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Kommentare - - Seite 1086

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Was ist Bewusstsein

    28.01.2007, Joachim Stiller
    Als angehender Philosoph bin ich der Meinung, dass das Bewusstsein im engeren Sinne niemals Gegenstand neuro-physiologischer Untersuchung sein kann und sollte, sondern einzig und allein Gegenstand philosophischer Reflexion und Selbstreflexion.
    Im Kosmos hat alles Bewusstsein, so sagen die Esoteriker, und ich möchte mich einmal dieser Auffassung anschließen. Nur hat das Bewusstsein auf den unterschiedlichen Stufen eine andere Qualität: Das Mineral hat ein anderes Bewusstein als die Pflanze, diese hat ein anderes Bewusstsein als das Tier, und dies hat ein anderes Bewusstsein als der Mensch. Aber was ist Bewusstsein, was können, müssen oder dürfen wir uns darunter vorstellen? Ich möchte einmal die These wagen, dass das Bewusstsein eine Art von Feld ist. In diesem Sinne spreche ich etwa von Bewusstseinsfeldern, beim Menschen mit selbstreflexiver Eigenschaft. Ein solches Bewusstseinsfeld hat beim Menschen, so meine weitergehende These, die Form einer Lemniskate. Ließen sich höhere geistige Wesenheiten nachweisen, wie Engel und Erzengel, so hätten sie sicherlich auch ein höher entwickeltes Bewusstsein. Mit dieser Auffassung stehe ich durchaus nicht allein da, sie wurde bereits von mehreren Philosophen bestätigt und geteilt.
    Joachim Stiller
    Münster
  • Fortschritt in der begrifflichen Fassung der Umgebung

    27.01.2007, Tigris Seyfarth, München
    In der Fokussierung auf das Gehirn als angenommenen Ort der "Erkenntnis" liegt die Blockade, der Voland wie so viele andere unterliegen. Dieses zeigt tatsächlich seit langer Zeit keine "Evolution". Neurophysiologisch ist es eine Binsenweisheit, dass das Nervensystem keine andere Funktion hat als sensorische Afferenzen auf motorische (i.e. muskuläre) Efferenzen zu übertragen. Das ist auch beim Menschen nicht anders.
    Hieraus ergibt sich allerdings die Frage, wodurch sich der Mensch motorisch/muskulär von den anderen beweglichen Organismen unterscheidet. Denn nicht die Nervenzellen sind die Grundlage der Bewegung, sondern die muskulären Strukturen der jeweiligen Organismen. Beim Menschen sind es immer noch die - zugegebenermaßen recht vielfältigen - Muskeln, die dem Sprechen zu Grunde liegen. Dass aber die daraus abgeleitete "begriffliche" Fassung der Bedingungen der Umgebung wie auch des menschlichen Organismus keine Fortschritte gemacht hätten, wird auch Prof. Voland nicht bestreiten. Wie die Menschen ihre Umgebung begrifflich fassen, so können sie auf die Umgebung ("Technik") bzw. auf ihren Körper (Medizin) einwirken.
    Zugleich stellt die menschliche Bewegungsform einen wichtigen Faktor für den menschlichen Stoffwechsel dar, da in der Atemmuskulatur die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und das Sprechen zusammenfallen (an erster Stelle ist das Gehirn davon abhängig).
    Fortschritt im Voland´schen Sinn kann es tatsächlich nicht geben, da kein Mensch sein Gehirn registrieren noch beeinflussen kann. Die Fokussierung auf das Gehirn bedeutet insofern eine "begriffliche" Sackgasse für die Menschen. Man bedenke, dass "Gehirn" und "Gott" gleiche Konstellationen beinhalten: das eine im Menschen, der andere außerhalb, werden beiden die gleichen Funktionen zugeschrieben: "steuern alles", beide kann man nicht "registrieren" und nicht "beeinflussen". Insofern konstituiert die Fokussierung auf das Gehirn lediglich eine neue Transzendenz - jetzt im Menschen. Das passt zur Individualisierung ohne begrifflichen Erklärungs-Fortschritt
  • Subjektivität des Fortschritts mathematisch beweisbar

