Direkt zum Inhalt

Astrophysik: Stern verschluckt Planeten

Die Beobachtung eines ungewöhnlichen Strahlungsausbruchs zeigt erstmals, wie ein Stern einen ihm zu nahe gekommenen Riesenplaneten verschlungen hat.
Illustration eines strahlenden Sterns
Ein Stern, der wie in dieser Illustration Gas und Staub aus der Umgebung in sich aufnimmt, sendet intensive Strahlung aus.

Es gibt seit Langem Theorien dazu, was passiert, wenn Sterne Planeten verschlingen. Allerdings wurde ein solcher Vorgang noch nie direkt beobachtet – bis jetzt. In einer Veröffentlichung vom Mai 2023 berichtet ein Team um Kishalay De vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge von einer Reihe rätselhafter Beobachtungen. Nach Ansicht von De sind sie darauf zurückzuführen, dass ein Stern einen Riesenplaneten zerrissen und in sich aufgenommen hat.

Die Astronominnen und Astronomen beobachteten einen Strahlungsausbruch im Bereich des sichtbaren Lichts. Das Ereignis mit der Bezeichnung ZTF SLRN-2020 dauerte etwa zehn Tage an und wurde anschließend im Lauf von etwa sechs Monaten immer schwächer. Der Beginn fiel mit einer Infrarotemission zusammen, die noch lange nach dem Abklingen des optischen Lichts anhielt. Eine Analyse der Strahlung zeigte eine kontinuierliche Emission bei rötlichen Frequenzen, das heißt, die Farben in diesem Teil des Spektrums gingen fließend ineinander über. Allerdings gab es bei einzelnen Wellenlängen auch charakteristische Intensitätseinbrüche, die sich auf die Absorption durch bestimmte Atome und Moleküle zurückführen lassen. Diese Informationen halfen der Forschungsgruppe dabei, die genaue Art des astronomischen Ereignisses zu bestimmen, das hinter dem Phänomen stand.

In unserer Galaxie gibt es viele Arten kurzlebiger Strahlungsereignisse, so genannte Transienten. Deswegen verglichen die Fachleute ZTF SLRN-2020 zunächst mit Transienten, die als Zwergnovae und klassische Novae bekannt sind und häufig in der Milchstraße beobachtet werden. Solche Ereignisse treten auf, wenn ein Weißer Zwerg Wasserstoff von einem nahen Begleitstern an sich zieht und in Form einer »Akkretionsscheibe« um sich sammelt. Das Material lagert sich dann als Schicht auf der Oberfläche des Weißen Zwergs ab, wodurch eine Kernfusionsreaktion ausgelöst wird, die wiederum eine helle Eruption verursacht. Die Eigenschaften von ZTF SLRN-2020 unterschieden sich jedoch von denen, die man bei Licht von einer Fusionsreaktion erwarten würde. So enthielt das Spektrum keine Emissionslinien durch einzelne Atome. Das deutete darauf hin, dass es sich nicht um eine solche Nova handelte.

Andere typische Transienten in der Milchstraße sind Ausbrüche von heißem Gas, die im Röntgenbereich strahlen. Das Spektrum von ZTF SLRN-2020 zeigt aber keine entsprechenden Emissionslinien. Daraus schloss De, dass das Ereignis nicht mit den hohen Temperaturen in einer Akkretionsscheibe verbunden sein konnte, wie sie rund um kompakte Objekte wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne herrschen.

Hingegen schien der Ausbruch einer »Roten Nova« zu ähneln. Das sind rötlich erscheinende astronomische Objekte, die eine langsam verblassende Infrarotstrahlung aussenden. Es gibt Hypothesen, laut denen sich Rote Novae auf die Verschmelzung zweier Sterne zurückführen lassen. ZTF SLRN-2020 erschien zunächst als rotes Objekt, dessen rote Wellenlängen im Lauf der Abstrahlung immer ausgeprägter wurden. Das Verhalten wie auch die molekularen Absorptionslinien in seinem Spektrum erinnern an eine Rote Nova, das heißt, womöglich standen am Anfang des Ereignisses zwei sich vereinigende Himmelskörper. Jedoch war die Leuchtkraft von ZTF SLRN-2020 viel geringer als bei anderen Roten Novae. Vermutlich war also ein Objekt beteiligt, das kleiner als ein Stern ist.

