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Musikalische Wahrnehmung: Stilles Konzert

Eine Stummfilmsequenz verrät mehr über das Können eines Musikers als eine Tonaufnahme.
Klavierspielende Hände

Schöne Bilder berühren uns, wenn wir unsere Augen auf sie richten. Musik hingegen erreicht uns über die Ohren. Wie gut ein Geiger oder Pianist sein Fach beherrscht, sollte sich daher am besten durch Zuhören beurteilen lassen. Stimmt nicht, meint nun eine Studie von Chia-Jung Tsay vom University College London: Selbst geschulte Experten erkennen gute Musiker eher, wenn sie ihrem Spiel einfach nur zusehen, ohne zu lauschen.

Screenshots der Videos aus dem Experiment | So sahen die Aufnahmen aus, die Tsay ihren Teilnehmern zeigte. Welcher dieser Pianisten hatte wohl am meisten Erfolg?

In vier verschiedenen Experimenten hatte Tsay den Versuchsteilnehmern Videos ohne und mit Ton sowie einfache Tonaufnahmen von Finalisten zehn verschiedener klassischer Musikwettbewerbe vorgespielt – mit der Aufgabe abzuschätzen, wer die Wettbewerbe gewonnen hat. Weder Laien noch Experten waren besser als der Zufall, wenn sie nur anhören durften, was die Finalisten gespielt hatten. Ein Gesamteindruck der musikalischen Darbietung – mit Ton unterlegte Videos – verbesserte die Treffsicherheit auch nicht weiter. Sahen sich die Befragten jedoch ausschließlich Stummfilmsequenzen der Auftritte an, lagen sie mit ihrer Einschätzung meistens richtig.

Tsays Erklärung: Unsere Augen sind vergleichsweise gut darin, anhand der Körperbewegungen der Interpreten die entscheidenden Merkmale für musikalischen Erfolg – Leidenschaft, Motivation, Kreativität, Einzigartigkeit – zu erkennen. Mit unseren Ohren und allein anhand des Klangs können wir diese Merkmale weniger gut herausfiltern. Und das gilt nicht nur für unerfahrene Lauscher, die mit Melodien und Rhythmen nichts anfangen können, sondern auch für Kenner des Fachs. Im Zweifelsfall verlassen sich deshalb auch die Profis automatisch und ohne es zu wissen auf ihr visuelles System.

Tonaufnahme aus dem Experiment

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Audio-Datei (2.1 MB)

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