    27.01.2007, Manfred Weis, Malsch
    Beschränkt man sich auf einen einzigen, objektiv messbaren Aspekt des Lebens, wie z. B. das verfügbare Einkommen, den IQ etc., so kann entschieden werden, ob etwas mehr geworden ist, und in dieser Hinsicht werden manche Dinge sicherlich mehr und führen zu einem objektiven Fortschritt.
    Wenn nun aber mehrere Ziele berücksichtigt werden sollen, so ist jedes Maß willkürlich in der Bewertung der Teilziele und was im Maß des einen Fortschritt ist, ist im Maß des anderen ein Rückschritt.
    Der mathematische Hintergrund ist die Unmöglichkeit, Punkte eines 2-, 3- oder höherdimensionalen Raumes (für jedes Ziel eine Dimension) stetig auf den Zahlenstrahl abzubilden, und jeder hat eine eigene Vorstellung davon, wo geschnippelt und geklebt werden sollte, um eine subjektive Bewertung zu ermöglichen.
    Diese Erkenntnis stammt von Georg Cantor aus dem vorletzten Jahrhundert.
    Noch übler ist, dass komplexe Zahlen eine wichtige Rolle in physikalischen Modellen des Universums spielen, man aber beim Versuch, diese zu vergleichen unweigerlich widersprüchliche Ergebnisse erhält.
    Somit existiert Fortschritt mangels objektiver Vergleichbarkeit von Lebensumständen bezüglich der real gegebenen Pluralität von Zielvorgaben bewiesenermaßen nur in Gehirnen mit eindimensionaler Wahrnehmung.
  • Fortgeschritten von seiner Mitte

    27.01.2007, Gerd Winkler, Berlin
    Es war einmal, da lebte der Mensch in seiner Mitte. Wenn er nicht aufpasst, kommt er nie mehr dahin.

    Also der heutige Fortschritt ist schon eine Illusion.
  • Evolution und Fortschritt

    27.01.2007, Dr. Peter Altreuther, Wuppertal
    An den Faust könnte man sich schon erinnert fühlen - "...und wie wirs doch zuletzt so herrlich weit gebracht" - so sagt es Fausts Assistent Wagner und Faust quittiert bissig - "ja weit, bis an die Sterne weit..."- und den Fortschrittsglauben damit zur Seite legen. "Die Erfahrungen dieses Jahrhunderts sind eigentlich schrecklich genug, um den Fortschrittsglauben zu diskreditieren - zumal einer der Greuel dieses Jahrhunderts, der sowjetische Totalitarismus, durch eine Geschichtsphilosophie des Fortschritts entscheidend legitimiert wurde" (V. Hösle, Moral und Politik) - ohne ihn gleich grundsätzlich zu diskreditieren als bloße Marotte der Evolution.
    "Evolution setzt bekanntlich auf Nützlichkeit" wird zu Beginn festgestellt. Wer ist dieses Subjekt "Evolution", das etwas mit uns anstellt, das wir vielleicht gar nicht wollen? Ist es ein Nachfahre der "vis vitalis", die man zur Erklärung anderweitig nicht verständlicher Lebensvorgänge brauchte? Oder ist sie einfach eine Erklärung von (bereits erfolgten) Strukturänderungen, die ohne sie nicht verstanden werden können? "Survival of the fittest", das klingt zielgerichtet - wie, wenn auch diese Zielrichtung nur eine Illusion wäre? Wäre sie keine Illusion, dann gäbe es Prognosen über Ziel und Ende der Evolution. Stattdessen aber nur:" Die Evolution geht ziemlich langsam nirgendwohin" (Michael Ruse, Zitat Voland). Zur Erklärung eines Fortschritts via Wettrüsten und natürlicher Selektion ist diese Idee nicht brauchbar, vielleicht weil Evolution eben kein handelndes Subjekt ist. Damit wäre aber auch die Behauptung erledigt, ein Trick der Evolution habe uns den Fortschritt vorgegaukelt, "nicht weil sie wirklich Fortschritt generiert, sondern allein um im System zu bleiben" (Voland).
    Dass wir die Welt nicht so sehen, wie sie ist, ist keine neue Erkenntnis; das "Ding an sich" ist keine Erfindung der Neuzeit. "Die Realität ist das, was man nicht erkennt, wenn man sie erkennt" (N. Luhmann). Oder (Drewermann): "Unser Wahrnehmungssystem ist ein Instrument eben nicht zum Erkennen der Wahrheit, sondern zum Bestehen der Wirklichkeit". Sollte es auch nützlich sein, anstelle der Farbe Grün eine Wellenlänge zu erkennen oder alles nur grau in grau zu sehen? So kann man unser Wahrnehmungssystem durchaus als "nützliche Konstruktion des Gehirns" betrachten, aber es erzeugt nicht Illusionen, sondern Transskriptionen von Wirklichkeit, mit denen wir besser umgehen können.
    Was ist dann der Fortschritt, Illusion oder transskribierte Wirklichkeit? Dass es ihn nicht gäbe, weil man ihn nicht messen könne, greift zu kurz. "Wer mag schon angesichts der heutigen biologischen und kulturellen Lebenschancen im Mittelalter leben - oder auch nur in der Generation seiner Großeltern"? fragt der Autor. Natürlich müsste man die Parameter kennen, an denen Fortschritt zu messen wäre; am Beispiel der Lebensverlängerung durch die Fortschritte der Medizin erschiene das einfach - oder auch nicht? Vielleicht könnte Ernst Bloch helfen: "Klar bleibt, der Ruf nach vorwärts ist so wenig mit sich selber fertig wie die Sache, die er bedeutet. Der Begriff Fortschritt impliziert ein Wohin und Wozu, und zwar ein zu wollendes, also gutes Wozu und ein zu erkämpfendes, also noch nicht Erreicht-Vorhandenes. Ohne Wohin und wozu ist ein Fortschritt überhaupt nicht denkbar, an keinem Punkte meßbar, vor allem auch als Sache gar nicht vorhanden". Wohin und wozu - Fortschritt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, nicht für das Tretrad, aber zum Wohle von Menschen. Frieden wäre so ein Ziel und ein ungeheurer Fortschritt.
  • Fatal komplex

