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Kommentare - - Seite 1

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  • pseudowissenschaftliche Politpornographie

    18.07.2017, Max Delius
    Doch erstaunlich, wie weit man hierzulande mit einem verblichenen Diplom selbst in seriösen Publikationen kommt. Sogar, wenn man nur wie Herr Ebert die reaktionären Reflexe der Stammtischgeriatrie streichelt. Mit weltfremden Zahlenspielen, die keiner Prüfung auf Gymnasialniveau und einer Google-Recherche standhalten.

    Der besagte Supercharger von Tesla hat 120 kW. Vorgesehen ist er nur für Überlandstrecken und dort bedeutet er, auf 400 km die Zeit für einen Kaffee und einen Toilettengang abzuwarten, während man keine siffige Zapfpistole halten und Benzoldämpfe atmen muss. Das nach dem technischen Stand von 2009, auf absolutem Pionierniveau.

    350 kW sind Zukunftsmusik, was momentan schlicht an den Akkus scheitern dürfte. Aber wenn, braucht man dann auch keine 20 Minuten mehr für 200 km Reichweite.
    Die wenigsten kommt auf die Idee, ihr Handy unterwegs "schnelladen" zu müssen. Den meisten reicht das Einstöpseln über Nacht. Analog spart ein E-Auto im Alltag die Fahrt zur Tankstelle. Von der Fahrt zum Ölwechsel, Zündkerzentausch, Vergaserjustage, diversen verbrennertypischen Reparaturen, etc., etc., ganz zu schweigen.

    Was geschieht, wenn eine Million Eigentümer eines handelsüblichen Elektrodurchlauferhitzers zur selben Zeit beschließen, eine heiße Dusche zu nehmen? Das sind 20.000 MW oder vierzehn der neusten Atomkraftwerke oder fünftausend reale neue Windkraftanlagen unter Wind (also solche, die man nicht bewusst den 90ern entnommen hat, damit sie im Vergleich mit den Schnelladern der 2030er besonders bürgerschrecklich viele werden).
    Wir haben aber nur noch acht AKW übrig, wird uns jetzt der Himmel auf den Kopf fallen, wenn uns ein genialer Werbehype suggeriert, die ideale Zeit für heiße Duschen sei Samstag vormittags Punkt 11 ?
    Nein, weil die Realität so nicht funktioniert. Und falls Vince Ebert vor lauter mietmäuligem Opportunismus noch einen letzten Zugang zur wirklichen Welt hat, weiß er das auch.

    Ebenso wird er wissen, dass es für triviale Zusammenhänge wie Energieverbrauch und Nutzungsverhalten Statistiken und Erfahrungswerte gibt. Einer dieser Werte sind 600 Mrd PKW-Kilometer im Jahr und Land. Ein anderer sind 15 bis 20 kWh auf 100 km als Verbrauch so einer Batteriekiste. Macht bei Umstellung des gesamten PKW-Verkehrs von heute auf E-Autos einen Mehrbedarf an Strom von etwa 120 TWh oder 20 % der momentanen Erzeugung. Durch Preissignale intelligent verteilt reichte es, die Auslastung der konventionellen Kraftwerke von gut 50 auf etwas über 60 % anzuheben und das Saarland könnte aufatmen. (Wobei auch die PV-Beispiele um den üblichen Bürgerschreck-Faktor verzerrt sind, versteht sich...)

    Das alles lässt sich mit einem Bürotaschenrechner und einem Ausflug auf die Seite des Kraftfahrtbundesamtes nachvollziehen, bevor man komplett aus der Luft gegriffene Horrorszenarien entwirft. Freilich verkaufen letztere mehr Bücher oder Eintrittskarten.

    Da passt es dann auch, dass früher oder später der Kampfbegriff "Neodym" fällt, gleich unter der Einleitung mit dem einzigen Serien-E-Auto, dessen Motor dank Nikola Teslas Genius ganz ohne selbiges auskommt. Oder dass man wieder mal Energiebilanzen für Lithiumakku-Technik heranschleift, die auf Werten einer Nischentechnologie für teure IT-Systeme beruhen, bei der für energetische Optimierung bisher keinerlei finanzieller Anreiz bestand. Idealerweise im Vergleich mit der sorgsam runteroptimierten Lebensdauer von Verbrennermotoren, die dann 1:1 neben Systeme mit etwa acht beweglichen Teilen gestellt werden, eines davon der Aschenbecher.

    Das einzig konstruktive Argument gegen E-Autos wird natürlich wieder mal vergessen: Autos hat man zum Rumfahren, nicht um die Welt zu retten. Die umweltfreundliche Alternative nennt man Fahrrad und Eisenbahn.
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