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Lexikon der Ernährung: Adipositas

Adipositas, Fettsucht, Fettleibigkeit, Obesitas, E obesity, chronische ernährungsabhängige Erkrankung mit beträchtlicher Erhöhung des Körpergewichts durch einen verstärkten Ansatz von Körperfett. Ursache ist eine positive Energiebilanz, als deren Folge die überschüssige Energie als Fett im Fettgewebe abgelagert wird.
Klassifizierung: Das Körpergewicht bzw. die verschiedenen Grade der A. werden international nach dem Body Mass Index (BMI) klassifiziert, da dieser eng mit dem Körperfettgehalt korreliert (Tab. 1). In der deutschen Bevölkerung ist jeder zweite Erwachsene übergewichtig, jeder 5.–6. ist adipös. Auch im Kindesalter ist die Adipositas weit verbreitet.
Eine weitere Klassifizierung der Adipositas beruht auf der Art der Fettgewebeverteilung. Fett kann bevorzugt im Fettgewebe des Taillen- oder des Hüftbereichs angelagert werden. Man unterscheidet danach die androide Fettsucht (abdominal-viscerale) und die gynoide Fettsucht (gluteal-femorale). Der Quotient aus Taillen-und Hüftumfang (waist-hip ratio, WHR) oder einfach der Taillenumfang charakterisieren den Fettverteilungstyp. Die androide Fettsucht ist unabhängig vom Grad des Übergewichtes mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie u. a. verbunden.
Krankheitsentstehung: Die A. ist stets die Folge einer längere Zeit anhaltenden positiven Energiebilanz. Die Ursachen dafür können sowohl auf der Seite der Energieaufnahme als auch der Energieausgabe liegen. Insbesondere die Höhe des Fettkonsums ist eng mit der Häufigkeit der A. verbunden. Fehlernährung in Folge traditioneller Ernährungsgewohnheiten, die Art der Stressbewältigung (Alkoholische Getränke) und andere psychosoziale Faktoren, aber auch krankhafte Ess-Sucht (E binge eating disorder) führen oft zu überhöhter Energie- / Fettaufnahme. Seltener tragen bestimmte Medikamente zur Entwicklung der A. bei. Auf der Seite der Energieausgaben ist Bewegungsmangel (geringe Dauer und Intensität körperlicher Aktivitäten) eine wesentliche Ursache für Übergewicht und A.
Unterschiede in der Ökonomie des Energiestoffwechsels (Grundumsatz, Thermogenese, physische Aktivität) sind endogene Faktoren, die die Energiebilanz positivieren und zu A. führen können. Zunehmend wird deutlich, dass genetische Faktoren einen erheblichen Teil der individuellen Variabilitäten des BMI, der Körperfettverteilung, der Sättigungskontrolle und des Energie- und Fettstoffwechsels bestimmen. Im Gegensatz zu einigen tierexperimentellen Modellen, ist die A. des Menschen aber nur in ganz seltenen Fällen durch Veränderungen eines einzelnen Gens (monogenetisch) verursacht. Überwiegend ist sie polygenetisch, d. h. durch Veränderungen (Polymorphismen) mehrerer Gene bedingt. Die genetische Prädisposition zur Adipositas ist nicht schicksalhaft. Der Einfluss genetischer Faktoren auf die Entwicklung der Adipositas und damit assoziierter Risiken und Krankheiten kann durch entsprechende Ernährung und gesundheitsbewußtes Verhalten weitgehend ausgeglichen werden (Essay: Genetische Ursachen der Adipositas).
Folgen: Überschüssige Energie wird in den Fettgewebszellen (den Adipocyten) in Form von Triglyceriden (Neutralfetten) gespeichert. Dies führt zu einer beträchtlichen Zunahme des Fettgewebes. Das Volumen der Adipocyten nimmt dabei zu, was zur Adipocytenhypertrophie führt. Bei anhaltender Überernährung können weitere Adipocyten aus Vorläuferzellen gebildet werden: es bildet sich eine Adipocytenhyperplasie aus. Meist besteht ein gemischter hypertroph-hyperplastischer Fettgewebstyp. Die deponierten Triglyceride unterliegen einem ständigen Umsatz: ein Teil wird unter dem Einfluss lipolytisch wirksamer Hormone (Catecholamine u. a.) wieder durch die Lipase des Fettgewebes gespalten, was bei A. zu einer Erhöhung der Fettsäurekonzentration im Serum führt. Dies hat eine Reihe von Konsequenzen, unter denen die Erhöhung der Blutlipide (Hyperlipoproteinämien) und der Insulinkonzentration (Hyperinsulinämie) sowie insbesondere die verminderte Ansprechbarkeit der Muskulatur und anderer Organe gegenüber Insulin (Insulinresistenz) von besonderer pathogenetischer Bedeutung sind. Da das abdominal-visceral lokalisierte Fettgewebe die höchste Lipolyse-Rate hat, sind mit der androiden Form der Fettsucht besondere Krankheitsrisiken verbunden.
