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Raumfahrt: Kometensonde Rosetta vor dem Aufwachen

Die Spannung steigt: Die europäische Raumfahrtbehörde ESA wartet auf das Erwachen der Kometensonde Rosetta aus ihrem Tiefschlaf.
Rosetta und Philae

Nervenkitzel sind Astronomen gewohnt. Oft genug haben sie nur eine Chance, alles richtig zu machen, und ihre Experimente hängen ab vom reibungslosen Funktionieren einer Ausrüstung, die Millionen von Kilometern entfernt ist. Dementsprechend groß wird die Anspannung am 20. Januar bei der europäischen Raumfahrtbehörde ESA sein, wenn sich die Raumsonde Rosetta nach beinahe drei Jahren im Schlafmodus erstmals wieder melden soll.

Derzeit ist Rosetta etwa 800 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und bewegt sich rasch auf ihr Ziel zu – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Ein erstes Zeichen, dass alles nach Plan verläuft, wird die Aktivierung eines voreingestellten Wecksignals sein. Dieses wird eine Reihe von automatisierten Prozessen einläuten: Die Komponenten der Raumsonde müssen erwärmt, die Eigenrotation zur Stabilisierung muss mit Düsen gestoppt werden. Schließlich soll eine Antenne die Kommunikation in Richtung Erde aufbauen. Bis dahin bleibt den Forschern nur banges Warten.

Rosettas Reiseroute | Im März 2004 startete die Reise der Raumsonde Rosetta zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Im August 2014 wird sie ihn erreichen, nachdem sie dreimal an der Erde und einmal am Mars vorbeigeflogen ist. Die Darstellung des Kometen und der Planeten ist nicht maßstabsgetreu.

"Man schwitzt wie irr, sage ich Ihnen", erzählt ESA-Forscher Claudio Sollazzo, der 2005 Operation Manager der Huygens-Mission zu Saturnmond Titan war. Hier mussten die Wissenschaftler zwei Wochen Sendepause aushalten, nachdem sich die Sonde von Cassini abgekoppelt hatte. "Mit jeder Sekunde Verspätung sagt man sich 'Ok, da ist etwas schief gegangen.' Auch wenn man weiß, dass man alles richtig gemacht hat, es gehört zur menschlichen Natur zu denken, dass etwas passiert ist."

Wenn sich Rosetta erst gemeldet hat, wird die Aufregung weiter steigen. Später im Jahr werden die Missionsleiter versuchen, den Kometen aus der Nähe zu beobachten und den mitgebrachten Lander Philae darauf abzusetzen – das wäre die erste Landung einer Raumsonde auf einem Kometen. Beide Vorhaben sollen grundlegende Daten über die Entstehung des Sonnensystems und das Leben auf unserem Planeten liefern.

Lange Reise

Die Eine-Milliarde-Euro-Mission rast seit 2004 durch unser Sonnensystem. Auf den sieben Milliarden Kilometern der Reise kam Rosetta an zwei Asteroiden vorbei und holte Schwung an Erde und Mars, bevor sie im Juni 2011 in den Schlafmodus versetzt wurde, um Energie zu sparen.

Rosetta wird ihr Ziel im August erreichen. Dort angekommen, wird sie die Oberfläche des Kometenkerns, seine Schwerkraft, Form und Rotation aufzeichnen, damit ein geeigneter Landeplatz für den metergroßen Lander Philae gefunden werden kann. "Wir wissen wirklich sehr wenig über das Objekt", sagt Andrea Accomazzo, Operation Manager der Raumsonde Rosetta.

