Direkt zum Inhalt

Mathematische Knobelei: Kein' im Sinn

Wie jedes Jahr, so sind auch in den vergangenen Wochen wieder Computergruftis und Mathefreaks zur DEBIT gepilgert - der weltweit größten Messe für abgefahrene IT-Neuheiten. Megatrend dieses Mal waren neurobiologische Logikbausteine, allen voran das Innovationswunder im Handy-Format: der Calcilitor.
(Middlesix/Ohio) Haben Sie noch einen Taschenrechner in irgendeiner Schublade herumfliegen? Weg damit! Versperrt ein klotziger PC den freien Blick auf die Schreibtischplatte? In den Müll! Wo Transistoren und Dioden gierig Energie fressen, herrscht die Technik von gestern. Schon morgen werden Sie das Wort "Silicium" vergeblich in Ihrem Wörterbuch suchen. Es ist endlich Zeit für etwas Neues. Zeit für wirklichen Fortschritt. Zeit für den Calcilitor!

Ein ganzes Jahr galt er als bestgehütetes Geheimnis introvertierter Bioinformatiker, nun hat die Knobelitis AG auf der DEBIT dem staunenden Fachpublikum einen Prototypen präsentiert. Erste voll funktionstüchtige Geräte sollen bereits kommenden Herbst in den Regalen stehen - sofern sie nicht instantan ausverkauft sein werden (Vorbestellungen nimmt jede Grundschullehrerin für Mathematik entgegen).

Im gegenwärtigen Entwicklungsstadium verfügt der Calcilitor über zwei Register für jeweils vierstellige Eingabedaten sowie ein Register für die Aufnahme und Anzeige des Ergebnisses. Dank seiner elaborierten bioneuronalen Nervtechnik rechnet der Calcilitor im umfangreichen Dezimalsystem und erschließt so einen dramatisch größeren Zahlenraum als konventionelle Mikrochips auf binärer Grundlage. Im Prototypen implementiert ist zur Zeit ein Additionsoperator, dessen Performance-Werte auf der Messe für Furore sorgten. Bereits wenige Minuten nach der Eingabe der beiden Summanden und nach Zufuhr eines Viertelliters konzentrierter Glucoselösung zeigten fluoreszierende freie Synapsen das Resultat an.

Gewisse Schwierigkeiten bereite noch die horizontale Kommunikation der verarbeitenden Neuronen, gestand ein Vertreter der Knobelitis AG auf Nachfrage ein. Daher könne der Calcilitor bislang lediglich Additionen ohne Übertrag durchführen. Dennoch sei die Anzahl der möglichen Rechnungen gewaltig, da jede Zahl zwischen 1000 und 9999 in den Calcilitor eingegeben und von ihm prozessiert werden könne. Allerdings müssten die beiden Zahlen in jedem Fall verschieden sein und die kleinere im oberen Register stehen.

Die genaue Anzahl der korrekt ausführbaren Additionen vermochte die Knobilitis AG leider ebensowenig mitzuteilen wie den zu erwartenden Listenpreis. Experten vermuten, dass er vierstellig sein wird und sich ohne Übertrag errechnen lässt.
2 994 500 verschiedene Additionen kann der Calcilitor durchführen.

Um auf diese Zahl zu kommen, betrachten wir zunächst die möglichen Zahlenpaare mit unterschiedlichen Tausenderziffern. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass es zu keinem Übertrag kommen darf und die erste Zahl immer kleiner als die zweite ist.
Erste Zahl TausenderzifferZweite Zahl TausenderzifferAnzahl Möglichkeiten
12 bis 87
23 bis 75
34 bis 63
451


Es gibt also 16 Möglichkeiten, verschiedene Tausenderziffern auf die Zahlen zu verteilen. Die weiteren Ziffern dürfen in diesen Fällen beliebig ausgewählt werden. Einzige Voraussetzung: Es darf zu keinen Überträgen kommen.

Ziffer erste ZahlZiffer zweite ZahlAnzahl Möglichkeiten
00 bis 910
10 bis 89
20 bis 78
30 bis 67
40 bis 56
50 bis 45
60 bis 34
70 bis 23
80 und 12
901


Es sind also 55 Möglichkeiten pro Ziffer an zweiter, dritter oder vierter Stelle. Insgesamt also 553 Möglichkeiten, beziehungsweise 16·553 Möglichkeiten für Zahlen mit unterschiedlicher Tausenderstelle.

Untersuchen wir nun die Möglichkeiten mit gleicher Tausenderziffer. Für die Tausenderziffer kommen hier nur 1 bis 4 in Frage, da es sonst wieder zu einem Übertrag kommt. Nun müssen wir für die Hunderterziffern die beiden Fälle gleicher und unterschiedlicher Ziffern unterscheiden. Schauen wir uns zunächst den Fall verschiedener Ziffern an:

Erste Zahl HunderterzifferZweite Zahl HunderterzifferAnzahl Möglichkeiten
01 bis 99
12 bis 87
23 bis 75
34 bis 63
451


Macht also genau 25 Möglichkeiten. Auf die Einer- und Zweierziffern entfallen hierbei analog zu oben je 552 Kombinationen. Verbleiben die Möglichkeiten mit gleicher Hunderterziffer. Hier kommen nur die Ziffern zwischen 0 und 4 in Frage, also 5 Möglichkeiten. Die möglichen Zehner- oder Einerziffern berechnen sich nun rekursiv wie die Hunderterziffern. Insgesammt kommen wir damit auf folgende Summe:

16·553 + 4·(25·552 + 5(25·55 + 5·25)) = 2 994 500

Wenngleich nicht unbedingt eine Lösung, so gefiel uns doch die Dichtkunst von Bruno Wehinger aus Bräunlingen so gut, dass wir Ihnen dieses Werk nicht vorenthalten wollen.

zum Download

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.