Komorbidität: Mit der A. sind daher eine Reihe von Erkrankungen eng assoziiert (Tab. 2). Das Risiko, daran zu erkranken; erhöht sich mit zunehmender Schwere und Dauer der A. So wird die Morbidität und Mortalität einer Bevölkerung wesentlich von der Prävalenz und dem Schweregrad der A. mitbestimmt.
Die arterielle Hypertonie ist die häufigste Begleiterkrankung der Adipositas. Besonders eng ist die Beziehung zur androiden Form der Fettsucht. Eine wesentliche Rolle spielt die mit einem steigendem Körpergewicht verbundene Entwicklung der Insulinresistenz. Die Hypertonie-Wahrscheinlichkeit Adipöser ist 3–6-mal größer als bei normalgewichtigen Personen. Gewichtsabnahme führt regelmäßig zur Senkung der systolischen und diastolischen Blutdruckwerte. Das erhöhte Risiko von Begleit-und Folgeerkrankungen ist der wichtigste Grund für eine Adipositastherapie.
Zahlreiche epidemiologische Untersuchungen belegen einen engen Zusammenhang zwischen A. und Diabetes mellitus Typ 2. Von einem BMI > 30 an ist das Diabetesrisiko von Frauen im Vergleich zu schlanken Frauen (BMI < 22) um mindestens das 30-fache erhöht. Ähnliche Befunde wurden auch bei Männern erhoben. Auch hier ist das Risiko bei stammbetonter, androider Fettverteilung höher als bei hüftbetonter gynoider Fettsucht. Das Diabetesrisiko steigt mit der Dauer der A. Ursächlich spielt die mit steigendem Körpergewicht zunehmende Insulinresistenz eine wesentliche Rolle. Sie kann durch Gewichtsabnahme deutlich gebessert werden.
Alle großen Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Hyperlipoproteinämie bzw. Dyslipoproteinämie beschrieben. Eine Hypertriglyceridämie von über 200 mg / dl wird bei jüngeren adipösen Frauen 6-mal häufiger, bei Männern etwa 3-mal häufiger als bei Normalgewichtigen angetroffen. Reduktionskost führt zu einer drastischen Verbesserung des veränderten Lipoproteinprofils, wobei insbesondere die Triglyceride abnehmen und parallel dazu das HDL-Cholesterin (erwünschtermaßen) ansteigt.
Mit zunehmendem BMI steigt auch das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an Herzinfarkt zu sterben. Für Adipöse ist es 3-mal höher als für schlanke Menschen. Übergewicht und Adipositas sind unabhängige Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz. Das Risiko der Herzinsuffizienz steigt mit der Dauer der A. und wird durch das gleichzeitige Vorhandensein von Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2 erhöht. Auch das Risiko für einen Schlaganfall korreliert mit der A., insbesondere bei androider Fettgewebsverteilung. Generell steigt die Mortalität – gleich welcher Ursachen – mit einem BMI > 30 deutlich an. Besonders betroffen sind adipöse Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen.
Mit der A. ebenfalls eng assoziiert sind Gallensteinleiden, orthopädische Komplikationen (Arthrosen, übermäßige Belastung der gesamten Wirbelsäule und der Knie-und Fußgelenke), schlafbezogene Atmungsstörungen (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom), Hyperurikämie und Gicht.
Psychosoziale Probleme (soziale Diskriminierung Angst, Depression) treten gehäuft bei A. auf und sind insbesondere für adipöse Kinder eine schwerwiegende Komplikation. Beziehungen zwischen Krebserkrankungen (Dickdarmkrebs, Brustkrebs) und A. werden vermutet, bedürfen jedoch noch weiterer Klärung.
Die Kosten der Adipositas werden international mit 2–8 % der gesamten Gesundheitskosten des jeweiligen Landes eingeschätzt. In Deutschland liegen sie nach einer Analyse des BMG bei ca. 5 % der gesamten Krankheitskosten, was ca. 21 Mrd. Mark entspricht.

Adipositas: Tab. 1. Klassifizierung nach dem body mass index (BMI). Häufig wird zwischen Übergewicht und Adipositas nicht scharf unterschieden.

KlassifikationBMI [kg / m2]
Untergewicht<18,5
Normalgewicht18,5–24,9
Übergewicht25,0–29,9
Adipositas Grad I30,0–34,9
Adipositas Grad II35,0–39,9
Extreme Adipositas Grad III> 40

Adipositas: Tab. 2. Mit A. assoziierte Erkrankungen.

Folgeerkrankungen
Hypertonie

Diabetes mellitus Typ 2

Hyperlipidämie

Dyslipidämie

eng assoziiert mit Adipositas
Schlafapnoe-Syndrom
Hyperurikämie
Gicht
Gallensteinerkrankungen (Gallensteine)
Krebserkrankungen
orthopädische und psychosoziale Komplikationen

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