Direkt zum Inhalt

Lexikon der Astronomie: Hydrodynamik

In vielen Bereichen der theoretischen Astrophysik und generell in der Strömungsmechanik benutzt man die Gleichungen der Hydrodynamik (HD) und Magnetohydrodynamik (MHD). In der Astrophysik haben sie sich bewährt, um die Dynamik zahlreicher kosmischer Objekte auf dem Computer zu simulieren. Die Gleichungen können auf ganz unterschiedlichen Längenskalen eingesetzt werden. So kann man den gesamten Bereich von der Skala einzelner Sterne, über Galaxien, bis hin zum ganzen Universum abdecken

Das Universum als Flüssigkeit

Theoretische Astrophysiker simulieren mit hydrodynamischen Gleichungen inklusive Gravitationskräften die großräumige Struktur des Universums (engl. large scale structure, LSS). Sie sind im Rahmen der Kosmologie an der Ausbildung und dem Wachstum dieser Strukturen interessiert. So stellt sich heraus, dass aufgrund der gravitativen Instabilität ('Massen ziehen sich immer an') aus einem anfangs homogen, verteilten, dünnen Gas kompakte, dichtere 'Masseklumpen' werden. Diese Monolithen können in Einzelteile zerfallen (Fragmentation), sich wieder neu formieren und Sterne bilden. Eine tragende Rolle spielt in dieser Dynamik die Dunkle Materie. Ohne sie als kosmologischem Bestandteil gelingt nicht die Bildung von klumpenartigen Strukturen, weil 'normale', baryonische Materie nicht ausreichen würde, um den benötigen Gravitationsdruck aufzubauen. Die so genannten Dunklen Materie Halos (engl. dark matter haloes) stellen ein tiefes Gravitationspotential, in dem sich schließlich die baryonische Materie sammelt.
Besonders faszinierend ist, dass sich eine wabenförmige Struktur ausbildet. An den Rändern der wabenförmigen Zellen sammeln sich Protogalaxien und Galaxien an. Astronomen subsumieren sie unter dem Begriff Feldgalaxien. An den Knotenpunkten, wo Wabe an Wabe grenzt, findet man die Galaxiensuperhaufen und Galaxienhaufen. Die hier ansässigen Galaxientypen heißen Haufengalaxien (Clustergalaxien). Das Innere der Wabe ist leer. Diese Bereiche werden Voids oder Leerräume genannt und haben typische Durchmesser von 50 Mpc.

Als Beispiel von Simulationen der großräumigen Struktur im Kosmos seien die Arbeiten von Gnedin (2000) und Bromm et al. (2001) erwähnt. Im Sommer 2005 sorgten die Ergebnisse der größte Simulation dieser Art, die so genannte Millennium Simulation, für großes Interesse: Unter der Leitung von Volker Springel (MPA Garching) wurde die zeitliche Entwicklung und Wechselwirkung von 21603 Teilchen in einem würfelförmigen Volumen gigantischen Ausmaßes (Kubus mit Kantenlänge von knapp 700 Mpc) von einer kosmologischen Rotverschiebung von z = 127 bis ins lokale Universum bei z = 0 verfolgt! Diese Simulation konnte (abermals) zeigen, dass die kalte Dunkle Materie tatsächlich die Hauptrolle bei der Ausbildung der großen, kosmischen Strukturen spielt. Darüber hinaus konnte die wabenförmige Struktur des Universums belegt werden. Ein beeindruckendes Resultat war auch, dass die Zentren der schwersten Galaxienhaufen wie beispielsweise des Virgo-Haufens, die besten Orte im Universum sind, um nach den ältesten Sternen (der Population III) und den 'Nachfahren' der ersten supermassereichen Schwarzen Löcher zu suchen. Damit weist die Theorie der Beobachtung abermals den Weg! (Springel et al., nature 435, 629, 2005).
Zu dieser Thematik gehört meine Präsentation The first sources of light in the Early Universe and the highest plausible redshift of luminous Quasars (Stand 2001).

Galaxien als magnetisierte Flüssigkeit

Die Dynamik einzelner und verschmelzender Galaxien wird auch mit hydrodynamischen und magnetohydrodynamischen Methoden untersucht. Von besonderem Interesse ist die Ausbildung der Spiralarme in Spiralgalaxien. Es stellt sich heraus, dass bei dieser Dynamik die galaktischen Magnetfelder eine wesentliche Rolle spielen.
Der zentrale Bereich aktiver Galaxien, die Aktiven Galaktischen Kerne (AGN) werden auch mit HD/MHD-Verfahren simuliert. Der Materieeinfall auf ein supermassereiches Schwarzes Loch im Rahmen der Akkretionsphysik wird analysiert und mit Beobachtungen verglichen.

Sternplasma als Flüssigkeit

Auf der stellaren Skala gibt es eine ganze Reihe von Anwendungen der HD und MHD. Zum Beispiel die Simulation von Sternexplosionen, den Supernovae und Gamma Ray Bursts. Oder die Simulation von stellaren Jets bei jungen Sternen (YSO) und Weißen Zwergen (kataklysmische Veränderliche, CVs). Auch die Dynamik von Gasnebeln kann hydrodynamisch, vor allem unter Berücksichtigung von Strahlung simuliert (radiative Hydrodynamik, Strahlungstransport) werden.

Hydrodynamik – ein wichtiges Werkzeug der theoretischen Astrophysik

Die Konzepte der Hydrodynamik spielen demnach in der Astrophysik eine große Rolle. Sie werden durch andere Theorien wie der Elektrodynamik, der Relativitätstheorie (Spezielle Relativitätstheorie oder Allgemeine Relativitätstheorie) sowie der Strahlungsphysik ergänzt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.