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»Zukunft«: Wer die Gegenwart verbessern will, sollte über die Zukunft nachdenken

Florence Gaub gibt praktische Tipps für einen angemessenen Umgang mit der Zukunft. Ihr Zukunftsbegriff ist allerdings zu weit gefasst.
Zwei Kinder im Gegenlicht der untergehenden Sonne.

Wie schon der Untertitel des Buchs verheißt, handelt es sich hier um klassische Ratgeberliteratur. Autorin Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin und Militärstrategin am NATO Defense College in Rom. Ihre »Bedienungsanleitung« erläutert recht allgemein, wie man sein Leben führen sollte: zukunftsorientiert, aber selbstverständlich ausgewogen, also nicht völlig gegenwartsvergessen. So soll man sich von Katastrophenwarnungen nicht allzu sehr beeindrucken lassen, aber Worst-Case-Szenarien durchaus wahrnehmen, sie durchspielen und entsprechend handeln.

»Ich denke, es ist wichtig, Warnungen vor negativen Folgen ernst zu nehmen, auch wenn diese erst in vielen Jahren eintreten werden.« Wenn man das voll bejaht, vergibt die Autorin im »Selbsttest: Wie zukunftsvergesslich bin ich?« die Höchstpunktzahl von sieben Punkten. Wer über die insgesamt 14 ähnlichen Fragen des Tests dieses Maximum erreicht, dem gibt sie den Rat, doch auch mal eine kleine Dosis Risiko einzugehen. Wer nur die Mindestpunktzahl erreicht, lebt freilich »zu sehr im Hier und Jetzt«.

Natürlich soll man positiv denken und sich nicht nur von der Angst vor einer schlechten Zukunft leiten lassen. Auch dazu gibt es im Buch einen entsprechenden Selbsttest: »Zehn Schritte zum richtigen Umgang mit einer negativen Zukunft«. Zunächst soll man sich über diese Zukunftserwartung klar werden, als zweiten Schritt empfiehlt der Test: »Schreiben Sie auf, wie Sie sich bei diesem Gedanken fühlen. Legen Sie diese Liste beiseite (zum Beispiel ›Ich fürchte mich … ‹).« Wenn man dann die zehn Schritte bewältigt hat, sollte man in der Lage sein, persönlich etwas gegen diese schlechte Zukunft zu tun und wieder einen »Handlungsspielraum finden«.

Ob man nun den gut gemeinten Ratschlägen der Autorin folgen will oder nicht: Das Problem des Buchs liegt im sehr weit gefassten Begriff von Zukunft. Gaub erfasst damit eigentlich alles im Leben, da man ja ständig überlegt, was man nachher, morgen oder in einiger Zeit tun wird, was einem droht und was man bewältigen muss.

Die Zukunft ist allgegenwärtig – und dadurch mitunter zu wenig greifbar

Florence Gaub empfiehlt, nicht nur die persönliche Zukunft ins Auge zu fassen, sondern auch die der Gesellschaft und des großen Ganzen. Die Zukunft des Planeten sei ja die Zukunft der Einzelnen, was sich freilich nicht von selbst versteht. Trotzdem rät sie: »Nehmen Sie sich Momente, wo Sie auch an das große Ganze denken – Ihr Zukunfts-Ich wird es Ihnen danken.«

Diese Zukunftsorientierung situiert sie im Gehirn, in dem spezielle Bereiche dafür zuständig seien – so die neurobiologische Forschung: »Im Gehirn ist die Zukunft tatsächlich annähernd so real wie Vergangenheit und Gegenwart.« Wer also dem Gehirn schöntut und an die Zukunft denkt, der wird erfolgreicher in der Gegenwart oder Zukunft sein – eine Maxime für Individuen, die analog auch für Unternehmen oder Staaten gelte.

Aber wer denkt eigentlich überhaupt nicht an die Zukunft? Klar, man könnte es falsch machen. Wer es richtig macht, der wird seinen Drogenkonsum einstellen, seine Sexbesessenheit bekämpfen, und als Firma wird man nicht nur an den aktuellen Börsenwert des Unternehmens denken. Wer Ratschläge zur besonnenen Lebensführung sucht, dem hilft dieses Buch.

Warnen muss man freilich vor seinen philosophischen Bezügen. Heidegger und Arendt zählen nicht zum Existenzialismus. Thomas Morus’ »Utopia« blickt nicht in die Zukunft. Die utopische Insel liegt fern im Ozean, soll nicht realisiert werden, dient vielmehr als Kritik der Zustände in England. Hegel ist nicht der Philosoph der Zukunft, sondern der Geschichte. Hier sieht man die Schwächen eines Begriffs von Zukunft, der schlicht zu weit gefasst ist.

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