den Biodiesel?".

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