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Kosmologie: Quasare bestätigen Zeitdehnung nach Albert Einstein

Albert Einstein sagte voraus, dass Uhren in der Tiefe des Alls langsamer ticken. Astronomische Beobachtungen von Quasaren, einer Form weit entfernter aktiver Galaxien, bestätigen den Effekt.
Quasar
Quasare sind aktive Kerne von Galaxien. Ihre enorme Leuchtkraft wird von einer zentralen, gefräßigen Maschine erzeugt: einem extrem massereichen Schwarzen Loch. Manche von ihnen schleudern Materie in gebündelter Form wieder heraus, als Jets.

Einige Milliarden Lichtjahre entfernte »Quasar-Uhren« ticken fünfmal langsamer als Uhren auf der Erde. Dieser Zeitdehnungseffekt wird von der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein vorhergesagt. Geraint Lewis von der University of Sydney in Australien und Brendon Brewer von der University of Auckland, Neuseeland, wiesen dieses Phänomen nun mit statistischen Methoden nach. Sie identifizierten die Helligkeitsschwankungen der aktiven Galaxienkerne als einen periodischen Vorgang, der als »Quasar-Uhr« benutzt werden kann und werteten die über mehr als 20 Jahre gesammelten Beobachtungsdaten von 190 fernen Quasaren aus. Ihre Forschungsarbeit ist jetzt im Fachmagazin »Nature Astronomy« erschienen.

Gedehnte Zeit durch Bewegung und Masse

Zeit ist relativ. Das würden wir nicht nur aus unserem psychologischen Empfinden heraus unterschreiben, es ist auch ein knallharter Fakt der modernen Physik. Die Zeitdilatation der einsteinschen Relativitätstheorie wurde vor mehr als 100 Jahren vorhergesagt und in verschiedenen Systemen gemessen und bestätigt. Schon vor rund 50 Jahren kamen hochpräzise Atomuhren zum Einsatz, von denen eine in einem Flugzeug reiste und die andere auf dem Erdboden verblieb. Ähnlich wie im Science-Fiction-Film »Zurück in die Zukunft« wurden die Uhren nach den Flügen verglichen; und siehe da, beide Formen der einsteinschen Zeitdehnung konnten nachgewiesen werden.

Eine Form der Zeitdehnung basiert auf Bewegung, nämlich die speziell relativistische Zeitdilatation. Die andere involviert Massen und Gravitation: die allgemein relativistische Zeitdilatation. Die geschilderte Zeitmessung mit einem Flugzeug ist das berühmte Hafele-Keating-Experiment aus dem Jahr 1971. Knapp ausgedrückt gelten diese beiden Regeln: Eine bewegte Uhr tickt langsamer als eine, die sich in Ruhe befindet. Und eine Uhr, die näher an einer Masse ist, tickt langsamer als eine, die weiter davon entfernt ist.

Die speziell relativistische Zeitdehnung wurde im Jahr 1940 experimentell mit Myonen nachgewiesen. Diese schweren Geschwisterteilchen der Elektronen entstehen in der Höhenstrahlung. Eigentlich sind sie kurzlebig, sollten schon nach Sekundenbruchteilen zerfallen und am Erdboden nicht nachweisbar sein. Aber durch den Zeitdehnungseffekt dank ihrer fast lichtschnellen Bewegung verlängern Myonen in der Höhenstrahlung ihre Daseinsfrist, so dass viele der Teilchen doch den Erdboden erreichen.

Die allgemein relativistische Zeitdehnung wurde jüngst mit Schwarzen Löchern in Beobachtungen mit Radioteleskopen demonstriert. In der Nähe extrem kompakter Schwarzer Löcher wird der Zeiteffekt durch Massen besonders stark. Im Prinzip gibt es immer zwei Seiten derselben Medaille: die Rotverschiebung und die Zeitdehnung. Am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs können elektromagnetische Wellen (übrigens auch Gravitationswellen) nicht mehr entkommen. Dort sehen Schwarze Löcher absolut schwarz aus, ein Phänomen, das bei der Galaxie Messier 87 sogar direkt mit dem ersten Radiobild eines Schwarzen Lochs bestätigt wurde. Dieser »Schatten«, aufgenommen mit dem Event Horizon Telescope, wurde erstmals im April 2019 veröffentlicht. In der Astrophysik spricht man hierbei generell von Gravitationsrotverschiebung, weil die Ursache für den Energieverlust der Strahlung, also eine Rotverschiebung, die Gravitation einer Masse ist.

