Direkt zum Inhalt

Kampf gegen Plastikmüll: »Es muss zeitlich gebundene Reduktionsziele geben«

Um die Flut an Plastikmüll einzudämmen, braucht es klare Regeln, sagt die Meeresbiologin Melanie Bergmann. Sie fordert eine Beschränkung von Produktion und Inhaltsstoffen. Nächste Woche verhandeln die Nationen über ein Abkommen.
dunkelgrüne Wasseroberfläche, auf der schwimmende Algen sowie Müll zu sehen sind
Kunststoffabfall ist weltweit ein Problem, ob an Land oder in den Ozeanen. Weil die Teilchen so verstreut sind, sei es utopisch, alles einzusammeln, sagen Fachleute.

8,3 Milliarden Tonnen Plastik hat die Welt nach aktuellen Schätzungen zwischen 1950 und 2015 hergestellt. Jedes Jahr kommen mehr als 460 Millionen Tonnen hinzu, wobei die Produktion laut Wirtschaftsprognosen in den kommenden Jahren sogar stark ansteigen soll. Die Auswirkungen sieht man weltweit: Kein Ort der Erde ist mehr frei von Plastikabfall, mit fatalen Folgen für Menschen, Tiere und Ökosysteme. In einer beispiellosen Aktion haben sich die Vereinten Nationen daher im März 2022 geeinigt, ein internationales Plastikabkommen zu schaffen. Das ehrgeizige Ziel: die weltweite Flut von Plastikmüll zu beenden. Vom 13. bis zum 19. November 2023 lief in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden. Die Tiefseeforscherin Melanie Bergmann, die am Alfred-Wegener-Institut seit mehr als zehn Jahren zu Kunststoffmüll forscht, erklärt im Gespräch mit »Spektrum.de«, was ein wirksames Abkommen aus Sicht der Wissenschaft leisten muss.

Sie verhandeln in Nairobi mit über ein globales Plastikabkommen. In welcher Rolle sitzen Sie am Verhandlungstisch?

Ich bin Teil der deutschen Delegation und begleite die Verhandlungen als Wissenschaftlerin. Gleichzeitig bin ich Teil des Netzwerks Scientists' Coalition for an Effective Plastics Treaty, das wir aufgebaut haben. Darin finden sich mehr als 300 Forschende aus verschiedenen Ländern mit sehr unterschiedlicher Expertise. Wir wollen dafür sorgen, dass sich die Diskussionen an unabhängigen wissenschaftlichen Fakten orientieren. In Zukunft braucht es auch ein Expertengremium mit unabhängigen Forschenden.

Melanie Bergmann | Die Meeresbiologin forscht seit 2004 am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Seit 2012 hat sie sich auf die Plastikverschmutzung der Ozeane spezialisiert.

Wer diskutiert sonst noch mit?

Einerseits Industrievertreter, einige davon haben sich zur Business Coalition zusammengetan. Sehr stark sticht dabei der American Chemistry Council hervor – bei der zweiten Verhandlungsrunde [im Juni 2023, Anm. d. Red.] hat er sich nach eigenen Aussagen jeden Tag mit der amerikanischen Delegation getroffen. Andererseits sind verschiedenste NGOs dabei, darunter Greenpeace oder WWF. Dazu kommen Verbände aus dem Gesundheitsbereich sowie von Abfallsammlern und indigenen Völkern. Ein nicht unwesentlicher Teil des Abfalls der Industrieländer wird in andere Staaten in Afrika und Asien exportiert, wo ihn dann Menschen auf riesigen Müllbergen händisch sortieren. Diese Menschen leisten einen Großteil unseres Recyclings. Deshalb ist es wichtig, dass sie einen Platz an diesem Verhandlungstisch haben und gehört werden, denn was dort entschieden wird, bestimmt ihr täglich Brot mit. Ihre Stimme ist wichtig für eine gerechte Transformation.

Wann sind die Verhandlungen für Sie ein Erfolg?

Ganz wichtig aus wissenschaftlicher Sicht ist, dass wir die Produktion auf das allernötigste Plastik reduzieren. Es muss zeitlich gebundene Reduktionsziele geben, ähnlich wie man das von Diskussionen über CO2 kennt. Sie müssen überprüfbar sein, damit man später sehen kann, ob man die Ziele erreicht hat – und falls nicht, muss man herausfinden, woran es hapert und was zu tun ist. Wir brauchen also Möglichkeiten, die Ziele zu kontrollieren und nachzujustieren. Einfacher wäre es auch, wenn wir nach Sektoren arbeiten würden, beispielsweise die Fischerei, die Agrarwirtschaft oder den Lebensmittelsektor getrennt in den Blick nehmen, wie wir Wissenschaftler und auch die EU fordern.

