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Kommentare - - Seite 1

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  • James Webb Space Telescope umbenennen oder nicht?

    10.01.2022, Reinhold Lühmann, Florian Lukas, Dr. Joachim Heisel, Jürgen Würfel und Martin Zahn


    Fünf Leserkommentare zum Bericht in SuW 1/2022 über die NASA-Recherche zur Diskriminierung Homosexueller in den 1960er Jahren unter dem damaligen Direktor James Webb. - Es war unsere Intention, die hierzulande wenig bekannten Bedenken zur Namensgebung des James Webb Space Telescope der Leserschaft von »Sterne und Weltraum« bekannt zu machen. Ganz gleich, wie man zu den erhobenen Vorwürfen steht, wollten wir sie nicht totschweigen.

    Red.

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    Die Diskussionen um die Namensgebung des James-Webb-Teleskops zeigen zwei große Schwächen der heutigen Zeit. Zum einen kommt man damit viel zu spät. Schon lange ist bekannt, wie das Teleskop heißen soll, aber erst jetzt, wo es bereits unterwegs ist, kommt man auf Gründe, es nicht so zu benennen. Zum anderen beurteilt man Menschen und Handlungen der Vergangenheit nach den heute gültigen Werten und Normen. Hoffen wir, dass unsere Nachfahren in 50-100 Jahren mit uns gnädiger umgehen und uns nicht verurteilen, weil wir gegen ihre heute noch unbekannten moralischen Regeln verstoßen.

    Reinhold Lühmann, Allensbach (Hegne)

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    Als ich in der aktuellen Ausgabe 01/2022 den Beitrag las, der über den Umgang mit Homosexuellen in den US-Behörden während der 50er und 60er Jahre sowie die damit verbundenen Forderungen, das JWST umzubenennen, berichtet, musste ich ganz schön schlucken. Astronomie ist nur mein Hobby, doch habe ich Geschichtswissenschaften studiert und arbeite auch wissenschaftlich in diesem Bereich. Als Historiker finde ich daher die Art und Weise, wie die NASA an dieses sensible Thema herangegangen ist, mehr als fragwürdig.

    Eine größtenteils interne Untersuchung durchzuführen ist dabei schon bedenklich. Viel schlimmer ist es allerdings, die Ergebnisse nicht zu veröffentlichen und die Bedenken flappsig mit wenigen Sätzen als "unbegründet" abzutun.
    Gerade in den Naturwissenschaften ist das Konzept der Peer-Review doch eine der wichtigsten Säulen, um nachprüfbare Ergebnisse zu erzielen. Dieses Grundprinzip in solch einer heiklen Angelegenheit einfach auszuhebeln, ist wirklich ungebührlich.

    Als Rheinländer drängen sich da schnell Parallelen zum Umgang des Erzbistums Köln mit der Untersuchung zu Missbrauchsvorwürfen an die katholische Kirche auf. Auch hier wurde das erste Gutachten nie veröffentlicht, sondern einfach ein zweites, anscheinend besser passendes angefordert.

    Man würde sich wünschen, das ein großer Teil der astronomischen, wissenschaftlichen Community versucht, mithilfe von Boykotts o.ä., Druck auf die NASA auszuüben. Leider ist das Teleskop derart bedeutend und einzigartig, dass man solch ein Handeln wohl - verständlicherweise - nicht erwarten kann; schließlich hieße es dann wohl für einige Astronom:innen die eigenen Forschungen und damit die eigene Karriere zu gefährden.

    Ich hoffe inständig, die NASA korrigiert ihr Verhalten diesbezüglich in naher Zukunft. Daran glauben kann ich allerdings nicht...

    Florian Lukas, Köln

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    Seit vielen Jahren beziehe ich nun Ihre Zeitschrift und es ist noch nie vorgekommen, dass ich mich über einen Beitrag geärgert habe. Aber der Beitrag von A. Witze hat es jetzt geschafft. Man erfährt darin, dass J. Webb Behördenleiter war, in einer Zeit in der Schwule entlassen wurden. Eine Massnahme, die den moralischen Werten der damaligen Mehrheit der Gesellschaft entsprach und anscheinend auch juristisch nicht zu bestanden war. Die persönliche Beteiligung von Webb bleibt offen. Der Vorgang ist ein typisches Beispiel jener in den angelsächsischen Ländern grassierenden moralischen Selbsterhöhung, die heutige Massstäbe an Menschen anderer Zeiten anlegt, ohne deren jeweiliges gesellschaftliches und kulturelles Umfeld zu berücksichtigen. Belege gibt es von Seiten der Ankläger anscheinend nicht, nur diffuse Schuldvermutungen, die die NASA bitte zu widerlegen habe - eine unakzeptable Rechtsauffassung.
    Mit der Veröffentlichung des Artikels, der deutliche Sympathien für die Ankläger erkennen lässt, unterstützen Sie die unbelegten Vorwürfe: Denn irgendwas bleibt ja immer hängen. Eine kurze Nachricht zum Vorgang wäre angemessener gewesen.

