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Mathematische Knobelei: Spalt mal wieder!

Forschung ist global! Forschung ist Teamarbeit! Forschung lebt vom Geben und Nehmen! Doch wie soll man forschen, wenn alle nur nehmen?
Es knattert und rattert im Institut für haarige Spaltungen der glorreichen Universität von Middelsix in Ohio. Knatternde Quelle des Ratterns ist der Zerfallszähler, den die hoffnungsvollen Jungforscher Lise Heitner und Otto Mahn an ihrem videoaktiven Element 42Knobelium angeschlossen haben. Wie sie in einer äußerst viel beachteten Publikation in der angesehenen Wissenschaftszeitschrift kÜnstLicH ausführlich dargelegt haben, schwindet das leidlich instabile 42Knobelium in unabhängig voneinander auftretenden Zerfallsakten, die makroskopisch einen exponentiellen Verlauf bescheren.

Doch nicht nur die natürliche Spaltung des Elements, bei welcher jedes Mal ein Geistesblitz abgestrahlt und vom Zähler registriert wird, vermindert den institutseigenen Vorrat an Knobelium. Auch die Begierlichkeiten der internationalen Kollegenschaft zehrt am Material. Zumal die Synthese des heiklen Isotops 42 bislang ausschließlich in Middlesix gelungen ist. Und so geht jeden zweiten Tag genau eine professorale Anfrage ein, ob Heitner und Mahn nicht eventuell ein bisschen ihres Knobeliums zu wissenschaftlichen Zwecken abtreten könnten.

Nun hat es mit dem Knobelium allerdings eine weitere seltsame Bewandtnis, die womöglich typisch für die gesamte Klasse der videoaktiven Stoffe sein könnte: Mit den bekannten experimentellen Methoden lässt es sich nur in zwei exakt gleich große Hälften teilen. Dabei eventuell auftretende Nachkomma-Atome verpuffen augenblicklich in allgemeines Wohlwollen.

So ist nicht mehr viel übrig von dem einstmals stattlichen Vorrat der beiden Wissenschaftler. Heute Morgen registrierte der Zerfallszähler noch 1000 Ereignisse pro Sekunde. Am Morgen zuvor waren es um die gleiche Zeit noch doppelt so viel. Und heute Abend, in genau 12 Stunden also, werden Heitner und Mahn eine Halbierung vornehmen, um äußerst ehrenwerten, aber leider weniger bescheidenen Kollegen eine Knobelium-Lieferung zukommen zu lassen. Eine Prozedur, die ebenfalls mit mathematischer Exaktheit alle 48 Stunden stattfindet.

Da ist es nur eine Frage der Zeit, am wievielten Tag von heute an gerechnet die Zerfallsrate unter den kritischen Wert von 10 Ereignissen pro Sekunde sinkt. Für Heitner und Mahn heißt es dann, die Teilchenbeschleuniger neu auszurichten und weiteres 42Knobelium zu synthetisieren. Wenn dann mal nicht die Geistesblitzrate bereits zu weit abgesunken ist für diese heikle Aufgabe. In wie viel Tagen ist es so weit?
Der Umgang mit instabilen Nukliden will wahrlich gelernt sein, schließlich ist man in null Komma nichts um den Lohn seiner Arbeit gebracht, wenn man nicht aufpasst. Hätten Sie zum richtigen Zeitpunkt den Teilchenbeschleuniger auf Touren gebracht?
Gestern waren es noch 2000 Ereignisse, heute sind es noch 1000 - 42-Knobelium zerfällt offensichtlich schnell, um genau zu sein: mit einer Halbwertszeit von 24 Stunden beziehungsweise einem Tag. Wenn wir von einer Anfangsmenge N0 des Isotops ausgehen, dann gilt für die Menge N nach t Tagen demnach folgendes:

N(t) = N0(1/2)t

Da die Zahl der Ereignisse proportional zur Menge an 42-Knobelium ist, können wir nun leicht die jeweilige Ereigniszahl nach einer bestimmten Anzahl von Tagen berechnen. Wir müssen dabei stets abrunden, da es nur ganzzahlige Ereignisse geben kann.

EreignisseTage
2000-1
10000
5001
2502
1253
624
315
156
77


Nach 7 Tagen wäre also so viel von dem Isotop zerfallen, dass nur noch 7 Ereignisse pro Sekunde detektiert würden. Nun haben wir jedoch nicht berücksichtigt, dass alle 48 Stunden die verbleibende Menge halbiert wird und sich demzufolge auch die Ereigniszahl halbieren muss. Beziehen wir also die Halbierungen ein, wäre am Abend des ersten Tages zunächst folgende Ereigniszahl zu erwarten:

N(0,5) = 1000(1/2)0,5 = 500√2 ≈ 707

Da nun das Knobelium geteilt wird, verbleiben lediglich 353 Ereignisse. Rechnen wir nun vom Abend an weiter für die nächsten Tage:

EreignisseTageBemerkung
2000-1
10000
7070,5Zerfall
3530,5Teilung
1761,5Zerfall
882,5Zerfall
442,5Teilung
223,5Zerfall
114,5Zerfall
54,5Teilung


Nach 4 Tagen ist demnach durch Zerfall und Teilung nur noch so wenig 42-Knobelium übrig, dass pro Sekunde gerade noch 5 Ereignisse zu zählen sind. Der Teilchenbeschleuniger muss also angeworfen werden.

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