    27.01.2007, Stephan Fröde
    Das Gehirn selbst ist ein Produkt des Fortschritts, das Modell liegt eine Ebene höher.
    Wenn ich das Gehirn verstehen will, dann muss ich bei einer deduktiven Vorgehensweise erst einmal die Metaebenen über dem Gehirn begreifen.

    Alles andere ist induktiv mit den bekannten Problemen.

    So gesehen führt der Artikel in die Irre, die Idee Fortschritt und Gehirn (freier Wille usw) zu verbinden ist gut, aber fatal komplex und so zur puren Spekulation verdammt.

    Zum Konstruktivismus, eine interessante Idee, aber ich mag sie nicht, weil sie das Gehirn zum deterministischen Automaten degradiert und zur Schlussfolgerung führt, dass es weder einen freien Willen, noch eine Seele, noch eine Leben nach dem Tod gibt.

    Und darüber hinaus stellt sie die freie Gesellschaft in Frage.

    Dann bevorzuge ich lieber den "kalten" hellenistischen Rationalismus plus eine ordentliche Prise Epikur.
  • Fortschritt und Weiterentwicklung

    27.01.2007, Alexandra Surdina, Düsseldorf
    Von objektivem Fortschritt zu sprechen, macht genauso wenig Sinn, wie von objektiver Geschwindigkeit zu reden. Es braucht zwei zeitlich verschiedene Bezugspunkte, die miteinander verglichen werden, um Bewegung festzustellen.

    Über Zwang zu evolutionärer Veränderung zur Überlebenssicherung sind wir hinweg. Der Mensch, der längst mit der eigenen Anpassung aufgehört und begonnen hat, das Leben in der Umwelt an sich selbst anzupassen, liegt im Überlebenschancen-Ranking weiter vorn als sein Versuchskaninchen Maus.

    Von der ohnehin langsamen Weiterentwicklung durch Evolution wird für uns wenig zu erwarten sein. Da wir die Umwelt an uns anpassen, werden Mechanismen, die uns an die Umwelt anpassen, funktionsuntüchtig. Es überleben in heutigen Zeiten mehr Kranke und Behinderte als je zuvor. Wenn technischer Fortschritt — Gentechnologie, künstliche Intelligenz — uns in die Lage bringen wird, direkten Einfluss auf den Entwicklungsgrad des Menschen zu nehmen, werden wir Fortschritt herstellen und beschleunigen können.