    Dr. Joachim Heisel, Lübeck

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    So sehr mich der Artikel "42 auf einen Streich" gefreut hat, so schlug dies im Artikel "NASA will das James Webb Telescope nicht umbenennen" in Mißfallen um. Hier geht es nicht um Astronomie, sondern um die derzeit modische Ideologie LBTQ. Im durchaus interessanten Artikel "Zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit" wird es am Ende feministisch. Ich denke, diese Themen sind in einem Polit-Magazin wesentlich besser aufgehoben.

    Martin Zahn, Frankfurt am Main

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    nachdem nun noch weitere Lesermeinungen zur Umbennungsforderung des JWST eingegangen sind, die allesamt einen relativierenden Unterton haben, fühle ich mich verpflichtet, abermals darauf zu reagieren.
    In mehreren dieser Beiträge wird angemerkt, man solle damals lebende und handelnde Menschen nach den Wertvorstellungen ihrer jeweiligen Lebenszeit und Gesellschaft beurteilen, nicht nach modernen Maßstäben. Dieser Sicht auf die Dinge muss ich als Historiker vehement widersprechen. Würden wir stets so verfahren, sollten wir dann etwa auch Unrechtsregime wie die NS-Diktatur bzw. das maoistische China oder aber die amerikanische Sklavenhaltergesellschaft nach den damals geltenden Norm- und Wertevorstellungen beurteilen? Ich weiß, dies sind drei extreme Beispiele, aber die Beschäftigung mit unserer aller Geschichte ist doch auch gerade deswegen von Bedeutung, damit ethisches und unethisches Handeln in Vergangenheit wie Gegenwart eingeordnet werden können. Selbstverständlich unterliegen auch diese Mechanismen einem ständigen Wandel und eine strikte Einteilung in schwarz/weiß bzw. gut/böse gibt es nicht. Dennoch sollten wir vergangene Ereignisse und Prozesse stets aufs Neue unte
    rsuchen und auch bewerten. Nur so können wir in unseren gegenwärtigen Gesellschaften ein gutes Zusammenleben nach allgemein anerkannten Normen und Werten erreichen.
    Daher darf und sollte man m.E. durchaus James Webbs Handeln nach heutigen Maßstäben beurteilten. Sein Verhalten mag damals bei der Mehrheit nicht anstößig gewesen sein, doch sicherlich empfanden auch damals schon Menschen diese Verhaltensweisen als unpassend. Seit einigen Jahren jedoch hat unsere Gesellschaft glücklicherweise in Bezug auf die Rechte von Minderheiten einen Sinneswandel durchgemacht. Dass vor diesem Hintergrund dem Teleskop der Name eines Astronomen gegeben wurde, der diskriminierend gehandelt hat, ist daher auf jeden Fall zu kritisieren. Schließlich trafen nicht Menschen aus den 1960er Jahren diese Entscheidung. Zudem sind es die Angehörigen der LGTBQ-Gemeinschaft der Gegenwart, die sich auch durch solche Aktionen weiterhin diskriminiert fühlen. Sie mit den Wertvorstellungen von damals zu vertrösten, ist m.E. unfair und vor allem äußerst unsensibel.

    Florian Lukas, Köln
    PS: In einem Beitrag wird die LGBTQ-Gemeinde als Ideologie bezeichnet. Das ist eine Relativierung unterster Schublade. Impliziert sie doch, dass eine andere sexuelle Orientierung/Identität nichts weiter sei als eine Meinung, die sich ablegen ließe. Zudem gehören solche "politischen" Beiträge durchaus auch in eine Astronomie-Zeitschrift; und zwar besonders dann, wenn es auch in der astronomischen Wissenschaftsgemeinschaft weiterhin große Gleichberechtigungsprobleme und reaktionäre Meinungen gibt.

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    Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist nach § 189 StGB eine Straftat. Wenn gegen Herrn Webb nur "Gefühle" geäußert werden, aber keine konkreten Fakten benannt werden können, so empfinde ich das durchaus als Verunglimpfung. Ich bitte daher höflich, von derartigen Bekundungen künftig Abstand zu nehmen, dabei wollen Sie bitte auch auf die Gefühle Ihrer Leser Rücksicht nehmen.

    Jürgen Würfel, München

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