Wie viel Kunststoff ist wirklich nötig? Kann man das an einer Zahl festmachen?

Das ist schwierig. Am besten nur das Allernötigste. Wir waren dabei, eine Empfehlung für eine Reduktionsgrenze zu verfassen, haben das Ganze jedoch erst einmal bis zur nächsten Verhandlungsrunde verschoben. Denn dabei gibt es einiges zu bedenken. Klar könnte man jetzt einfach eine Zahl raushauen und zum Beispiel sagen: zehn Prozent weniger. Doch wenn man das wissenschaftsbasiert macht, muss man Simulationen vorweisen können und sagen, was diese zehn Prozent Minderung überhaupt ausmachen, was das in Zahlen bedeutet und was es für die Ökosysteme heißen könnte. Weniger ist besser – aber wie viel weniger würde tatsächlich etwas bewirken? Das ist die große Frage. Weil das so wichtig ist, wollen wir nichts vorschnell in die Welt setzen.

Was muss sich neben dieser Reduktion sonst noch ändern?

Wir müssen die chemische Zusammensetzung von Kunststoffen so regulieren, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Es ist eigentlich unfassbar, dass wir das nicht von Anfang an so gemacht haben. Mittlerweile gehen wir davon aus, dass weit über 13 000 verschiedene Chemikalien mit Plastik assoziiert sind. Rund ein Viertel davon wirkt nachgewiesenermaßen schädlich. Womit die anderen drei Viertel nicht automatisch unbedenklich sind, denn von einem riesigen Teil dieser Chemikalien wissen wir überhaupt nicht, welche Folgen sie für uns und die Umwelt haben.

»Wir gehen davon aus, dass weit über 13 000 verschiedene Chemikalien mit Plastik assoziiert sind«Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut

Was für Stoffe sind das?

Zum einen wissentlich zugesetzte Chemikalien, die für die gewünschten Produkteigenschaften sorgen. Durch sie wird ein Produkt also schwarz oder blau, nicht so leicht brennbar oder weich. Zum anderen entstehen etwa beim Herstellen in der Fabrik so genannte NIAS – »non intentially added substances«, nicht absichtlich zugesetzte Stoffe. Die müssten eigentlich auch reguliert werden, denn da können wirklich schädliche Komponenten entstehen.

Das Problem ist: Wer will 13 000 Chemikalien überprüfen? Wer soll das machen, mit welchen Methoden? Warum soll die Wissenschaft das tun, die in der Regel vom Steuerzahler finanziert wird, wenn doch die Industrie davon profitiert? Das ist ein Beispiel dafür, wie die Gewinne eingestrichen und die Kosten auf die Gesellschaft übertragen werden, wie so oft bei Plastik. Denn jährlich entstehen mindestens 250 Milliarden Dollar an Kosten für die öffentliche Gesundheit. Darüber reden wir wenig, aber das ist wirklich wichtig.

Sie fordern also, die Produktion von Kunststoffen zu begrenzen und die Inhaltsstoffe streng zu regulieren. Was ist mit Recycling?

Der erwähnte Cocktail von Chemikalien ist gleichzeitig ein Grund dafür, dass zu wenig recycelt wird. Die verschiedenen Inhaltsstoffe oder Kunststoffe können häufig nicht zusammengegeben werden, entweder weil sie gesundheitlich bedenklich sind oder sich nicht mit den gewünschten Produkten vertragen. Aus diesem Grund sind in Deutschland bestimmte recycelte Kunststoffe nicht für Lebensmittelverpackungen zugelassen. Wir müssen zuerst die Zusammensetzung von Kunststoffen vereinfachen und transparent machen. Nur dadurch, dass man dann unbedenkliche Produkte hat, kann man die gewünschten Recyclingquoten und eine Kreislaufführung überhaupt erreichen.

All diese Pläne beziehen sich auf Kunststoffe, die künftig hergestellt werden. Wie will man aber mit dem bereits vorhandenen Müll vor allem im Meer umgehen?

