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Evolution: Die Maus mit dem gepanzerten Schwanz

Afrikanische Stachelmäuse haben viele Fressfeinde, aber auch außergewöhnliche Fähigkeiten, um sich zu schützen. Einen Mechanismus hatte die Wissenschaft lange übersehen.
Ägyptische Stachelmaus
Stachelmäuse wie die Art Acomys demidiatus leben gefährlich, wissen aber auch, sich zu schützen.

Sobald Gefahr droht, wachsen kleine afrikanische Stachelmäuse über sich hinaus: Wenn ihre borstigen Haare nicht mehr ausreichend schützen, können sie nicht nur Teile ihres Schwanzes abwerfen, um Feinde zu verwirren. Sie häuten sich auch regelrecht. Bis zu 60 Prozent ihrer Haut können sie auf einmal verlieren und mit den offenen Stellen entkommen, während ihren Häschern nur eine Hülle bleibt. Und diese Selbstamputation ist nicht das einzige Wundersame an den Säugetieren, wie ein Studie von Malcolm Maden von der University of Florida und seinem Team in »iScience« zeigt: Der Mäuseschwanz ist zudem mit stabilen Hautknochenplatten gepanzert, wie man sie bei Säugern sonst nur noch von den nicht näher verwandten Gürteltieren kennt.

Diese Entdeckung gelang relativ zufällig. Während Maden sich der außergewöhnlichen Regenerationsfähigkeit der Mäuse annahm, die trotz des großen Hautverlustes überleben und rasch wieder neue Haut mit Haaren ausbilden, widmete sich Koautor Ed Stanley mit seinem Team einem Projekt namens openVertebrate. Dessen Ziel ist es, 20 000 Museumsexemplare verschiedener Arten mit Computertomografen zu scannen, um hochauflösende anatomische Daten zu sammeln. »Ich hatte Ed einige meiner Stachelmäuse gegeben, die er im Rahmen seines Projekts scannen sollte. Und da entdeckte er die sehr seltenen knöchernen Platten in der Schwanzhaut, die bei lebenden Säugetieren nur bei Gürteltieren vorkommen«, sagt Maden.

Die Ergebnisse zeigen, dass Hautknochenplatten (Osteoderme) bei Wirbeltieren im Lauf der Evolution mehrfach entstanden und wieder verschwunden seien, schreiben die Forscher – vermutlich dank einer Reihe von Genen, die an- und abgeschaltet werden können. »Diese Hautknochenplatten fehlen bei Vögeln, kommen bei Reptilien häufig vor – etwa bei Dinosauriern und Krokodilen – und sind bei Fröschen selten. Das bedeutet, dass sie in der Evolution immer wieder verschwanden und sich neu entwickeln konnten. Das ist mindestens 19-mal geschehen.«

Hautknochenplatten im Mäuseschwanz | Stachelmäuse besitzen einen besonders bewehrten Schwanz mit Hautknochenplatten, wie sie sonst nur Gürteltiere besitzen.

Osteoderme unterscheiden sich von anderen Hautanhängseln, weil sie tatsächlich aus Knochen bestehen. Außerdem befinden sie sich tief in der unteren Dermisschicht der Haut und nicht an der Oberfläche. Dies steht im Gegensatz zu den Schuppen auf der Epidermis vieler Tiere, darunter Schuppentiere und Vögel, deren Füße aus Keratin bestehen.

Eine weitere Studie zeigte, dass sich Osteoderme ausgehend von der zentralen Schwanzhaut bilden. Die Entwicklung der knöchernen Platten ist sechs Wochen nach der Geburt abgeschlossen. Madens Team verwendete RNA-Sequenzierung, um die zu Grunde liegenden Gene und Gennetzwerke zu identifizieren, die an ihrer Bildung beteiligt sind. Das Team entdeckte, dass Keratingene heruntergeregelt werden, während sich Osteoblasten-Gene einschalten. Eine ähnliche Struktur besaßen allerdings noch weitere Säugetiere, wie Maden überrascht feststellte: Sie ähnelten stark den fossil erhalten gebliebenen Hautknochenplatten ausgestorbener Faultiere aus Amerika.

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