    Es gibt verschiedene Formen von Weiterentwicklung, die nicht miteinander zu verwechseln sind. Die drei meines Erachtens wichtigsten Gebiete, auf denen Weiterentwicklung existiert, sind Evolution, Gesellschaft sowie Technologie. Die Existenz von bspw. Computern ist kein Beweis für evolutionären Fortschritt oder für Menschenrechte.

    Weiterentwicklungen und neue Entdeckungen in Technologie und Wissenschaft öffnen neue Türen. Offene Türen sind eine Voraussetzung für Fortschritt, jedoch nicht mit ihm zu verwechseln. Die Erfindung einer Atombombe bedeutet keinen Fortschritt, die Verbesserung von Altersheimgeräten ebenfalls nicht, Letztere wohl Symptommilderung — eine andere Art Nutzung offener Türen. Fortschritt als Zunahme von Komplexität zu definieren bedeutet, dass die Erfindung neuer Waffen und ungerechter, komplexerer Herrschaftssysteme nach dieser Definition ebenso fortschrittlich ist wie neue Krebsbehandlungstechniken. Im Fortschritt schwingt immer ein moralischer Aspekt mit, ein Bezug auf bestimmte Ziele.

    Unser Hirn ist vielleicht komplexer, aber nicht unbedingt fortschrittlicher und besser als das der Maus; misst man in Glück, sind Mäuse vielleicht glücklicher als wir und misst man in Lebensdauer, empfinden die ihre vielleicht genauso wie wir unsere.

    Evolution ist richtungslos und Fortschritt im Sinne von Vorwärtsbewegung braucht Bezugspunkte und Richtungen.
  • Realitätsfern

    25.01.2007, Fritz Kronberg, Rondeshagen
    Dieser Essay zeichnet sich durch korrekte Wahrnehmungen kombiniert mit völlig irrealen Folgerungen aus. Wie der Autor selbst ganz richtig erkannt hat, existiert Fortschritt sehr wohl, aber diese Existenz mit dem Argument des in etwa konstanten Anteils der Zufriedenen in der US-Gesellschaft widerlegen zu wollen ist mehr als kühn. Damit definiert er nämlich eine Meßlatte, die es seiner eigenen Aussage nach gar nicht geben kann, weil der Fortschritt ja nur eine Illusion sein soll. Auch der Rückgriff auf widerlegte Modelle ist nicht besonders überzeugend. Die Tatsache, dass die Erde annähernd Kugelform hat, ist nicht widerlegbar, auch nicht für spätere Generationen von Wissenschaftlern. Der Autor kann sich natürlich völlig auf den solipsistischen Standpunkt stellen, dass alles nur eine Illusion des Menschen, der da denkt sei. Aber noch nicht einmal damit kann er den Satz "cogito, ergo sum" widerlegen, denn etwas, was zu Gedanken, welcher Art auch immer fähig ist, muss zwangsläufig existieren. Der Artikel ist viel zu wenig durchdacht, um im Spektrum erscheinen zu können.
  • Soziobiologie: alles fortschrittliche Illusion?

    24.01.2007, Gerhard Frensel, Oldenburg
    Der Beitrag von Eckart Voland zeigt in schöner Deutlichkeit die subjektive Begrenztheit menschlichen Denkens. Dies gilt aber nicht nur für die zitierten "naiven" Fortschrittsmodelle - die Erde sei eine Scheibe, der Baum grün, die Autos laut -, sondern auch für philosophische Theorien. Einzuschließen ist hier auch die Soziobiologie, die ebenfalls dem Erkenntnis-Dilemma verhaftet ist, etwas Unbeweisbares beweisen zu wollen.

    Wie sonst wäre die Hypothese einzuordnen, dass "die Erfüllung persönlicher Präferenzen der Zunahme reproduktiver Trümpfe" diene? Ebenso führen ewige Anleihen bei Darwin oder zeitgenössischer Statistik nicht am Problem vorbei: Wie der Fortschrittsgedanke selbst, sind auch "struggle for life", "survival of the fittest", oder auch amerikanische Umfragen zum Befinden seiner Bevölkerung nur naiv-realistische Interpretationen eines im unverstehbaren Chaos der Welt sich taktisch organisierenden Zentralnervensystems von Angehörigen der Spezies Homo sapiens.

