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Lexikon der Chemie: Stereochemie

Stereochemie, Raumchemie, Teilgebiet der Chemie, das sich mit dem räumlichen, d. h. dreidimensionalen Aufbau der Moleküle befaßt. Ausgangspunkt der modernen S. waren die Überlegungen van't Hoffs und Le Bels im Zusammenhang mit der Tetraedergestalt des vierbindigen Kohlenstoffs. 1874 erklärten sie die optische Aktivität organisch-chemischer Moleküle mit der Existenz von Stereoisomeren (Stereoisomerie) bei Vorhandensein eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms (Stereoisomerie).



Stereochemie. Abb: Zeichnerische Darstellungen der räumlichen Molekülformeln des Isopropanols und des threo-2,3-Dibrombutans.

Bis in die Mitte unseres Jh. war die S. vornehmlich statische S. Sie beschäftigte sich mit der Beschreibung der räumlichen Struktur von Molekülen vorwiegend durch Bindungsabstände und -winkel, mit der Klassifizierung der Stereoisomeren, mit der optischen Aktivität, der Racemattrennung (Racemat) sowie der relativen und absoluten Konfiguration (Stereoisomerie 1.1.). Mittels physikalisch-chemischer Meßmethoden, z. B. Kristallstrukturanalyse, NMR-Spektroskopie und chiroptische Methoden, wurde die Analyse räumlicher Strukturen vereinfacht und erleichtert. Es entwickelte sich die dynamische S., bei der Untersuchungen der Wechselbeziehungen zwischen Raumstruktur und Reaktivität sowie Reaktionsmechanismus eine immer größere Rolle spielen. Innerhalb dieser S. werden Probleme der sterischen Hinderung bei chemischen Reaktionen, der Stereospezifität und Stereoselektivität, der Inversion und Retention bei Substitutionsreaktionen sowie bei sigmatropen Reaktionen und stereoregulierten Polymerisationen behandelt.

Die klassischen Strukturformeln (Konstitutionsformeln) sind zur Veranschaulichung der S. chemischer Moleküle ungeeignet. Die besten Vorstellungen vom räumlichen Bau der Moleküle vermitteln Molekülmodelle. Man unterscheidet 1) Modelle, die neben den Atomabständen und Bindungswinkeln auch die Atomwirkungsradien exakt angeben, z. B. die Kalottenmodelle nach Stuart und Briegleb; 2) Modelle, bei denen nur Abstände und Winkel exakt den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, z. B. die Stereomodelle nach Dreiding; und 3) einfache Kugel-Stab-Modelle, bei denen nur die Bindungswinkel exakt stimmen, die aber für viele Zwecke, insbesondere für Symmetriebetrachtungen, ausreichen.

Zur Darstellung räumlicher Molekülformeln auf einer zweidimensionalen Schreibfläche dienen verschiedene Stereo- und Projektionsformeln (Abb.): a) Keilstrich-Stereoformeln, bei denen vor der Zeichenebene liegende Bindungen durch Keilstriche (

), dahinter liegende durch parallele Striche (||||||||) und in der Zeichenebene liegende normal gezeichnet werden; b) perspektivische Stereoformeln c) Newman-Projektionen, bei denen das Molekül entlang einer Bindung betrachtet wird, wobei das vordere Atom (dargestellt als Kreis

) das hintere verdeckt. Alle anderen Bindungen werden in die Ebene projiziert; d) Fischer-Projektionen, bei denen das Molekül so in die Zeichenebene projiziert wird, daß die hinter der Zeichenebene liegenden Substituenten ober- und unterhalb, die davor liegenden rechts und links des betrachteten Zentralatoms stehen.

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