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Lexikon der Astronomie: Akkretion (AGN)

Akkretion ist der effizienteste Mechanismus, um Materie in Strahlung umzuwandeln. Mit diesem Prozess sind heftige Strahlungsprozesse verbunden, die letztendlich die Ursache für die enormen Leuchtkräfte der Aktive Galaktische Kerne (AGN) sind. Zusammen mit den Gammastrahlenausbrüchen sind die AGN das Leuchtkräftigste, was das Universum zu bieten hat!
Aufgrund dieser Helligkeit bei allen möglichen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums, sind die AGN diejenigen Objekte, die die Astronomen auch in unglaublich hohen Entfernungen noch beobachten können. AGN eignen sich somit besonders gut als Werkzeuge der Kosmologie, denn je weiter das Objekt entfernt ist, umso tiefer blickt man auch in die Vergangenheit des Universums. Der aktuelle Entfernungsrekord bei den AGN hält ein Quasar, der in einer optischen Himmelsdurchmusterung vieler Galaxien namens Sloan Digital Sky Survey entdeckt wurde; die kosmologische Rotverschiebung dieses Objekts beträgt z = 6.41 (Anmerkung: Das Objekt Abell 1835 IR 1916 ist mit z = 10 noch weiter entfernt, aber vermutlich kein AGN.) Diese Objekte sind so weit in der Vergangenheit des Universums, dass es noch in weiten Bereichen neutral war. Details zum neutralen Kosmos gibt es im Web-Lexikon unter dem Begriff Reionisation.

In einem verallgemeinerten Entwicklungsszenario gehen die Astrophysiker davon aus, dass (mit wenigen Ausnahmen) in jeder Galaxie ein zentrales supermassereiches Schwarzes Loch sitzt. Allerdings sind die nahen Galaxien nicht mehr aktiv, weil die supermassereichen Schwarzen Löcher nicht mehr intensiv mit Materie versorgt werden: Ohne heftiges Materieaufsammeln kommt der Aktivitätszyklus zum Erliegen. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße. Sie ist nicht aktiv, beherbergt jedoch ein SMBH mit einer Masse von etwa 3.6 Millionen Sonnenmassen, wie die Bewegungen von Sternen in unmittelbarer Nähe des Loches verraten (Eisenhauer et al. 2005). Die Umgebung der Radioquelle Sagittarius A*, die mit dem SMBH assoziiert ist, ist relativ leer, so dass das Schwarze Loch 'hungert'. Es ist nicht auszuschließen, dass die Milchstraße vor einiger Zeit einmal ein AGN war. Die Masse des galaktischen SMBH legt jedoch nahe, dass es nur ein schwacher Vertreter der AGN gewesen sein kann, beispielsweise eine Seyfert-Galaxie.

HST-Beobachtung einer Galaxienverschmelzung Schaut man immer tiefer ins Universum, so tauchen immer mehr AGN auf. Offensichtlich vollzog sich eine aktive Phase in vielen Galaxien, als das Universum noch jünger war. Neuerdings wird angenommen, dass die Verschmelzung ganzer Galaxien dabei eine wichtige Rolle spielt: Das jüngere Universum war kleiner und dichter, so dass sich auch die Galaxien näher kamen, als im ausgedehnten, lokalen Kosmos. Somit war die Wahrscheinlichkeit zu verschmelzen größer. Im Verschmelzen der Galaxien – manchmal spricht man in diesem Zusammenhang von 'galaktischem Kannibalismus' oder 'Galaxienhochzeit' – durchdringen sich die Sterneninseln gegenseitig. Es kommt dabei eher selten zu Sternkollisionen, aber es gibt dynamische Reibung und vor allem einen Gasaustausch. Galaxienkollisionen, wie hier rechts vom Weltraumteleskop Hubble fotografiert, sorgen dafür, dass das zentrale Schwarze Loch etwas zu fressen bekommt. Die Fütterung zündet den AGN.

Manchmal geschieht die Fütterung auch häppchenweise, nämlich dann wenn das Schwarze Loch einen ganzen Stern verschlingt. So etwas geschieht allerdings recht selten: etwa einmal in 10000 Jahren pro Galaxie. Dennoch konnte dieses Ereignis – bislang einmalig – beobachtet werden (Komossa et al. 2004). Die Galaxie, bei der das zentrale Loch den Stern verschluckte, war sogar kein AGN, sondern eine ganz normale, inaktive Galaxie. Als sich der Stern zu nahe an das Zentrum wagte, zerrten die Gezeitenkräfte so heftig an ihm, dass er zerrissen wurde. Die Trümmer waren eine 'willkommene Mahlzeit für das schlafende' Schwarze Loch und zündeten einen Röntgenausbruch. Es konnte nachgewiesen werden, dass Anstieg und Abfall der Helligkeit der Röntgenquelle RX J1242-1119 nur dadurch erklärt werden kann, dass ein Stern von einem Loch zerrissen wurde. Denn die plötzlich verstärkte Fütterung hat einen rapiden Anstieg der Helligkeit bewirkt. Jetzt macht das Loch wieder sein wohl verdientes Mittagsschläfchen.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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