Zerstörerische Annäherung

Vor dem Ereignis zeigten hochauflösende Bilder an derselben Stelle eine schwach leuchtende Quelle, wohl einen sonnenähnlichen Stern. Aus der Helligkeit in Abhängigkeit von der Zeit und aus Beobachtungsdaten vor dem Ausbruch schloss das Team, dass die Masse des fusionierenden Begleiters etwa der von Jupiter entsprach, vielleicht auch der des deutlich leichteren Neptuns. Damit zeichnete sich die Geschichte des Ereignisses allmählich ab: Ein Riesenplanet hatte sich zu sehr seinem Mutterstern genähert. Bereits vor dem Ausbruch waren beide eine Zeit lang miteinander in intensive Wechselwirkung getreten, wahrscheinlich im Rahmen einer langsamen Verschlingung des Planeten durch den Stern. Die Beobachtung von Staub und Gas aus der Zeit vor dem Ausbruch legt nahe, dass diese Phase etwa sechs bis zwölf Jahre dauerte.

Im Vergleich zu einer typischen Verschmelzung zweier Sterne wirkten der Ausbruch und die Menge des ausgestoßenen Materials von ZTF SLRN-2020 weniger imposant. Außerdem änderte sich der Radius des Sterns dabei nicht wesentlich. Somit war das anschließende Abklingen der Infrarotemission wohl ein Zeichen der Rückkehr des Sterns in ein hydrodynamisches und thermisches Gleichgewicht. Die geringe Leuchtkraft des Ereignisses deutet darauf hin, dass die vom Stern freigesetzte Wasserstoffmenge nur einen winzigen Teil seiner Masse ausmachte, etwa ein Hundertstel bis ein Tausendstel. Das führte zu einer relativ konstanten Helligkeit und einer immer röteren Färbung, während die optische Strahlung zurückging. Die Emission im mittleren Infrarotbereich während jenes Abklingens ist ein Anzeichen für eine warme Hülle aus Staub, die sich langsam abkühlte.

Zerrissener Planet | Auf einen kurzen Ausbruch im optischen Bereich von etwa zehn Tagen folgte ein Rückgang der Strahlung über sechs Monate, der mit einer länger anhaltenden Infrarotemission zusammenfiel. Das rührte offenbar von der Verschmelzung eines Riesenplaneten mit seinem Wirtsstern her. Engere Wechselwirkungen zwischen den beiden Körpern gab es bereits über Jahre zuvor. Der Ausbruch deutet auf den Moment der Verschlingung hin. Die Infrarotemission stammt wahrscheinlich vom anschließenden Übergang des Sterns in ein neues hydrodynamisches und thermisches Gleichgewicht.

Schon vor dieser Entdeckung galten solche Verschlingungen von Planeten als prinzipiell nachweisbar: Sowohl zahlreiche theoretische Modelle als auch diverse indirekte Beobachtungen ließen das möglich erscheinen. Ob ein Planet letztendlich von seinem Stern verschluckt wird, hängt von bestimmten Voraussetzungen ab. Laut Modellrechnungen können die gravitativen Wechselwirkungen zwischen einem Planeten und anderen Objekten im System (etwaigen weiteren Planeten oder einem Begleitstern) den Planeten langsam in Richtung seines Sterns drücken. Gewisse Eigenschaften machen dafür besonders anfällig, etwa große Bahnneigungen oder die Nähe zu anderen Planeten.

Auch Gezeitenkräfte zwischen einem Stern und einem nahen Planeten können Letzteren langsam in den Untergang treiben. Und wenn ein Stern seinen Wasserstoff als Brennmaterial im Kern verbraucht hat, schwillt er zu einem so genannten Unterriesen an und beginnt, die Planeten in engen Umlaufbahnen zu verschlingen. In einigen Milliarden Jahren wird unsere Sonne denselben Prozess durchlaufen.

Andere indirekte Hinweise auf einen geschluckten Planeten geben Sterne, die sich schneller als gewöhnlich drehen und mit gewissen chemischen Elementen angereichert sind. Falls künftige Beobachtungen von ZTF SLRN-2020 ebenfalls derlei Merkmale aufweisen, würde das die Interpretation des Teams um De als ersten direkten Nachweis eines Sterns, der einen Planeten in sich aufgenommen hat, untermauern. Mit solchen Methoden werden sich zahlreiche weitere vergleichbare Ereignisse näher untersuchen und die Mechanismen entschlüsseln lassen, die solche Vorgänge antreiben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.