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Altes Ägypten: Ein Hauch Bienenwachs, Weihrauch und eine Spur Mumie

Nicht nur Pharaonen wurden reich bestattet. Damit auch andere Tote im Jenseits gut versorgt blieben, legte man ihnen im alten Ägypten Fisch, Früchte und Bienenwachsbalsam mit ins Grab.
Dieser Papyrus aus dem Grab zeigt Cha und seine Frau Merit bei der Anbetung des Herrschers des Jenseits, Osiris.

Vor mehr als 3400 Jahren wurden Cha und Merit bestattet. Als Grabbeigaben bekamen die ägyptischen Eheleute unter anderem Gefäße mit Lebensmitteln, die ihre ewigen Seelen ernähren sollten. Was die Amphoren und Kannen genau enthielten? Das verraten die Düfte, die den Behältnissen bis heute entströmen, berichtet ein Team aus analytischen Chemikern und Archäologen im Magazin »Journal of Archaeological Science«. Mehr noch: Die Studie gibt Hinweise darauf, wie Geruch helfen kann, Rätsel der Vergangenheit zu lösen und Museumsbesuche künftig noch spannender zu machen.

Der Fund des unversehrten Grabs von Cha und Merit in der Nekropole Deir el-Medina bei Luxor im Jahr 1906 ist bis heute bedeutsam. Cha war zwar zu Lebzeiten eine hochrangige Person, nämlich Bauleiter oder Architekt. Allerdings war er kein Pharao und Merit keine Königin. Ihre Bestattung verrät so manches darüber, wie Menschen von Chas Stand nach dem Tod behandelt wurden.

»Es ist eine erstaunliche Sammlung«, sagt Ilaria Degano, die als analytische Chemikerin an der Universität von Pisa, Italien, arbeitet. »Unter den Objekten befinden sich sogar Teile von Chas altägyptischer Leinenunterwäsche, die mit seinem Namen bestickt ist.«

Der Dank dafür gebührt dem Archäologen, der das Grab entdeckte. Ungewöhnlich für die damalige Zeit, widerstand er der Versuchung, die Mumien auszupacken oder einen Blick in die versiegelten Amphoren, Krüge und Kannen zu werfen, selbst nachdem man diese in das Ägyptische Museum in Turin (Italien) überführt hatte. Der Inhalt vieler Gefäße ist immer noch ein Rätsel, obwohl es einige Hinweise gibt, erzählt Degano. »Aus Gesprächen mit den Kuratoren wussten wir, dass sich in den Vitrinen einige fruchtige Aromen befanden«, sagt sie weiter.

Riecht nach Bienenwachs | Unter den Gefäßen, deren Inhalt das Team mit einem Massenspektrometer analysiert hat, befand sich eine Amphore, die mit einem Tonstopfen verschlossen war.

Altes in Tüten eignet sich hervorragend für Geruchsanalysen

Degano und ihre Kollegen legten verschiedene Artefakte mehrere Tage lang in Plastikbeutel, um einige der flüchtigen Moleküle zu sammeln, die sie verströmen, darunter versiegelte Gläser und offene Tassen, die verfaulte Reste antiker Lebensmittel enthielten. Anschließend nutzt das Team mit Unterstützung der italienischen Firma SRA Instruments S.p.A. ein Massenspektrometer, um die Aromakomponenten der einzelnen Proben zu identifizieren. Es fand Trimethylamin, das mit getrocknetem Fisch in Verbindung gebracht wird, Aldehyde und langkettige Kohlenwasserstoffe, die auf Bienenwachs hinweisen, sowie andere Aldehyde, die in Früchten vorkommen. »Zwei Drittel der Objekte lieferten Ergebnisse«, sagt Degano. »Das war eine schöne Überraschung.«

Die Daten fließen in ein größeres Projekt ein. Geplant ist, den Inhalt des Grabs erneut zu analysieren, um ein umfassenderes Bild der Bestattungsbräuche für nicht königliche Menschen zu erhalten, die zum Zeitpunkt des Todes von Cha und Merit bestanden. Das war etwa 70 Jahre, bevor Tutanchamun den Thron bestieg.

»Wenn man die alten Ägypter verstehen will, muss man sich in die Welt der Gerüche begeben«Stephen Buckley, Archäologe

Nicht zum ersten Mal liefern Duftstoffe damit wichtige Informationen über das alte Ägypten. Im Jahr 2014 extrahierten Forschende flüchtige Moleküle aus Leinenbinden, die zwischen 6300 und 5000 Jahre alt sind und dazu dienten, Leichen in einigen der frühesten bekannten ägyptischen Grabstätten einzuwickeln. Demnach besaßen die Einbalsamierungsmittel antibakterielle Eigenschaften. Auch zeigte sich, dass die Ägypter etwa 1500 Jahre früher als bis dahin angenommen mit der Mumifizierung experimentierten.

Die Geruchsanalyse sei immer noch ein wenig erforschter Bereich der Archäologie, sagt Stephen Buckley, Archäologe und analytischer Chemiker an der University of York, Großbritannien, der an der Studie von 2014 beteiligt war. »Flüchtige Stoffe wurden von Archäologen ignoriert, weil man davon ausging, sie würden aus den Artefakten verschwinden«, erklärt er. Aber »wenn man die alten Ägypter verstehen will, muss man sich in die Welt der Gerüche begeben«.

Zum Beispiel war süßlich riechender Weihrauch unerlässlich; er wurde aus aromatischen Harzen gewonnen. »Weihrauch war für Tempelzeremonien und einige Bestattungsrituale notwendig«, sagt Kathryn Bard, Archäologin an der Boston University in Massachusetts. Da in Ägypten keine Harz produzierenden Bäume wuchsen, musste man weit reisen, um Nachschub zu erhalten.

Per Geruch ins alte Ägypten

Abgesehen davon, dass sie mehr über vergangene Zivilisationen verraten, könnten antike Gerüche das Besuchererlebnis in Museen um eine Dimension erweitern. »Gerüche sind ein relativ unerforschtes Tor in die Vergangenheit«, sagt Cecilia Bembibre vom University College London. »Sie haben das Potenzial, uns die Geschichte auf eine emotionalere, persönlichere Weise erleben zu lassen.«

Laut Bembibre ist es jedoch schwierig, alte Gerüche zu rekonstruieren. Zersetzung und Verwesung können eine stinkende Angelegenheit sein, so dass die Gerüche eines Artefakts derzeit nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was sie die »ursprüngliche Geruchslandschaft« eines Grabs nennt.

Mit mehr Wissen und Verständnis sollte es möglich sein, die ursprünglichen Noten und Verwitterungsgerüche auseinanderzuhalten, sagt Stephen Buckley. Ob Besucherinnen und Besucher tatsächlich die gesamte und möglicherweise unangenehme Geruchslandschaft eines antiken Grabs wahrnehmen wollen, steht allerdings noch zur Debatte. Buckley zufolge sollten »Kuratoren den Besuchern die Wahl lassen, wie weit sie das Geruchserlebnis treiben wollen«.

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