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Paläontologie: Alligator snackte am liebsten Schnecken

Die nächsten Verwandten des seltenen China-Alligators leben in Nordamerika. Doch das war nicht immer so. Die Nahrung des fossilen Verwandten überrascht aber durchaus.
Illustration des fossilen Alligators aus Thailand
Diese Illustration zeigt Alligator munensis, dessen fossile Überreste in Thailand gefunden wurden. Er ist nahe mit dem China-Alligator verwandt.

Verglichen mit früheren Zeiten überlebt heute nur noch ein kläglicher Rest an Krokodilarten: Je nach Zählung kommen weltweit bis zu 26 Spezies vor; zu ihrer Hochzeit waren es wahrscheinlich Hunderte. Und immer wieder stoßen Wissenschaftler auf neue Vertreter dieser Reptilien wie Alligator munensis, dessen teilweise versteinerter Schädel bereits 2005 im thailändischen Ban Si Liam gefunden wurde. Ein Team um Gustavo Darlim von der Universität Tübingen beschreibt anhand dieses Fundes die neue Art in »Scientific Reports«.

Mit einem Alter des Fossils von etwa 230 000 Jahren starben diese Alligatoren in geologisch relativ junger Zeit aus. Benannt wurde Alligator munensis nach dem Fluss Mun, der nahe dem Fundort fließt. Er ist wahrscheinlich eng mit dem vom Aussterben bedrohten China-Alligator vom Jangtse verwandt, welcher der einzige überlebende Vertreter dieser Gruppe in Asien ist: Die gesamte Verwandtschaft inklusive der Kaimane findet sich sonst in Amerika.

»Der Schädel aus Thailand erinnert an den einer Bulldogge. Er besitzt einige besondere Merkmale, die bei allen anderen Arten fehlen«, sagt der an der Studie beteiligte Márton Rabi. Der große Schädel besaß eine kurze, sehr breite und tief ansetzende Schnauze, eine reduzierte Zahl von Zahnhöhlen, und die Nasenlöcher lagen weit von der Spitze der Schnauze entfernt. Die Körperlänge insgesamt schätzt das Forschungsteam auf anderthalb bis zwei Meter und damit ähnlich wie beim China-Alligator.

Wegen der Ähnlichkeit beider asiatischer Alligatoren vermutet die Arbeitsgruppe, dass beide einen gemeinsamen Vorfahren hatte, der im Tiefland der Flusssysteme des Jangtse-Xi und des Mekong-Chao Phraya lebte. Als sich dann der Himalaja zu heben begann und in der Folge auch weitere Gebirgszüge aufragten, wurden vor 23 bis 5 Millionen Jahren mindestens zwei Populationen voneinander getrennt, die sich dann auseinanderentwickelten.

»Die großen Zahnhöhlen im Schädel von A. munensis legen nahe, dass er große Zähne im hinteren Mundraum besaß, mit denen auch Schalen etwa von Schneckenhäuser zerkleinert werden konnten«, sagt Rabi. In der evolutionären Vergangenheit seien kugelförmig abgeflachte große Zähne mit ähnlicher Funktion bei Krokodilen, zu denen auch die Alligatoren gehören, verbreitet gewesen und hätten sich mehrfach unabhängig voneinander entwickelt. Allerdings sei ein solcher Gebisstyp bei den heute lebenden Arten nicht mehr zu finden.

Dass so viele Krokodilarten vor wenigen hunderttausend bis Millionen Jahren ausstarben, führen Wissenschaftler vor allem auf den Beginn des Eiszeitalters zurück. Krokodile sind ektotherm: Sie können ihre Körpertemperatur nicht selbst regulieren wie beispielsweise Säugetiere – Kälte brachte ihnen also den Tod. Die nördlichsten rezenten Arten sind die Alligatoren in China und den USA; sie überleben auch für kurze Zeit Minusgrade. In Afrika verschwanden vor rund zehn Millionen Jahren zahlreiche Spezies, als sich die Sahara auf Kosten der damals vorhandenen ausgedehnten Feuchtgebiete ausbreitete. Dagegen sorgte die Entstehung der südamerikanischen Anden für das Ende der meisten Spezies, die damals im Amazonasbecken vorkamen: Der Gebirgszug bewirkte, dass die Megasümpfe der Region entwässert wurden. Für ozeanische Krokodilarten spielten dagegen Meeresspiegelschwankungen eine entscheidende Rolle: Als sich während der Eiszeiten die Ozeane zurückzogen, weil Wasser im Eis gebunden wurde, starben ebenfalls viele Arten aus.

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