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Schulverweigerung: Wenn die Schulbank drückt

Fünf bis zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden unter Schulangst. Besonders gefährdet sind Erstklässler. Die gute Nachricht: werden die Alarmsignale rechzeitig erkannt, ist schnelle Besserung möglich.
Derzeit leiden geschätzte fünf bis zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland an einer Form von Schulangst, so berichtet die aktuelle Ausgabe von Gehirn&Geist (Ausgabe 10/2007). Das entspricht etwa 600000 bis 1,2 Millionen Schülern, wobei mehr Jungen als Mädchen betroffen sind. Die Einschulung stellt ein besonderes Risiko dar, ebenso der Wechsel auf eine weiterführende Schule.

Feuchte Hände und Bammel vorm ersten Schultag sind normal und kein Grund zur Besorgnis. Doch was tun, wenn sich ein Kind partout weigert in die Schule zu gehen? Um ihm zu helfen, muss zunächst geklärt werden, wovor es sich genau fürchtet. Denn Schulangst ist nicht gleich Schulangst. Wenn ein Kind oder Jugendlicher nicht in die Schule gehen will, sprechen Psychologen zunächst einmal allgemein von Schulverweigerung. Dabei werden drei Varianten unterschieden: Schulangst, Schulphobie und Schuleschwänzen.

Im Fall einer klassischen Schulangst fürchten Betroffene Situationen, die mit der Schule selbst zu tun haben – etwa Klassenarbeiten, Lehrer oder Mitschüler. In 80 Prozent der Fälle geht es dabei um Versagensängste. Hinter einer Schulphobie versteckt sich dagegen die Angst vor der Trennung von einer wichtigen Bezugsperson. Beim Schwänzen wiederum spielen Angstgefühle anfangs meist gar keine Rolle – hier sind Abenteuerlust, Langeweile oder auch Unterforderung häufige Auslöser. Durch häufige Fehlzeiten entwickeln etwa die Hälfte der Schulschwänzer mit der Zeit aber auch psychische Störungen wie soziale Ängste und Depressionen. In der Praxis, so berichtet Gerd Lehmkuhl, der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität zu Köln, treten häufig Mischformen auf.

Während Versagensangst und Schwänzen nicht spezifisch mit Einschulung oder Schulwechsel in Zusammenhang stehen, entsteht eine Phobie oft ganz am Anfang der Schulkarriere. Eine zu enge Bindung an Mutter oder Vater kann verhindern, dass ein Kind emotional selbstständig wird. Tatsächlich handelt es sich in mehr als 80 Prozent der Fälle um Einzelkinder oder Erstgeborene.

Um eine aufkeimende Schulphobie wieder in den Griff zu kriegen, sollte ein Kind so schnell wie möglich wieder in die Schule gehen. Eltern müssen lernen, dass sie Ihrem Kind keinen Gefallen tun, wenn es bei Unwohlsein immer zu Hause bleiben darf. Reichen Konsequenz, Lob und viel Ermutigung nicht aus, damit ein Kind gern in die Schule geht, sollte ein Schulpsychologe hinzugezogen werden.

Langzeitstudien aus den letzten Jahren haben gezeigt: Eine frühzeitige Behandlung ist nicht nur wichtig, damit das Kind die Chance auf einen guten Schulabschluss hat. Es geht um mehr: wer akute Trennungsängste im Kinder- und Jugendalter nicht bewältigt, trägt ein dreifach erhöhtes Risiko, als Erwachsener eine andere psychische Erkrankung zu entwickeln, beispielsweise eine Panikstörung oder Depression. Doch soweit muss es nicht kommen, betont Lehmkuhl. Denn je früher das Problem erkannt und behandelt wird, desto besser die Heilungschancen.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Gehirn&Geist, 10/2007
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