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Medikamentenentwicklung: Ursache für fatalen Verlauf von Medikamententest gefunden?

Eine ungeplante Aktivierung von T-Helferzellen könnte den Zytokinsturm ausgelöst haben, der sechs britische Freiwillige Mitte März bei einem Medikamententest lebensgefährlich erkranken ließ. Verantwortlich dafür könnte die Struktur des Antikörper-"Stieles", des Fc-Teils, gewesen sein, der beim Menschen womöglich anders aufgebaut ist als bei Affen. Durch Interaktionen zwischen diesen Elementen können auch andere Immunzellen einbezogen werden, wodurch sich die Immunantwort verstärkt. Da die Struktur einem typischen menschlichen Antikörper entsprach, blieben die Affen von einer solchen Verstärkung gegebenfalls verschont, spekuliert Michael Hopkins von der Nature-Redaktion.

Der getestete monoklonale Antikörper TGN1412 zielte darauf ab, regulierende T-Zellen des Immunsystems zu aktivieren, um Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis oder Typ-1-Diabetes zu behandeln, bei denen die Immunabwehr sich übermäßig gegen eigene Körperzellen richtet. Normalerweise wird eine T-Zelle nur dann aktiv, wenn ihr Gegenüber, eine das fremde Antigen präsentierende Zelle, an zwei Stellen bindet: am TC-Rezeptor für das Antigen und am so genannten CD28-Rezeptor, der im Prinzip das Startsignal gibt. TGN1412 jedoch benötigte nur den Kontakt zum CD28-Rezeptor, um die T-Zelle zu stimulieren, und umging damit einen wichtigen Kontrollschritt, der normalerweise eine Überreaktion verhindert.

Im Tierversuch an Affen schien das neue Medikament tatsächlich nur wie beabsichtigt auf die regulierenden T-Zellen zu wirken. In den Testpersonen jedoch, so Hopkins weiter, aktivierte TGN1412 womöglich über die Wechselwirkung der Fc-Teile auch T-Helferzellen, die ebenfalls einen CD28-Rezeptor auf ihrer Oberfläche tragen. Diese schütteten dann Zytokine aus, die wiederum weitere Elemente der Immunabwehr in Gang setzten. Die folgende übermäßige entzündliche Abwehrreaktion führte schließlich zu dem beobachteten multiplen Organversagen. Thomas Hünig von der Universität Würzburg, der TeGenero, den Hersteller von TGN1412, mit gegründet hatte, hält diesen Prozess Hopkins zufolge für möglich.

Die entscheidende Rolle des Fc-Teils war bereits in früheren Studien aufgefallen, so Camilo Colaco von dem Unternehmen ImmunoBiology. Bei Experimenten an einem Antikörper, der CD3-Rezeptoren zum Ziel hatte – wichtige Mitspieler für die Bindung an dem TC-Rezeptor – und dadurch die T-Zell-Aktivität steigern sollte, beobachteten die Forscher ebenfalls Zytokinstürme in ihren Versuchsmäusen. Als sie daraufhin den Fc-Teil veränderten, trat das Problem nicht mehr auf. Der Wirkstoff ist inzwischen in der klinischen Erprobung.

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