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Navigationsleistung: Monarchfalter fliegen mit Magnetsinn

Die Monarchfalter, Langstreckenkönige unter den Insekten, fliegen tausende Meilen der Sonne hinterher. Aber auch dicke Wolken sind kein Problem für ihr Navigationssystem.
Monarchfalter <em>(Danaus plexippus)</em>

Schwärme von Monarchfaltern (Danaus plexippus) fliegen jedes Jahr im Herbst tausende Kilometer aus ihrem Sommerquartier im Norden Amerikas in die warme zentralmexikanische Hügellandschaft von Michoacán – um dann jedes Frühjahr wieder in den Norden zurückzuwandern. Wie die Insekten auf dem Langstreckenflug zielgenau navigieren, wird schon lange erforscht: Die Falter, so hat man in verschiedenen Untersuchungen zeigen können, fliegen nach Sonnenstand, wobei ihnen eine innere Uhr verrät, wann und wo der Orientierungsmarker Sonne in der Herbst- und Frühjahrsflugsaison exakt auftaucht. Ein Problem war bisher allerdings ungelöst: Denn die Falter finden ihren Weg auch sehr gut, wenn die Sonne unter einer dicken Wolkenschicht gar nicht zu sehen ist. Wie das?

Monarchfalter | Der Langstreckenrekordhalter unter den Schmetterlingen

Eine Antwort geben nun Steven Reppert von der University of Massachusetts und seine Kollegen: Nach ihren Experimenten müssen die Insekten über einen gut funktionierenden Magnetsinn verfügen. Die Monarchfalter können demnach die Inklination des Erdmagnetfelds messen und so bestimmen, wo sie sich auf dem Globus gerade befinden. Ganz ähnlich arbeitet auch der Magnetorientierungssinn von Vögeln oder Meereschildkröten, die ebenfalls weite Strecken auf Wanderschaft zurücklegen, ohne sich dabei verirren zu dürfen. Die Inklination bezeichnet die an verschiedenen Breitengraden unterschiedlichen Neigungswinkel der Erdmagnetfeldlinien: Am Pol steigen diese zum Beispiel senkrecht nach oben, am Äquator verlaufen die Feldlinien parallel zur Erdoberfläche; der Winkel vor Ort verrät demnach recht präzise die Nord-Süd-Position.

Orientieren an Magnetfeldlinien

In ihren Experimenten hatte Repperts Team startbereite Falter im Herbst in einen Flugsimulator gesetzt, der vom Erdmagnetfeld abgeschirmt war; stattdessen konnten die Forscher gezielt ein eigenes künstliches Magnetfeld nach Bedarf anlegen. Alle Testfalter flogen im Simulator, der einfach das Erdmagnetfeld nachahmte, zunächst wie in der Natur in südliche Richtung – und dies auch ohne Sonnenlicht, das ihnen zur Orientierung hätte dienen können. Eine gezielte Umpolung der Inklination um 45 Grad gaukelte den Tieren dann einen Tausch der Himmelsrichtung von Nord und Süd vor – und prompt flogen die Tiere dann in die Gegenrichtung; ein eindeutiger Nachweis der Magnetfühligkeit.

Viele Insekten nehmen Magnetreize nach gängigen Theorien mit Rezeptormolekülen wahr, die über eine so genannte Radikalpaarbildung funktionieren. Im Prinzip entstehen beim spontanen Zerfall des Radikalpaares je nach äußerem Magnetfeld unterschiedliche Produkte, die dann vom Sensorapparat ausgewertet werden. Beim Monarchfalter scheinen die Magnetsensoren in den Antennen zu sitzen, was Reppert und Kollegen nun bestätigten: Die Magnetorientierung fiel aus, sobald die Fühler mit schwarzer Farbe abgedunkelt wurden. Entscheidend für die Rezeptormoleküle scheint zudem ultraviolett-blaues Licht mit einer Wellenlänge von 380 bis 420 Mikrometern zu sein: Ohne dieses Licht flogen Falter nur ziellos im Kreis. Dieser Faktor war von Monarchfalterforschern bislang offenbar übersehen worden, meinen Reppert und Kollegen – weshalb frühere Untersuchungen zum Magnetsinn der Tiere zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt hatten.

Magnetsinn als Ausfallsystem bei schlechtem Wetter?

Unklar ist, wie abhängig die navigierenden Falter in freier Wildbahn vom Magnetsinn sind – vielleicht ist dieser nur ein Ausfallsystem für wolkenverhangene Tage. Wahrscheinlicher sei aber ein Zusammenspiel der verschiedenen Orientierungssysteme im Falter, mit dem die Navigationsleistung am Ende deutlich erhöht wird. Sicher sei aber, dass das allfällige elektromagnetische Hintergrundrauschen der menschlichen Zivilisation die Orientierung der Falter stören könne, wie das für Vögel schon nachgewiesen ist. Die Population der Monarchfalter ist ohnehin anfällig: Ihre speziellen Winterquartiere, die nur in Zentralmexiko vorkommenden "Oiamel"-Tannenwälder, schrumpfen durch industriellen Holzeinschlag und Rodungen zur Ackerlandgewinnung. Zudem verlagern sich die Sommerquartiere der Tiere im Zuge des Klimawandels immer mehr nach Norden, was ihre jährliche Wanderung auch immer länger und gefährlicher werden lässt.

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