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Pittoresker Orient

Der Abschluss des alten Jahres war für mich gleichzeitig auch der Abschluss des ersten Reisedrittels im westlichen Mittelmeerraum und der Fahrt durch Tunesien, Spanien, Portugal und Südfrankreich. Nach einer größeren Umpackaktion in Freiburg, bei der das Gepäck aus dem VW-Bus für die nächsten vier Monate auf eine Rucksackfüllung reduziert werden musste, ging es am 2. Januar mit dem Flugzeug von Frankfurt nach Kairo, wo ich im DAI gleich ein schönes Zimmer mit Blick auf den Nil vorfand.

Schon in der ersten Nacht wurde mir klar, wie gut es gewesen ist, bei der Gepäckverminderung trotz der Reise in sonnige Gefilde einiges für kalte Nächte einzupacken. Es ist kaum zu glauben, wie sehr man hier in Kairo im Januar sowohl bei Tag als auch bei Nacht frieren kann, besonders auch bei sitzender Tätigkeit in der ungeheizten, aber bestens ausgestatteten Bibliothek.

Als Ur- und Frühgeschichtler musste ich mich erst einmal ausführlich in die Ägyptologie und die jüngere Geschichte Ägyptens einlesen, um zumindest die Grundzüge verstehen zu können. Mit einem „Tasrih“ der Altertümerverwaltung ausgestattet, einem Ausweis für freien Eintritt in archäologische Stätten und Museen, machte ich mich dann an die Besichtigung der ägyptologischen Highlights in der Umgebung Kairos, also von Dashur, Sakkara und Gizeh, sowie natürlich des ägyptischen Museums in Kairo – allesamt so bekannt, dass hier nicht viele Worte darüber zu verlieren sind.

Besonders beeindruckend waren auch die Gänge durch die riesige mittelalterliche Altstadt Kairos, die in Teilen noch immer so wirkt, als wäre die Zeit stehengeblieben: Eselkarren, Pferde, schlammige Straßen voller Müll, dazwischen tote Katzen und Ratten, eine Kakophonie von Händlerrufen, Kindergeschrei, lauter Musik und Gebetsrufen, umweht vom Gestank der Gosse und den herrlichsten Düften aus Straßenrestaurants und Gewürzläden, ein wirklich pittoresker Orient mit allen Höhen und Tiefen. Dazwischen wie Perlen an einer Schnur die imposantesten Monumente aus dem Mittelalter, an denen Kairo so reich sein dürfte wie kaum eine andere mittelalterliche Altstadt. Bauten aus dem 14./15. Jahrhundert können hier schon als so neu gelten, dass man versucht ist, sie unter Zeitdruck auf dem Weg zu spektakulärerem links liegen lässt.

Dabei finden sich gerade hier zuweilen spannende Details, wie etwa bei dem unter Mithilfe des DAI restaurierten Mausoleums mit Medresa von Sultan Al Nasir Mohamed (erbaut 1296-1304). Unter dem schönen Minarett mit außergewöhnlich feinen Stuckverzierungen erstaunt ein Portal in reinster Gotik, das in Kairo ganz fremd erscheint, und auch tatsächlich fremd ist. Es handelt sich hier um ein Portal (und einzigen erhaltenen Rest) der Sankt-Johannis Kirche von Akkon, der letzten Bastion der Kreuzfahrer im Heiligen Land, das von Nasirs Bruder Al-Ashraf nach der Eroberung Akkos abgebaut und als Monument des Sieges über die großen Gegner nach Kairo transportiert und im Mausoleum des Bruders verbaut wurde.

Besonders interessant ist in Kairo auch die stadtgeschichtliche Entwicklung der Siedlung, die sich von der römischen Festung Babylon aus immer weiter in den Norden verschoben hat und mit dem Kern um die Festung Babylon, der Stadt El-Fustat und der fatimidischen Neugründung El-Kahira eigentlich eine Kette von drei Städten darstellt, die in der Moderne von der riesigen Metropole verschluckt wurden, in der angeblich zwischen 16 und 20 Millionen Menschen leben.

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