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Hässliches, dreckiges und stinkendes Industriegebiet

Hattusa hatten wir hinter uns gelassen, nicht jedoch die Hethiter. Weiter ging es nach Kuşaklı, dem antiken Sarissa, das sich in den letzten Jahren als eines der wichtigen hethitischen Fundorte erwiesen hatte. Von dort fuhren wir nach Malatya (alt: Malidija) und weiter zum Nemrut Dağı.

Bei diesem vielleicht spektakulärsten Monument der Türkei konnten wir wieder einmal campen und ich konnte meine Kochkünste am Gaskocher unter Beweis stellen. Die Nacht war dann allerdings sehr kurz, denn um 4 mussten wir uns auf dem Weg auf die 2200 m hohe Bergspitze machen, um den Sonnenaufgang gegen 5 miterleben zu können. Was für ein Erlebnis!!!

Der Nemrut Dağı ist nämlich der höchste Berg weit und breit, mitten in einem wunderbaren Bergmassiv gelegen. Wir saßen also auf einem Altar, der von Antiochos I. von Commagene errichtet worden war, um die aufgehende Sonne angemessen begrüßen zu können. Dahinter erheben sich mehrere fast zehn Meter hohe Kolosse und dann kommt der riesige Grabhügel. Man fragt sich, wie größenwahnsinnig oder spinnert man sein muss, um auf einem Zweitausender-Gipfel noch einen Tumulus aufschütten zu lassen.

Ob spinnert oder nicht – grandios ist es in jedem Fall. Wahrend der Weiterfahrt merkten wir dann, dass uns der Sprit auszugehen drohte, doch glücklicherweise fanden wir in einem winzigen Bergdorf eine Tankstelle. Benzin hatten sie allerdings nicht. Wir wurden lediglich gefragt, ob wir nicht Wasser bräuchten und an den Supermarkt verwiesen. Dort kauften wir dann auch zehn Liter Diesel und ebensoviel Wasser.

Als Nächstes stand Südostanatolien auf unserer Reiseroute und dort v.a. die bedeutenden Grabungen von Arslantepe, Zincirli, Sirkeli, Karatepe und Tell Acana. Besonders Karatepe mit seiner überaus interessanten phönizisch-hieroglyphenluwischen Bilingue erstaunte durch seine Lage in einem wunderschönen bewaldeten Gebirge.

Ganz unerwarteterweise war jedoch ein mir bis dato völlig unbekannter Ort der Glanzlicht des Tages: Hierapolis bei Karatepe. Dabei handelt es sich um eine bislang überhaupt nicht erforschte römische Stadt mit Kolonnadenstrasse, Thermen, einem herrlich verwilderten Theater, das mich an Michael Endes "Momo" erinnerte, und v.a. eine wildromantische Burgruine aus der Kreuzfahrerzeit. So ähnlich müssen die meisten Ruinen bei uns in Europa vor 200 Jahren ausgesehen haben: überwuchert, nur zu Fuß zu erreichen, ein wenig klettern und eine tolle Landschaft – keine Rekonstruktion, kein Souvenirladen, kein Cafe, einfach nur eine sagenhaft schöne Ruine!

Das glatte Gegenteil erlebten wir dann jedoch auf der Weiterfahrt nach Antakia über Iskenderun. Da kommt man nämlich bei Issos vorbei. Jeder kennt wohl den Spruch "333, Issos Keilerei". Und in der Tat sieht es dort aus, wie auf einem Schlachtfeld, wenn auch in anderem Sinne. Heute ist der Fleck, wo Alexander der Große den Perserkoenig Darius endgültig besiegte nämlich ein überaus hässliches, dreckiges und stinkendes Industriegebiet, ein modernes Schlachtfeld. Der Name ist freilich gebliegen: İskenderun/Alexandrette.

Francis Breyer

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