Dazu gibt es ebenfalls Ideen. Leider sind sie meist nicht selektiv: Sie fangen alles ein, was da ist – nicht nur Plastik, sondern auch Algen und Tiere, die an der Oberfläche treiben, wir nennen sie Neuston. Sie haben sehr wichtige Ökosystemfunktionen. Im Grunde ist es wie beim Fischen: Wenn man Netze oder sonstige Vorrichtungen durch das Wasser zieht, die nicht selektiv sein können, entnimmt man gleichzeitig Biomasse mit wichtigen Ökosystemfunktionen. Wenn das gelegentlich passiert, ist das vermutlich weniger schlimm. Wir fischen ja auch. Aber wenn man diese Technologien in dem großen Stil einsetzen würde, den es bräuchte, um den ganzen Meeresmüll einzusammeln, dann wäre das richtig viel. Damit würde man sehr viele Tiere töten und Biomasse entfernen. Das wäre ein Problem. Daher müssen wir zumindest prüfen, ob diese Technologien effizient und ökologisch unbedenklich sind – wissenschaftlich fundiert anhand internationaler Kriterien. Denn das ist wahrscheinlich nicht immer der Fall.

Woran denken Sie konkret?

Denken Sie an das bekannte Projekt The Ocean Cleanup: Hier ziehen inzwischen zwei Schiffe ein riesiges Netz bis zu zwei Wochen lang durch den Nordpazifik, was einiges an CO2 verursacht. Wenn Hunderte solcher Schiffe zum Einsatz kämen, um den ganzen Müll einzusammeln, dann würden die zusätzlichen Treibhausgase zu einem Problem. Außerdem erhält man Beifang – und das in der Mitte des Ozeans, wo es ohnehin nicht so viele Lebewesen gibt. Gerade dort ist es womöglich sehr kritisch, wenn die wenigen Organismen, die dort leben, weggefischt werden. Denn das Ökosystem in der Tiefsee darunter ist komplett auf die Vorgänge an der Meeresoberfläche angewiesen.

Fliegende Fische im Glas | Beim Versuch, Abfall aus dem Ozean zu entfernen, werden zahlreiche Tiere mit eingefangen. Hier sind einem Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts bei Tests im Nordpazifik fliegende Fische ins Netz gegangen.

Dort schwimmt aber doch das Plastik …

Die Öffentlichkeit hat hier leider ein falsches Bild vor Augen. Wenn vom »Great Pacific Garbage Patch«, dem großen Pazifischen Müllstrudel, gesprochen wurde, wurden dazu häufig Bilder von asiatischen Flüssen oder von anderen, kleineren Müllanreicherungsorten gezeigt. Zusammen mit der Info, dass der Strudel eine Fläche wie Texas oder Frankreich und Deutschland oder Ähnliches einnimmt, hat man dann ein Bild vor Augen: Plastik an Plastik auf einer riesigen Fläche.

»Wissenschaftliche Berechnungen haben gezeigt, dass der allerwirksamste und kostengünstigste Hebel tatsächlich eine Reduktion der Produktion ist«Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut

Das Problem ist, mit diesen Bildern im Kopf denkt man: Da müssen wir jetzt nur einmal mit einem Netz durch, und dann haben wir alles – das ist doch super! Aber so ist es eben nicht. Man müsste riesige Flächen abfahren, um die dort weit verstreuten Plastikteilchen aufzusammeln. Das ist nicht wirklich machbar. The Ocean Cleanup konzentriert sich mittlerweile mehr auf Flussmündungsgebiete. Wie wir allerdings inzwischen wissen, sammelt sich auch in den Flüssen selbst mehr Plastik, als man früher dachte. Wenn man es abfängt, bevor es überhaupt in den Fluss kommt, ist das also noch besser. Wissenschaftliche Berechnungen haben gezeigt, dass der allerwirksamste und kostengünstigste Hebel tatsächlich eine Reduktion der Produktion ist.

Sie haben Plastikteilchen mittlerweile fast überall gefunden – unter anderem in der Tiefsee, in arktischen Algen, in Schnee und Eis. Beschäftigt man sich als Meeresforscherin unweigerlich eines Tages mit dem Müll?

Wir nehmen an unserem Tiefsee-Observatorium Hausgarten, einem Netz von 21 Stationen, jedes Jahr mit unserem Forschungsschiff »Polarstern« verschiedenste Messungen vor, von der Meeresoberfläche bis zum tiefen Meeresboden. Bei einem Teil der Untersuchungen haben wir ein Kamerasystem über den Meeresboden gezogen: Wir wollten schauen, ob sich die Gemeinschaften der größeren Tiere dort – also Seesterne, Schnecken, Schwämme, alles, was man mit bloßem Auge sehen kann – durch die Erderhitzung verändern.

