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News: Entspannt durch weibliche Hormone

Der berühmte enthemmende Effekt von Alkohol könnte auf die erhöhte Konzentration eines weiblichen Sexualhormons im Gehirn zurückzuführen sein. Diese bei Männern und Frauen in unterschiedlichen Mengen vorkommende Substanz dämpft Gefühle wie Ängstlichkeit und Unsicherheit und steigt nach dem Konsum des Genußmittels merklich an. Das könnte erklären, warum zum einen Alkohol manche Menschen so entspannt und warum Männer und Frauen auf seinen Konsum unterschiedlich reagieren.
Man benötigt nur wenige Kontakte mit Alkohol, um seine Wirkung zu kennen. Wissenschaftler tun sich dagegen schwer, die molekularen Mechanismen herauszufinden, mit denen die Droge auf unser Gehirn einwirkt. Alkohol scheint mit zwei verschiedenen Rezeptortypen im Zentralnervensystem zu interagieren. Einer von ihnen ist der GABA-Rezeptor (gamma-Aminobuttersäure-Rezeptor), über den auch das Beruhigungsmittel Valium seine Wirkung vermittelt. Aber bisher ist noch unklar, wie die Wechselwirkung von Alkohol mit dem Rezeptor genau aussieht.

Tierversuche zeigten, dass durch Stress der Spiegel des Steroids Allopregnanolon ansteigt, das mit dem GABA-Rezeptor reagiert. Dadurch nimmt die Ängstlichkeit ab, erklärt Leslie Morrow von der University of North Carolina in Chapel Hill. Weil Alkohol die Freisetzung von Stresshormonen wie Corticosteroiden und Progesteron, von dem sich das Allopregnanolon ableitet, auslöst, vermutete das Team um Morrow, dass durch Trinken auch der Spiegel dieses Steroids ansteigen könnte (New Scientist vom 11. März 2000).

Um dies genauer zu untersuchen, gaben die Wissenschaftler Ratten eine angemessene Dosis Ethanol, die in etwa der Alkoholmenge entspricht, die jemand während einer Cocktail-Party konsumiert. Nach 20 Minuten entnahmen die Forscher den Tieren die Großhirnrinde, untersuchten sie auf den Allopregnanolongehalt hin und verglichen die Werte der Ratten, die Alkohol bekommen hatten, mit denen der Nager, die eine Ersatzflüssigkeit erhalten hatten. Tatsächlich war die Konzentration bei den angetrunkenen Tieren dramatisch höher.

War das Steroid auch verantwortlich für die sedierende Wirkung des Alkohols? Zur Klärung dieser Frage behandelte Morrow Ratten mit dem Wirkstoff Finasterid, der die Bildung von Allopregnanolon aus Progesteron blockiert, bevor die Versuchstiere wiederum Ethanol beziehungsweise eine Salzlösung erhielten. Alkohol setzt normalerweise die elektrische Aktivität in einer Reihe bestimmter Hirnareale herab – Finasterid verhindert den betäubenden Effekt. Dies Ergebnis deutet darauf hin, dass Allopregnanolon für die relaxierend Wirkung von Alkohol eine Rolle spielt.

Morrow ist begeister von den Ergebnissen. "Wir sind der Ansicht, dass das Steroid sehr wichtig für den entkrampfenden und sedierenden Effekt von Alkohol ist." Vielleicht brauchen Frauen weniger zu trinken, um die lohnende Wirkung zu verspüren, als Männer, weil sie von Natur aus einen höheren Allopregnanolonspiegel haben, sagt die Wissenschaftlerin. Dies könnte auch erklären, warum Frauen weniger Gefahr laufen als das starke Geschlecht, alkoholkrank zu werden.

"Das ist ein sehr interessantes Resultat", findet auch George Koob vom Scripps Research Center in La Jolla. Der Forscher konnte vor Kurzem zeigen, dass weibliche Ratten mehr Ethanol während jener Phase in ihrem reproduktiven Zyklus trinken, in welcher der Progesteronspiegel gering ist. In Zukunft wollen die Wissenschaftler klären, welche Rolle die neuroaktiven Steroide in der Empfindlichkeit gegenüber Alkohol spielen.

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