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News: Präkolumbianischer Politfilz

Bis zu ihrem mysteriösen Ende war die altindianische Tempelstadt Teotihuacan über einige Jahrhunderte hinweg das Zentrum mittelamerikanischer Macht. Wie weit reichte der Einfluss ihrer längst begrabenen Herren - und wer waren diese?
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Etwa 40 Kilometer entfernt vom lärmenden Zentrum der mexikanischen Hauptstadt ragen die Wahrzeichen einer mehr als 2000 Jahre älteren Kapitale in den Himmel: Sonnen- und Mondpyramide, eindrucksvolle Zeugnisse der altindianischen Hochkultur Teotihuacans, der "Stadt der Götter". Die einst auf fast 25 Quadratkilometer ausgedehnte antike Tempelstadt ist Touristenmagnet – und zugleich Mysterium, denn auch nach einem Jahrhundert neuzeitlicher archäologischer Grabungen geben die Spuren ihrer Erbauer und Herrscher noch Rätsel auf.

Ungeklärt und umstritten sind beispielsweise die Verhältnisse zwischen den Bewohnern Teotihuacans, Vorläufern der Tolteken, und der damaligen Maya-Hochkultur, die weit im Süden des heutigen Mexikos und Guatemala beheimatet war. Auf dem Höhepunkt von Macht und Wohlstand Teotihuacans um das Jahr 350 nach Christus waren die Maya selbst wohl erst eine aufstrebende Mittelmacht am Beginn ihrer eigenen klassischen Blüteperiode. Offenbar hatten sie sich gegenüber dem nördlich gelegenen Herrschaftszentrum Alt-Mexikos aber durchaus eigenständige Züge bewahrt: Deutliche Unterschiede zwischen Maya- und Teotihuacan-Kultur sind archäologisch vielfältig belegt, und so ging man bislang von einem beziehungsarmen Nebeneinanderherleben beider Völker aus.

Diese Theorie muss wohl nun, nach einem spektakulären Ausgrabungsfund durch Saburo Sugiyama von der japanischen Aichi Prefectural University und Ruben Cabrera vom mexikanischen National Institute of Anthropology and History, zu den Akten gelegt werden.

Die Archäologen entdeckten im oberen Drittel der großen Mondpyramide Teotihuacans eine ungewöhnliche Grabstätte mit drei Toten. Zwar fand man in der Pyramide schon zuvor Gräber von gefesselten, offenbar geopferten Menschen sowie Knochen von Pumas, Adlern oder Schlangen – Tieren mit religiös-symbolischer Bedeutung – neben großen Muscheln, Waffen und Kunstgegenständen als Grabbeigaben. Die Toten der jetzt geöffneten Grabkammer aber waren offensichtlich von anderer Bedeutung: Sie waren nicht nur überreichlich mit Beigaben ausgestattet, sondern auch in einer in Teotihuacan sonst kaum entdeckten, vermutlich nur hochgestellten Persönlichkeiten vorbehaltenen, sitzenden Zeremonialhaltung beerdigt.

"Die Körperhaltung findet man jedoch in bildlichen Darstellungen von Priestern, Göttern und Kriegern der Teotihuacankultur wieder", verdeutlicht Sugiyama. Charakteristisch war sie zudem für hochgestellte Persönlichkeiten in Gräbern der südlich gelegenen Mayakultur. Auch einige der Grabbeigaben der Toten von Teotihuacan – besonders manche im Maya-Stil gefertigte Jade-Artfakte – weisen eindeutig nach Süden. Der grüne Halbedelstein war das bevorzugte Material für die Machtsymbole von Maya-Herrschern, und die nächstgelegene Jade-Fundstätte lag, auf Maya-Territorium, im heutigen Guatemala.

"Diese Grabbeigaben deuten darauf hin, dass unmittelbare Beziehungen zwischen der Herrschaftsschicht von Teotihuacan und den königlichen Familien der Mayas bestanden", meint Sugiyama. Die Befunde dafür scheinen eindeutig und stützen einige bislang weniger beachtete archäologische Hinweise. Danach hätten hochgestellte Bewohner Teotihuacans Maya-Städte wie Copal und Tikal durchaus besucht und deren kulturelle und künstlerische Entwicklung auch beeinflusst.

Trotzdem bleiben Fragen, denn zu unterschiedlich scheinen die Kulturen der Mayas und Teotihuacans in ihrer Gesamtheit. Ob die drei bestatteten Potentaten Teotihuacans – alle männlich und zum Zeitpunkt ihres Todes um die 50 Jahre alt – tatsächlich Mitglieder einer staatenübergreifenden Adelsdynastie waren, sollen nun weitergehende Untersuchungen klären: Im kommenden Sommer wird das Team um Sugiyama seine zwischenzeitlich unterbrochenen Grabungen wiederaufnehmen.

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