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Decoded: Gene nach Belieben verändern mit CRISPR

CRISPR ist aus der Forschung nicht mehr wegzudenken. Aber wie funktioniert die Genschere? Und kann sie künftig Krankheiten heilen? Antworten liefert das Video.
Decoded CRISPR

CRISPR ist der Grundbaustein einer Methode, die Gene schneidet und verändert. Mit ihr wird vieles möglich: Ausgestorbene Arten könnten eines Tages wieder aufleben oder chronische Krankheiten geheilt werden.

In der Natur findet sich CRISPR in Bakterien und Einzellern. Der Name steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Einfach gesagt handelt es sich um DNA-Abschnitte, die sich wiederholen – oft in umgekehrter Reihenfolge. Wie manche Wörter ergeben sie sowohl rückwärts als auch vorwärts gelesen Sinn. Das macht sie zu Palindromen. Palindrome kommen im Erbgut häufig vor. Manche sind Sicherungskopien für den Fall, dass die DNA beschädigt wird. Andere spielen bei Mutationen, die zu Krebs führen, eine Rolle.

Bei CRISPR erkennen Enzyme die Wiederholungen in der DNA und bauen dort neue genetische Abschnitte ein, so genannte Spacer. Diese sind Überbleibsel von Viren, die den Organismus oder seine Vorfahren früher schon einmal infiziert haben. Bakterien und Einzeller immunisieren sich auf diese Weise gegen Erreger.

© Scientific American / Spektrum der Wissenschaft
CRISPR, die vielseitig einsetzbare Genschere
CRISPR ist nicht nur effektiv, sondern auch sehr anpassungsfähig. Mit Hilfe der Methode könnten eines Tages chronische Krankheiten geheilt werden. Doch sie wirft einige ethische Fragen auf, erklärt das Video.

Erstmals wurde CRISPR in den 1980er Jahren im Bakterium E. coli entdeckt. Überlebt E. coli einen Virusangriff, baut es einen Teil der viralen DNA in sein eigenes Erbgut ein. Diese Immunisierungsstrategie haben Forschende zwischen 1980 und 2000 in vielen weiteren Bakterien und Einzellern nachgewiesen. Die Organismen nutzen die Virus-DNA als Vorlage, um komplementäre RNA-Stränge zu produzieren. Dringen die gleichen Viren in die Zellen ein, bindet dieser passende RNA-Strang an das Erbgut des Virus. Dann schneiden CRISPR-assoziierte Enzyme, die Cas-Enzyme, an dieser Stelle die DNA des Eindringlings und neutralisieren ihn.

Das CRISPR-Cas-System ist unglaublich effektiv. Es lässt sich auch leicht anpassen: Mit seiner Hilfe können Forscher und Forscherinnen das Genom einer Zelle nach Belieben verändern. Das haben die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und die amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna im Jahr 2012 gezeigt: Sie haben RNA-Moleküle hergestellt, mit denen sie Cas-Enzyme wie Cas9 gezielt zu fast jedem Abschnitt einer DNA lenken konnten. Für ihre Entdeckung erhielten Charpentier und Doudna im Jahr 2020 den Nobelpreis für Chemie. Seitdem ist CRISPR aus der Forschung nicht mehr wegzudenken.

Sein Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Cas9 kann unerwünschte Gene zwar sehr gut unterdrücken oder ausschalten. Für die meisten medizinischen Zwecke reicht das aber nicht aus. Die Wissenschaftler müssen auch die anschließende Reparatur der DNA unter Kontrolle bekommen. Denn wenn eine Zelle Schäden im Erbgut selbst repariert, arbeitet sie oft mit einem Mechanismus, der viele Fehler einbaut. Zwar können Forschende den Reparaturprozess beeinflussen, allerdings funktioniert das nicht immer zuverlässig.

In Tierversuchen wird CRISPR genutzt, um krankheitsresistente Hühner oder Schweine zu züchten. Oder Moskitos, die weder stechen noch Eier legen können. Außerdem versuchen Wissenschaftler, krankheitsresistente Pflanzen zu entwickeln – etwa Weintrauben. Das ist nicht alles: Einige Forschende wollen genetisch veränderte Schweine züchten, deren Organe Menschen transplantiert werden können. Andere basteln daran, die ausgestorbene Tiere wie die Wandertaube wiederzubeleben – auf der Grundlage des Erbguts noch lebender Vogelverwandter.

Vor dem Einsatz im menschlichen Genom zögert die Wissenschaft. Neuere Experimente haben gezeigt, dass Cas9 die DNA nicht nur an der gewünschten Stelle schneidet, sondern auch weitab davon. Selbst wenn alles funktionieren würde: CRISPR an Menschen einzusetzen, um deren Erbgut nach Belieben zu verändern, ist aus ethischer Sicht sehr bedenklich. Wenn zahlungskräftige Eltern die DNA ihres Babys verändern lassen könnten, um es stärker oder schlauer zu machen, würden Ungleichheit und Ausgrenzung zunehmen.

Was genau ist ein Virus? Wie lernen Maschinen? Und was passiert in einem Schwarzen Loch? In der Videoserie »Decoded« von »Scientific American« und »Spektrum der Wissenschaft« entschlüsseln wir grundlegende Fragen aus Forschung und Wissenschaft.

See the English-language version at »Scientific American«.

Im Jahr 2018 hat der chinesische Forscher He Jiankui behauptet, mit Hilfe von CRISPR HIV-resistente Kinder erzeugt zu haben. Ob das gelang, ist unklar. Weil er aber gegen geltende Gesetze verstieß, wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt.

Im Ausnahmefall könnte das Risiko für Menschen trotzdem gerechtfertigt sein. Im Jahr 2020 spritzten amerikanische Forscher Freiwilligen das CRISPR-Molekül. Damit wollten sie eine Genmutation reparieren, die zu Blindheit führt. Viele Fachleute hoffen, dass CRISPR-basierte Therapien einmal Erbkrankheiten heilen. Die Ergebnisse bisheriger Tierversuche sehen viel versprechend aus. Trotzdem wird es noch lange dauern, bis medizinische Behandlungen mit CRISPR zum Alltag gehören.

Die DNA nach Belieben zu verändern – CRISPR hat es möglich gemacht. Allerdings bleiben Fragen: Wie sicher und ethisch vertretbar ist der Einsatz von CRISPR? Und wie vermeiden wir mögliche unbeabsichtigte Folgen?

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