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Lexikon der Astronomie: Reionisation

Sequenz der Reionisationsphasen Ganz allgemein versteht man in der Physik unter Reionisation eine erneute Ionisierung eines Materials, z.B. durch elektromagnetische Strahlung. Ionisierung bezeichnet den Prozess, der Ladungen von einem neutralen Gebilde (z.B. Atom) entzieht.

Kosmologie: erste Quellen ionisieren

In der Kosmologie bezieht sich der Begriff Reionisation auf eine ganze Epoche, nämlich diejenige, als die ersten entstandenen Strahlungsquellen im Universum das durch die Rekombinationsära (z ~ 1100) neutral gewordene intergalaktische Medium (IGM) erneut ionisierten. Als erste Strahlungsquellen kommen die ersten, entstandenen Sterne und die erste Generation der Aktiven Galaxienkerne, im Wesentlichen Quasare, in Betracht. Der Prozess der Reionisation vollzog sich über mehrere Phasen mit folgenden Bezeichnungen: Prä-Überlapp (engl. pre-overlap), Überlapp (engl. overlap), Reionisation (engl. reionization), Post-Überlapp (engl. post-overlap). Jede Phase ist mit einer bestimmten Ausdehnung der Ionisationsfronten um die ionisierenden Quellen assoziiert. Dies illustriert die Abbildung rechts (auch als Animation, 2.2 MB, ca. 900 × 700 Pixel).

He-Ionisation bei kleinerem z als H-Ionisation

Die wesentlichen chemischen Elemente im IGM, die sich bereits primordial bildeten (siehe primordiale Nukleosynthese) sind Wasserstoff (Elementsymbol H) und Helium (Elementsymbol He). Vor der Reionisationsära lagen sie zwischen den ersten kosmischen Objekten im Wesentlichen in neutraler Form vor.
Sobald aber eine Strahlungsquelle ihre neutrale Umgebung ionisiert bilden sich Strömgren-Sphären aus, kugelige Gebilde ionisierten Materials. Der Schwellwert zur Ionisation von neutralem Wasserstoff liegt bei 13.6 eV. Diese Energie muss der Ionisator aufbringen, um 'HII-Blasen' (Strömgren-Sphären einfach ionisierten Wasserstoffs) zu bilden.
Die Ionisation neutralen Heliums findet erst bei höheren Schwellwerten statt: die Ionisation neutralen Heliums (HeI) zu einfach ionisiertem Helium (HeII) erfolgt ab einer Energie von 24.6 eV, die zweifache Ionisation zu HeIII erst bei 54.4 eV. Das bedeutet, dass die Helium-Reionisationsepoche zu einem späteren Zeitpunkt in der Entwicklung des Universums erfolgte und damit leichter beobachtbar sein muss für Astronomen, weil sie bei kleineren Rotverschiebungen z liegen muss. Helium kündigt gewissermaßen die Wasserstoff-Reionisationsepoche an (H-Preview).

neutrales Material vor Reionisation beobachtet!

Auf der Rotverschiebungsskala liegt das Zeitalter der Reionisation bei z ~ 10. z ~ 7 kennzeichnet die Wasserstoff-Reionisation und entsprechend z kleiner als 7 die Helium-Reionisation. Beobachtungen (Fan et al. 2000), nämlich die beim Quasar SDSS 1044-0125, beweisen, dass die Reionisationsepoche bei z = 5.8 bereits vollständig abgeschlossen war: im Spektrum finden sich keine so genannten Gunn-Peterson-Tröge vor der Lyman-Alpha-Kante, die ein Indiz für neutrales, stark absorbierendes Material sind. Die Reionisationsepoche kann bereits bei vielen weit entfernten Quellen (HZ sources, HZ für high-redshift) überprüft werden und gilt als erwiesen.

21cm-Tomographie

Als Indikatoren (im Fachjargon so genannte Tracer) für die Prä-Reionisationsepoche, also der Phase mit neutralem IGM, dient die 21cm-Linie neutralen Wasserstoffs (HI). Es handelt sich dabei um einen Hyperfeinstrukturübergang, einem Spin-Flip vom Triplett- zum Singulettzustand im Wasserstoffatom. Radiobeobachtungen dienen so einer 21cm-Tomographie, um das Weltall nach neutralem Wasserstoff zu durchforsten.

Am Ende des Dunklen Zeitalters

Die ersten Strahlungsquellen bzw. die ersten elementaren Bausteine, gasförmige Objekte, die sich natürlich vor der Reionisation gebildet haben müssen, siedelt man bei Rotverschiebungen von z = 15 bis 30 an. Mit ihrer Entstehung endete das Dunkle Zeitalter (engl. dark ages) der Kosmologie. Die ersten, entstandenen Sterne rechnet man der Population III zu. Sie könnten durch Paarinstabilitäts-Supernovae das ISM und IGM mit Metallen angereichert haben.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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