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Lexikon der Astronomie: Kosmologische Konstante

Lambda und andere Formen Dunkler Energie Die kosmologische Konstante, symbolisiert durch den griechischen Buchstaben Λ, wurde von Albert Einstein (1879 – 1955) als neue Größe in die Kosmologie im Jahr 1917 eingeführt. In den Einsteinschen Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) tauchte daher ein neuer Term auf, der seither auch Λ-Term genannt wurde. Aus heutiger Sicht ist die kosmologische Konstante eine zeitlich unveränderliche Form Dunkler Energie (engl. dark energy).

Einsteins Motivation

In der Retrospektive ist es sehr erstaunlich, was Einstein zur Erfindung seiner kosmologischen Konstante getrieben hatte. Kurz gesagt war es Ästhetik. Einsteins Ziel war es ein statisches, homogenes Universum in eine konsistente Theorie einzubetten, was damals ein – und insbesondere sein – favorisiertes Weltmodell war. Ein dynamisches Universum, was wir heutzutage vermutlich als selbstverständlich erachten, kam den Menschen der damaligen Zeit nicht in den Sinn.

Blick auf die Feldgleichung mit Λ

Einsteins Feldgleichung ist ein komplizierter Satz gekoppelter, partieller Differentialgleichungen mit beliebig vielen Lösungen. Bis heute sind nicht alle Lösungen bekannt, weil das mathematisch bei einem solch schwierigen Gleichungstyp prinzipiell nicht möglich ist. Durch Annahmen z.B. über die Symmetrie oder allgemeiner gesprochen durch Randbedingungen kann man die Lösungsmenge verkleinern. Die Hinzunahme eines weiteren Terms, hier des kosmologischen Λ-Terms, verändert sich natürlich auch die Lösungsstruktur. Einsteinsche Feldgleichungen mit Lambda-Term Wie die Gestalt der Feldgleichung links zeigt, muss Λ mit dem metrischen Tensor multipliziert werden, damit Λ zu den Tensoren addiert werden kann. Physikalisch kann man diesen Term als langreichweitige Wechselwirkung interpretieren, die für positives Lambda als 'kosmische Abstoßung' (Antigravitation) und für negatives Lambda als 'kosmische Anziehung' interpretiert werden kann.

Die Natur meldet sich zu Wort

Kurz nach Einsteins Einführung der kosmologischen Konstante wurde durch den amerikanischen Astronomen Edwin Hubble (1889 – 1953) die kosmische Expansion anhand von Fluchtbewegungen einiger Galaxien experimentell entdeckt: das Hubble-Gesetz. Anders gesagt bedeutete das:

Das beobachte Universum ist nicht statisch.

Werk eines Genies oder eines Esels?

Andere kosmologische Modelle wurden gefunden, die dynamische Modell-Universen ohne kosmologische Konstante erklären konnten. Im Zuge dieser Entwicklungen nahm Einstein seine kosmologische Konstante zurück, weil sie nicht mehr notwendig erschien. Er ging sogar so weit die Einführung seines Λ-Terms als 'die größte Eselei seines Lebens' zu bezeichnen – ein verfrühtes Urteil, wie sich herausstellen sollte. So erkannte bereits der belgische Kosmologe Abbé Georges Lemaître (1894 – 1966), dass man den Λ-Term nicht ohne weiteres wegdiskutieren könne.
In der weiteren kosmologischen Forschung wurde vor allem auf der Grundlage immer besserer Beobachtungsdaten klar, das man nicht auf Einsteins Λ verzichten könne. Im Gegenteil: Im Jahr 1998 beobachteten die Kosmologen anhand weit entfernter Sternexplosionen, dass sich das Universum sogar beschleunigt ausdehnt (Perlmutter et al., Supernova Cosmology Project). Daher brauchten sie eine weitere Stellschraube in ihren Modellen vom Universum, um die theoretischen Modelle an die Beobachtungsdaten anpassen zu können. Einsteins Intuition war richtig.

Ist Λ konstant?

