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Parasiten: Wo die Laus, da der Mensch

Die Evolution der Kopflaus ist an ihren menschlichen Wirt gebunden. Und so zeichnet das Parasitengenom auch den Weg der großen Migrationen von Homo sapiens nach.
Kopflaus
Da kribbelt schon beim Hingucken die Kopfhaut: eine Menschenlaus, die als Parasit in unserem Haar lebt. Das Genom der Läuse verrät womöglich, wie sich die Menschheit auf der Erde ausgebreitet hat.

Lange bevor Hund und Katz den Menschen begleiteten, besaß er bereits tierische Weggefährten – allerdings solche der unfreiwilligen Art: Menschenläuse, Pediculus humanus capitis. Weil die Parasiten schon seit Langem auf menschlichen Köpfen hausen, ist ihre eigene Entwicklung eng an Homo sapiens gebunden. So konnte ein Forscherteam um Marina Ascunce von der University of Florida in Gainesville mit Hilfe von Genanalysen nachweisen, dass es zwei Hauptgruppen von Läusen gibt, die sich geografisch unterscheiden lassen. Ihre Abstammungslinien vermischten sich vor allem in Amerika – offenbar als dort in jüngerer Vergangenheit auch große Menschengruppen aus Europa eintrafen, wie die Forschenden im Fachblatt »PLOS ONE« schreiben.

Kopfläuse befallen einzig Menschen, legen im Haar ihre Eier oder Nissen ab und ernähren sich vom Blut ihrer Wirte. Die Parasiten werden von Mensch zu Mensch übertragen. Ihre genetische Entwicklung könnte daher, so die Vermutung von Fachleuten, große Wanderbewegungen von Homo sapiens widerspiegeln. Dazu sammelten Ascunce und ihr Team 274 heutige Läuse von 25 Orten der Welt, allerdings konnten sie nicht von jedem Kontinent gleich viele Exemplare ausfindig machen.

Um die Abstammungswege der Läuse zu rekonstruieren, suchten die Forscherinnen und Forscher in deren Erbgut nach so genannten Mikrosatelliten, also kurzen Abschnitten der Kern-DNA, die sich bei den Individuen einer Art unterscheiden können. Ebenso sequenzierten sie das mitochondriale Erbgut. Das Ergebnis: Es gibt zwei große Gruppen. Die eine lässt sich mehr oder weniger auf der ganzen Welt nachweisen, die andere in Europa und auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Dort springt zudem eine Mischung aus beiden Gruppen zwischen den Menschenköpfen hin und her.

Aus ihren Ergebnissen schließen die Fachleute, dass die Mischgruppe aus Läusen entstand, deren Vorgänger einst mit den ersten Menschen nach Amerika kamen, vor womöglich bereits 20 000 Jahren. Der zweite Abstammungsstrang sei mit den Europäern gekommen. Entweder mit der Kolonisierung ab der frühen Neuzeit oder später während der Migration zahlreicher Menschen aus Europa infolge der beiden Weltkriege. Auch erst danach könnten diese Läuse eingeschleppt worden sein.

In Mittelamerika stießen die Forscher und Forscherinnen zudem auf eine Enklave von Kopfläusen mit asiatischer Abstammung, die sich offenbar nicht mit ihren Artgenossen aus Europa vermischt haben. Sie deuten diese Gruppe als genetisches Überbleibsel: Diese Läuse scheinen auf Vorgänger zurückzugehen, die ebenfalls mit den Vorfahren der Indigenen Amerika erreichten. Wann und auf welchem Weg, ist offen: Laut der Arbeitsgruppe könne ihre Analyse nur die jüngere Vergangenheit sicher abdecken.

Schon zuvor haben Fachleute das Erbgut von Läusen ausgewertet, um so den Verlauf der Menschheitsgeschichte zu erhellen. So kamen ältere Studien zu dem Schluss, dass vor etwa 170 000 Jahren Menschen begannen, Kleidung zu tragen – da um diese Zeit herum vermutlich aus frühen Kopfläusen eine neue Art hervorgegangen war: die Kleiderlaus.

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