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Invasive Arten: Wie schnell übernehmen Mäuse eine Insel?

Mäuse gehören zu den problematischen Arten, die abgelegene Inseln neu besiedeln. Wie rasch diese Eroberung ablaufen kann, überraschte die Biologen dann aber doch noch.
Maus schaut aufmerksam

Hausmäuse (Mus musculus) sehen harmlos aus. Doch Ökologen fürchten sie als invasive Art, wenn sie auf ozeanische Inseln verschleppt werden: Ihre Fruchtbarkeit und ihr Hunger lassen sie schnell zum Problem werden, das einzigartige, nur auf diesen Eilanden vorkommende Tiere und Pflanzen bedroht. Wie schnell sie eine Insel erobern können, zeigt eine Studie von Helen Nathan von der University of Auckland und ihrem Team: Sie setzten auf der mäusefreien Insel Te Haupa vor der neuseeländischen Küste je ein Männchen und ein Weibchen aus und beobachteten, wie sich die Tiere vermehrten und die sechs Hektar festes Land in Besitz nahmen. Te Haupa hatte bereits eine Vergangenheit mit ursprünglich nicht dort heimischen Nagetieren hinter sich: Wanderratten (Rattus norvegicus) und ebenfalls Hausmäuse siedelten hier jahrzehntelang in großer Zahl, bevor sie ausgerottet wurden, um das Ökosystem der Insel zu schützen und wiederherzustellen.

Um abschätzen zu können, in welchem Tempo neu eingeschleppte Arten sich ausbreiten, nutzten Nathan und Co die Insel als Freilandlabor. Dabei machten sie es den Tieren nicht leicht, denn das Paar wurde getrennt voneinander am Nord- und Südende Te Haupas ausgesetzt. Dennoch fanden sie rasch über die 400 Meter Entfernung zueinander und vermehrten sich erfolgreich. Innerhalb von zwei Monaten lebten schon mindestens 14 Mäuse auf der Insel, wie Nachzählungen über Lebendfallen belegten. Und nach fünf Monaten hatten die Tiere den maximal tragfähigen Bestand für das begrenzte Ökosystem erreicht: Insgesamt 68 Mäuse tummelten sich nun auf dem Eiland – viel mehr könnten wegen der eingeschränkten Ressourcen hier wahrscheinlich nicht überleben. Den größten Teil zum Bevölkerungswachstum trug dabei die Urmäusemutter bei, die 14 bis zum Ende des Experiments überlebende Nachkommen geboren hatte, die wiederum weitere Mausgenerationen hervorbrachten. Hausmäuse werden im Alter von sechs bis acht Wochen geschlechtsreif und können dann alle 20 bis 30 Tage Nachwuchs produzieren: im Schnitt sechs Mäusebabys pro Wurf.

Gefürchtete Invasoren

Zur allgemeinen Überraschung fanden sich im Erbgut der Tiere jedoch nicht nur die Gene der beiden Gründermäuse, sondern auch Spuren eines dritten Individuums: Es gelangte im Verlauf des Experiments auf unbekanntem Weg auf die Insel – wahrscheinlich per Boot, da Mäuse schlecht schwimmen und kaum den knappen Kilometer Distanz vom Festland überbrücken können. Die meisten Mäuse allerdings verpaarten sich innerhalb der eigenen Verwandtschaftslinie, was sich deutlich im Genom widerspiegelte.

Verglichen mit Ratten galten Hausmäuse lange als etwas geringeres Problem auf Inseln, da sie auf Grund ihrer Größe kaum als Bedrohung für dort lebende oder nistende Vogelarten betrachtet wurden. Doch 2007 beobachteten Ross Wanless und Andrea Angel von der University of Cape Town, dass die Nager von der Insel Gough im Atlantik sogar mehrfach größere Albatrosküken attackierten und töteten. Seit 2001 beobachten Biologen dort in zunehmendem Maß Brutausfälle, die bis zu 100 Prozent des gesamten Nachwuchses betreffen können. Mehrere Mäuse greifen dabei ihre Opfer an und beißen sie so lange, bis diese an den Wunden verenden. Teilweise werden die Küken sogar bei lebendigem Leib gefressen, wie Videoaufnahmen dokumentieren.

Neben Albatrossen sind auf Gough auch viele andere Seevogelarten betroffen, wie Ben Dilley von der University of Cape Town und seine Kollegen nun berichten: Schon wenige Stunden nach dem Schlüpfen töteten die Mäuse die mit Kameras überwachten Sturmvogel- und Sturmtaucherjungen – die Verlustraten betrugen zwischen 60 und 100 Prozent. Auf Dauer führen diese Zahlen auch für langlebige Seevögel zum Aussterben, zumal manche der Arten nur auf Gough nisten.

Wegen dieser Bedrohung fordern verschiedene Organisationen schon länger, dass die Insel von den Mäusen befreit wird. Erste Bekämpfungsversuche liefen bereits an, doch lassen sich Mäuse auf Inseln schlechter bekämpfen als Ratten, die schon von zahlreichen Eilanden erfolgreich entfernt wurden. Auf Te Haupe gelang nach dem Experiment erneut die Befreiung der Insel von der Plage. Die Studie veranschauliche dabei, wie wichtig die frühe Bekämpfung invasiver Arten ist, so Nathan: Sonst explodiert die Zahl der Nager in kurzer Zeit.

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