In den Friedmann-Weltmodellen werden daher Terme mit nicht verschwindender kosmologischer Konstante berücksichtigt. Kosmologische Messungen der letzten Jahre (Ballone BOOMERANG, MAXIMA; Mikrowellen-Satelliten COBE, WMAP, ab 2008: PLANCK) sprechen in der Tat für eine Lambda-Kosmologie. Auf Einsteins Λ möchten die Kosmologen ungern verzichten. Eine ganz andere Frage ist, ob der Zahlenwert, der mit Λ assoziiert ist, zu allen Zeiten gleich ist oder ob es einen Spielraum für Variationen gibt.
Die Theorie lässt diesen Spielraum zu: der Lambda-Term muss nicht notwendig konstant sein. Doch die aktuellen Beobachtungen der experimentellen Kosmologie lassen diesen Spielraum nicht zu – zumindest nicht in den letzten neun Millarden Jahren. Woher wissen das die Beobachter? Sie vermessen eine Vielzahl von hochrotverschobenen Supernovae vom Typ Ia mit dem Weltraumteleskop Hubble (Riess et al. 2004, astro-ph/0402512; bestätigt 2006). Diese Daten zeigen, dass Einstein mit seiner Intuition Recht hatte und tatsächlich eine kosmologische Konstante vorliegt, die zeitlich unveränderlich ist. Big Crunch und Big Rip erscheinen nach diesen Daten als sehr unwahrscheinliche Szenarien für die Zukunft des Universums.

Probleme mit Zufälligkeiten

Erstaunlich ist allerdings der Umstand, dass die kosmologische Konstante einen Wert aufweist, der gerade in derselben Größenordnung ist, wie die Anteile der anderen Materieformen im lokalen Universum, insbesondere der Dunklen Materie. Das kursiert in der Fachwelt unter dem Begriff Koinzidenzproblem. Einen Ausweg aus diesem Zufallsproblem haben die Kosmologen in Gestalt der Quintessenz-Modelle vorgeschlagen. Quintessenzen sind im Gegensatz zur kosmologischen Konstante eine zeitlich veränderliche Form von Dunkler Energie. Eine Kosmologie mit kosmologischer Konstante (ΛCDM) unterscheidet sich von einer mit Quintessenz (QCDM) dadurch, dass die kosmologische Konstante als eine konstante Vakuumenergiedichte interpretiert wird, wohingegen die Quintessenz ein skalares, sehr leichtes Teilchen ist. Es wurden bei den Quintessenz-Modellen wiederum ganz verschiedene Formen vorgeschlagen: sie heißen beispielsweise Cosmon, Radion oder Spintessenz, die eine langsame, zeitliche Veränderlichkeit der Dunklen Energie bewirken. Die extremste Form ist die Phantom-Energie, die einen totalen Zerriss des Universums, den Big Rip, herbeiführt.

Herausforderungen an Beobachtung und Theorie

Die aktuellen Messungen des Mikrowellen-Satelliten WMAP und des Weltraumteleskops Hubble sprechen eher für die kosmologische Konstante als für die Quintessenz oder Phantom-Energie. Die Kosmologen wollen natürlich noch tiefer in den Kosmos schauen, noch weiter entfernte Sternexplosionen aufspüren, um eine noch bessere Datenlage zu haben. Dazu dienen auch Tiefenfeldbeobachtungen (engl. deep fields) und neue Projekte wie die Dark Energy Task Force. In der Zukunft der kosmologischen Beobachtungen könnten sich auch Gamma Ray Bursts, Gravitationswellen und Neutrinos als wertvolle Werkzeuge erweisen.
Neben diesen experimentellen Herausforderungen muss aber vor allem auf theoretischer Seite quantitativ schlüssig geklärt werden, was die kosmologische Konstante für eine physikalische Natur hat. Denn die oben erwähnte Vakuuminterpretation klingt zwar plausibel, hat aber auch klare Schwächen.

Λ in anderen Bereichen der Astrophysik

Die kosmologische Konstante hat nicht nur Einzug in die Kosmologie gehalten. Eine anderer Anwendungsbereich für Λ-Fluide - wie man in der ART den Λ-Term verallgemeinert nennt – sind kompakte Objekte wie die Gravasterne. Bei dieser Form von Vakuumstern existiert im Innern eine Blase aus Dunkler Energie, die im Wesentlichen die Masse des Sterns stellt. Damit rückt die die Dunkle Energie aus vielerlei Hinsichten in den Fokus der Astrophysiker.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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