Die ESA plant, Philae im November abzusetzen, bevor der bereits jetzt Gas und Staub speiende Komet der Sonne zu nahe kommt und noch mehr Trümmer produziert. Rosetta wird sich dafür aus ihrer Umlaufbahn in bis zu 100 Kilometern Höhe dem Kometen auf vier Kilometer annähern und die mit Instrumenten vollgepackte Sonde in einer Landezone von etwa einem Quadratkilometer abwerfen. Die Forscher haben nur einen Versuch für eine erfolgreiche Landung, die voll automatisiert ablaufen muss, da es in der Kommunikation mit der Erde einen Zeitversatz von 30 Minuten gibt. Dementsprechend heikel ist die Operation. "Selbst wenn wir die bestmögliche Landestelle ausgewählt haben, brauchen wir immer noch ein bisschen Glück, um auf der sicheren Seite zu sein", erklärt Mark McCaughrean, Leiter des Research and Scientific Support Department. Rosetta wird den Kometen mit Schrittgeschwindigkeit umrunden, allerdings rasen beide währenddessen mit etwa 20 Kilometer pro Sekunde durchs All.

Auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit

Wenn Philae sich am Boden sicher mit seiner Harpune verankert hat, werden seine Batterien ein paar Tage ausreichen; danach muss er mit Sonnenenergie überleben. Sind seine Solarpanels allerdings erst einmal mit Staub überzogen, wird das schwierig. "Wir haben keine Ahnung, wie lange das dauern wird", erklärt McCaughrean. Doch auch wenn das Hauptaugenmerk auf der Arbeit von Philae liege, so wäre es schon ein Riesenerfolg, die umrundende Raumsonde und ihre komplexen Instrumente in die richtige Position um den Kometen zu bringen: "Den Lander auch noch erfolgreich zu landen, wäre das Sahnehäubchen auf dem Kuchen."

Kometen sind sehr ursprüngliche Objekte. Seit sie zusammen mit dem Sonnensystem vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden sind, hat sich ihre Zusammensetzung aus Gas, Staub und organischen Moleküle kaum verändert. Wissenschaftler nehmen daher an, dass sie wichtige Spuren aus der Vergangenheit bergen. Kometen gelten außerdem als Lieferanten eines großen Anteils des Wassers auf der Erde, und womöglich haben sie auch Aminosäuren mitgebracht, die Bausteine des Lebens.

Philaes Instrumentenpark | Der Lander Philae wird zehn Instrumente zur Oberfläche des Kometen bringen, darunter COSAC, das Aufschluss über komplexe organische Verbindungen bringen soll.

Sofern alles nach Plan läuft, werden die Kameras und Sensoren auf der Raumsonde den Kometen im Lauf des Jahres detailliert studieren, Spektrometer werden die Chemie seines Staubs analysieren. Der Lander wird sich die Zusammensetzung und Struktur der Oberfläche ansehen. Beide werden das Verhältnis von normalem zu schwerem Wasser – also mit dem Wasserstoffisotop Deuterium – erfassen und mit der Signatur des Wassers auf der Erde vergleichen, und ihre Instrumente werden nach komplexen Molekülen fahnden, die für ursprüngliches Leben notwendig wären.

Uwe Meierhenrich, Chemiker an der Université Nice Sophia Antipolis in Frankreich wartet gespannt auf die Ergebnisse. Er gehört zum Forscherteam des COSAC-Experiments (Cometary Sampling and Composition) von Philae, das Material aus bis zu 20 Zentimeter Tiefe der Kometenoberfläche untersucht. Dort könnte sich organisches Material finden, das sich nicht verflüchtigt und daher nie Bestandteil des Gasschweifs war, den Astronomen von der Erde aus untersuchen können.

COSAC wird auch die Chiralität (die "Händigkeit") von gegebenfalls aufgespürten Aminosäuren messen. Das ist aus der Ferne nicht möglich und wurde bisher an keiner Kometenprobe gemacht, erklärte Meierhenrich. Auf der Erde sind alle Aminosäuren in Proteinen linkshändig. Fänden sich auch auf dem Kometen vorwiegend linkshändige Aminosäuren, würde dies die Hypothese stützen, dass einst ein kosmischer Reisender die Bausteine des Lebens zur Erde brachten.

Der Artikel ist im Orginal unter dem Titel "Comet craft ready to wake" in Nature erschienen.

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