Plastik-Ausbeute | Probe aus einem Netz, das ein Team des Alfred-Wegener-Instituts mit dem Forschungsschiff »Sonne« bei einer Querung des Nordpazifiks für 45 Minuten an der Meeresoberfläche entlanggezogen hat (bei vier Knoten).

Dabei sah ich immer mehr Plastikmüll. Als ich das genauer untersucht habe, fand ich heraus, dass sich seine Menge zwischen 2002 und 2011 verdoppelt hatte. Diese Entwicklung ist weitergegangen und war auch an anderen Stationen zu sehen: Von 2004 bis 2017 hat sie sich sogar versiebenfacht! Das hat Folgen für die Tiere am Meeresboden, beispielsweise haben immer mehr Schwämme Plastik in oder an ihrem Körper. In einem extremen Jahr hatten 20 Prozent der Schwämme Plastik an sich.

»Immer noch lautet die große Frage: Wo ist das Plastik überhaupt?«Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut

Was haben Sie noch beobachtet?

Der Anteil der kleinen Plastikteile hat zugenommen, das heißt, es kam immer mehr kleines Material dazu. Wir haben dann am Meeresboden, in der Wassersäule, an der Meeresoberfläche, im Schnee, im Eis, in den Algen nachgeschaut, ob Mikroplastik vorhanden ist und wie es sich in den verschiedenen Bereichen verteilt. Immer noch lautet die große Frage: Wo ist das Plastik überhaupt? Denn es wird deutlich mehr Plastik ins Meer eingetragen, als wir im Ozean finden. Deswegen vermuten wir, dass es bestimmte Senken gibt, in denen sich das Plastik besonders ansammelt. Die Wissenschaft untersucht noch, wo diese Anreicherungsorte sind.

Sie vermuten Plastikansammlungen, die man noch gar nicht entdeckt hat?

Ja. Wobei eine kürzlich veröffentlichte Studie zu dem Schluss kommt, dass einerseits viel mehr Plastik an der Oberfläche schwimmt als gedacht und andererseits der Eintrag geringer ist als vermutet. Das ist allerdings nur eine einzige neue Studie.

Wie zuverlässig sind solche Schätzungen, wie viel Plastik ins Meer gelangt?

Es ist sehr schwierig, das festzumachen. Es gibt eine hohe Diskrepanz zwischen dem, was wir in der Umwelt finden, und dem, was laut Modellen in die Umwelt gelangt. Um diesen Eintrag zu ermitteln, werden immer dieselben Modelle verwendet. Dann kann man natürlich sagen: Vielleicht wird gar nicht so viel eingetragen. Auch das ist eine logische Schlussfolgerung. In dieser Studie wurden jedoch wichtige Kunststoffe ausgeklammert.

Fakt ist allerdings: Wir haben hohe Produktionszahlen und keinen Weg, damit umzugehen. Zumindest in Europa oder in Deutschland verbrennen wir viel Plastik. Doch letztlich ist Verbrennung kein Weg der Zukunft. Es erzeugt CO2, und das geht künftig eben nicht mehr. Allein aus diesem Grund müssen wir schon umsteuern. Außerdem entstehen beim Verbrennen viele hochgiftige Stoffe. Wenn das unreguliert geschieht, gelangen sie in die Umwelt und reichern sich weltweit an. In der EU werden diese Substanzen im besten Fall in Filtern abgefangen und in Salzstollen eingelagert. Jeden Tag entstehen dabei aber viele Tonnen dieser hochgiftigen Stoffe, das ist also auch ein Endlagerungsproblem.

»Letztlich ist Verbrennung kein Weg der Zukunft«Melanie Bergmann, Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut

Sehen die Menschen das Thema Plastikmüll heute kritischer als früher? Sie haben ein Bürgerprojekt zum Müllsammeln in der Arktis ins Leben gerufen und sprechen mit Schulklassen über das Thema.

Ja, es gibt sogar globale Umfragen, nach denen ein großer Teil der Bürgerinnen und Bürger gerne weniger Plastik sehen würde. Außerdem haben wissenschaftliche Begleitstudien solcher Sammelaktionen gezeigt, dass die Menschen hinterher anders oder bewusster einkaufen und keinen Müll in die Umwelt werfen. Wobei sich zu solchen Projekten mit Erwachsenen von vornherein eher Personen mit einem gewissen Umweltbewusstsein melden. Macht man das mit einer Schulklasse, dann hat man ein breiteres Spektrum. Aber ja, hier findet ein Umdenken statt.