Kosmologische Zeitdehnung

Auch in der Kosmologie gibt es eine Rotverschiebung: die kosmologische. Weit entfernte Galaxien driften von uns weg. Dieser Hubble-Lemaître-Effekt bewirkt, dass sich in beobachteten Spektren von Galaxien Emissions- und Absorptionslinien zum langwelligen Ende verschieben. Diese Bewegung wird durch die kosmische Expansion hervorgerufen. Die Raumzeit des Universums expandiert wie ein Luftballon. Fernen Galaxien bleibt nichts anderes übrig, als dieser Ausdehnungsbewegung zu folgen. Anschaulich werden die Wellen der Strahlung in die Länge gezogen. Zur Rotverschiebung gehört entsprechend eine kosmologische Zeitdehnung, die allerdings weit weniger allgemein bekannt ist. Hier lautet die Regel: Uhren in der Tiefe des Alls ticken aus unserer Sicht langsamer. Der Effekt wurde ebenfalls schon Mitte der 1990er Jahre beobachtet, und zwar an Lichtkurven von Sternexplosionen. Genauer gesagt handelt es sich um Supernovae vom Typ Ia (SN Ia). Die Entwicklung der Helligkeit solcher Explosionen mit der Zeit hat einen charakteristischen Verlauf. Bei großen Distanzen bewirkt die kosmologische Zeitdilatation, dass die Lichtkurven in die Länge gezogen und breiter werden. In der astronomischen Analyse von SN-Ia-Lichtkurven ist der Effekt bekannt und wird natürlich berücksichtigt.

Die Quasar-Uhr

Nun wurde dieses Phänomen also auch bei Quasaren diagnostiziert. Aber wie genau? Was tickt in Quasaren? Zunächst einmal sind Quasare ferne aktive Galaxienkerne, nämlich extrem massereiche Schwarze Löcher, die viel Materie in kurzer Zeit verschlingen. Diese Akkretion treibt eine ziemlich effiziente Maschine an und sorgt für enorme Leuchtkräfte, so dass Quasare über Milliarden von Lichtjahren gut zu beobachten sind. Manche von ihnen zeigen auch Materiestrahlen, die vom Galaxienkern ausgehen, die Jets.

Lewis und Brewer haben sich die Messdaten von 190 Quasaren angeschaut, die mit astronomischen Beobachtungskampagnen gesammelt wurden, zum einen mit dem Dark Energy Survey, zum anderen mit dem Sloan Digital Sky Survey. Die aktiven Galaxienkerne sind tatsächlich weit entfernt und weisen kosmologische Rotverschiebungen zwischen 0,2 und 4,0 auf. Besonders interessiert waren die Forscher an der Helligkeit der Quasare in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Dabei zeigte sich, dass alle Quasare Helligkeitsschwankungen unterliegen. Verursacht werden diese vermutlich von der unregelmäßigen Fütterung des jeweiligen Schwarzen Lochs mit Materie. Aber die Details sind noch nicht genau verstanden. Das ist auch gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist, dass die Variabilität ein stochastischer Prozess ist.

Die Autoren wandten daher zur Analyse der Quasar-Daten eine besondere statistische Methode an, die bayessche Statistik. Dabei wurden die Quasar-Daten bei verschiedenen Wellenlängen untersucht. Für die Variabilität der Quasare wurde für alle eine charakteristische Zeitskala angenommen, die jedem Quasar naturgemäß innewohnen soll: eine »Quasar-Uhr«. Abweichungen der auf der Erde beobachteten Variabilität seien dann eine Konsequenz der kosmologischen Zeitdehnung. Die Hypothese kann mit der Bayes-Methode getestet werden, und tatsächlich war der Test erfolgreich. Die Autoren geben an, dass es erst ihr größeres Sample von Quasaren gestattete, den erwarteten Effekt statistisch nachzuweisen: Quasar-Uhren ticken langsamer.

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