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Erinnerungen an Sternschnuppen und durchtanzte Nächte

Ein Besuch bei meinen Freunden an der Universität Çanakkale durfte natürlich auf meiner Türkeireise nicht fehlen, und so fuhr ich von der Südküste aus mit dem Nachtbus – wie immer eine Tortur, aber es spart eben Zeit und Übernachtungskosten – in die Troas. Als erstes habe ich in Çanakkale das frisch renovierte Haus besichtigt, in dem nach seinem Tod die private archäologische Bibliothek meines Doktorvaters untergebracht wurde. Dann stand ein Vortrag über Tellsiedlungen an der Uni auf dem Programm. Mein erster Vortrag auf Türkisch – eine Herausforderung für mich und vor allem für das Publikum!

Troia hatte ich in meinen Ausgrabungsjahren dort immer nur im heißen und dürren Sommer erlebt und kannte die von rotem Klatschmohn überwogten Ruinenbilder nur aus Büchern. Jetzt habe ich sie – acht Jahre nach meiner letzten Kampagne dort – endlich mit eigenen Augen gesehen. Eigentlich hat sich außer dem großen runden Schutzdach über der frühbronzezeitlichen Burgmauer von Troia II, das Schliemann irrtümlich als die Stadt des Priamos angesprochen hatte, nicht viel verändert, und mein Besuch war so vor allem ein Rundgang durch die Grabungsareale, in denen ich gearbeitet habe.

Die spätbronzezeitliche Nordostbastion ragt immer noch so imposant empor wie in der Antike, als die Temenosmauer des Athenatempels direkt an sie angebaut wurde, um die griechisch-römische Identifikation des Fundplatzes mit dem Troia-Ilios des homerischen Epos zu unterstreichen. Hier, wo man mit der wehrhaften Mauer im Rücken unter Bäumen sitzend die Skamanderebene überblickt, ist einer meiner Lieblingsplätze in Troia. Vor der Bastion wurden nach der Blütezeit von Troia VI in Troia VII kleine Lagerräume angebaut – vielleicht um ein Tor, das Korfmann hier vermutete, zu blockieren. Sie waren die ersten Befunde, an denen ich mich als Schnittassistentin versuchen durfte.

Am so genannten "Unteren Heiligtum" vorbei, wo meine Arbeiter und ich einmal ein Stück des Löwenkraters gefunden haben, wanderte ich zur Quellhöhle, an der mein erster eigener Schnitt lag. Die römischen Becken zur Zucht von Aalen, die wir dort freigelegt hatten, haben sich mittlerweile in ein froschreiches Biotop verwandelt, in dem sich wegen der Artenfülle die Schilder des botanischen Iliaslehrpfades richtig drängen.

Seit der Graben um die Unterstadt auch im Osten, wo er bisher nicht nachgewiesen werden konnte, ergraben wurde, sind etliche Aspekte der Diskussion, die sich vor einigen vor einigen Jahren um den Fundplatz entsponnen haben, hinfällig. Zwar wird, so lange man kein Ortsschild hat, die Identifikation des Ortes mit dem Taruisa der hethitischen Quellen debattiert werden, aber angesichts der Fülle der darauf hinweisenden archäologischen und philologischen Evidenz scheint sie mir bis zum Beweis des Gegenteils absolut plausibel. Immerhin ist der Hügel Hisarlık der größte spätbronzezeitliche Fundplatz in der Region, auch wenn er mir heute etwas kleiner vorkommt als damals...

Aber so ging es mir auch mit dem Grabungshaus, der Küche und dem Grabungsdorf Bademliköy; ganz viele Erinnerungen an Ameisenstrassen in der Hütte, in der ich gewohnt habe, vergebliche Fahndungen im Kühlschrank nach kühlem Bier und den enervierend gut gelaunten Grabungsleiter um halb sechs Uhr morgens kamen dort hoch. Aber auch an durchtanzte 4th-of-July-Parties, Knochen durchschüttelnde Exkursionen in die Troas mit "Osman Bey" ("Korfmann" war den türkischen Arbeitern zu schwer auszusprechen) und seinem Geländewagen sowie stille Stunden unter den Sternschnuppen des Augusthimmels.

Eva Rosenstock

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