Es gilt als Erfolg, dass sich die Staaten 2022 überhaupt darauf geeinigt haben, ein globales Plastikabkommen in Angriff zu nehmen. Sehen Sie das auch so?

Dass es ein Abkommen geben würde, war zu dem Zeitpunkt wohl halbwegs klar. Doch es lagen zwei Versionen für ein Mandat auf dem Tisch. Dasjenige, das von Japan kam, war weniger ambitioniert, es ging darin allein um Müll im Meer und wie man vermeiden kann, dass er dorthin gelangt. Ruanda und Peru haben hingegen eine ehrgeizigere Resolution vorgelegt, die Deutschland und Norwegen stark unterstützt haben und welche die gesamte Lebensdauer von Plastik in den Blick nimmt. Sie hat am Ende das Rennen gemacht, und das hat viele positiv überrascht. Das lässt hoffen, auch wenn es zwischendurch schwierig ist.

Nordpazifik | Der Plastikmüll, der im Nordpazifik schwimmt, ist fein verteilt und daher von Weitem nicht zu erkennen – anders, als sich das viele vorstellen.

Was ist schwierig?

In Paris [bei der zweiten Verhandlungsrunde, Anm. d. Red.] haben gerade Öl produzierende Länder wie Saudi-Arabien, anfangs auch Brasilien und Iran, versucht, die Verhandlungen zu verzögern, indem sie grundsätzliche Verfahrensabläufe in Frage stellten. Es hat uns eineinhalb Tage der gesamten Woche gekostet zu diskutieren, ob wir im Mehrheitsverfahren oder im Konsens abstimmen. Das war sehr frustrierend für alle, die gern mehr erreicht hätten. Letztlich haben wir unser Pensum trotzdem geschafft, unter anderem, weil die inhaltlich arbeitenden Contact Groups extrem vorbildlich und effektiv durchmoderiert wurden, eine der beiden von der deutschen Delegation.

Gibt es außerdem noch inhaltliche Fallstricke?

Eine Sache, auf die man sehr achten muss, ist Bioplastik. Darunter versteht jeder etwas anderes, oft meint man Kunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Denn erstens kostet der Anbau der Rohstoffe Land, das wir für die Produktion von Lebensmitteln brauchen und nicht für die Verpackung von Lebensmitteln. Zweitens: Was ist der große Nutzen, wenn diese Kunststoffe am Ende genauso wenig in der Umwelt abbaubar sind wie konventionelles Plastik? Drittens muss man wirklich genau hinschauen. Ein Kollege von mir hat in einer Studie solche Bioplastikprodukte untersucht und in einem einzigen Produkt 4000 Chemikalien gefunden.

Das war schockierend zu sehen. Deswegen muss man hier von Anfang an genau hinschauen, um nicht die gleichen Fehler zu machen wie bei konventionellem Plastik. Wir müssen von vornherein Richtlinien schaffen: Erstens müssen die Produkte nach bestimmten Standards getestet und zugelassen werden, ähnlich wie bei Medikamenten. Zweitens müssen sie im Rahmen bestimmter Kriterien unbedenklich sein. Und drittens müssen sie entweder im Kreislauf geführt werden können oder – wenn das nicht möglich ist – in der Umwelt verwittern, aber nicht erst nach 20 Jahren.

Wie stehen jetzt die Chancen, dass in Zukunft tatsächlich weniger Plastik hergestellt wird?

Das ist schwer vorherzusagen. Manche Staaten oder Industrien arbeiten stark dagegen. Gerade in den USA boomt derzeit das Fracking, das heißt, es wird viel Erdgas günstig gefördert. Dieses Gas möchte die Industrie künftig als Plan B für die Plastikproduktion nutzen, um daraus Ethylen und dann Polyethylen herzustellen. Ihre Argumentation lautet, mehr Plastik sei nötig, um das Klima zu schützen: damit Lebensmittel länger halten, für den Leichtbau, für günstigeren Transport, der weniger Energie verbraucht. Diese Punkte versucht man dann herauszustellen. Dabei sollte man jedoch vor Augen haben, dass die Plastikproduktion schon jetzt 4,5 Prozent des weltweiten jährlichen CO2-Ausstoßes verursacht. Bei dem Wachstum, von dem wir jetzt ausgehen, könnte die Kunststofferzeugung bis 2050 bis zu 13 Prozent des noch verbleibenden CO2-Budgets verschlingen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.