    Und werden soziobiologische Utopien nicht durch realpolitische und -ökonomische Prozesse geradezu widerlegt? Nicht alles dient der Reproduktion: Schrumpft nicht seit Jahrzehnten die hier ansässige (Stamm-) Bevölkerung - womöglich erst recht auf Grund der stets aufs Neue erfüllbaren persönlichen Präferenzen ihrer einzelnen Mitglieder? "Immer schneller, immer weiter, immer höher" passen als Leitkategorien eher zu Quartalsberichten börsennotierter Kapitalgesellschaften, deren Mitglieder der seltsam angstbesetzten Illusion des "Zurückbleibens" erliegen, eignen sich aber nicht als durchgängige Motive für Evolutionsprozesse.

    Soziobiologie beansprucht, biologistische Modelle für die Entwicklung von Gesellschaften herleiten zu können. Tatsächlich liefert sie aber nur retrospektive Interpretationen - ein psychisches Bedürfnis ihrer Vertreter? Den Beweis für wissenschaftliche Überprüfbarkeit und antizipatorisches Potenzial sind sie schuldig geblieben. Die kognitive Erfassung und Bewertung von Unterschieden mag zwar eine Fähigkeit menschlicher Psyche - insbesondere des limbischen Systems - sein, findet aber mehr oder weniger organisiert in allen lebenden Systemen statt - eine Voraussetzung für biologische Evolution überhaupt. Allerdings kann hieraus keine eindeutig gerichtete Entwicklung abgeleitet werden.

    Ob Fortschritt als soziobiologisches Strategiekonzept - besser als Fortschrittsglaube zu bezeichnen - tatsächlich zur Bewältigung der "Tretmühle des Lebens" beiträgt, oder bei entsprechender philosophisch-ideologischer Überhöhung allein dem weiten Feld menschlicher Irrtümer zuzuweisen ist, bleibt - wie auch das "Wesen" der Evolution - weiter im Dunkeln. Jedenfalls zeigt sich auch in dieser Fragestellung unser immanenter Drang zu Reflektion und Erkenntnis, vor allem angesichts der zeitigen Endlichkeit lebendiger Existenz.

  • Gibt es Gott?

    24.01.2007, Dr. Jozef Goblinsky, Warzawa
    Die Frage "Gibt es Gott?" ist, so stelle ich fest, ist unter uns Wahrheitssuchern offensichtlich seit einiger Zeit etwas aus der Mode gekommen. Neurophysiologen meinen ja auch seit einiger Zeit, einen Sitz dieses Fragens ausfindig gemacht zu haben: Jetzt endlich kann auf den Theisten mit dem Finger gezeigt und gesagt werden: "Sieh einmal, ich zeig ihn dir deinen Gott, er sitzt zwischen deinen Hirnlappen. Jetzt staunst du, was?"
    Dass dieses alte Fragen nicht auszumerzen ist und immer wieder wieder auftaucht, indem neue Begriffe für Gott Platz einnehmen, ist ein interessantes Phämonen, gerade im Hinblick auf die rhetorische Verwendung dieser Begriffe, denn "Fortschritt ist Opium fürs Volk!"
    Die Frage, wieso - zum Teufel - die Menschen an Fortschritt glauben, mag auch interessant und ergiebig sein, doch ist sie nicht geeignet um festzustellen, ob Fortschritt eine Illusion ist oder nicht. Sie ist vielmehr etwas vollkommen anderes. "Gott sitzt im Gehirn des Menschen und kann deswegen nicht existieren" ist nicht die Antwort auf die Gottesfrage, sondern spricht nur von der Vorstellung des Menschen von Gott.
    Der Begriff Fortschritt hat auf eben diese Weise verwendet keinen objektiven Sinn. Er kann aber, indem ihm die eine oder andere Bestimmung beigelegt wird, durchaus sinnvolle Verwendung haben: So könnte es zum Beispiel einen (ob nun in meiner eingebildeten oder der wirklichen Welt) feststellbaren Fortschritt in der medizinischen Versorgung in einer bestimmten Region geben. Ein solcher Begriff wäre auch gegen die Gefahr des Mißbrauchs geschützt, da er nicht auf allgemeine Glückssteigerung oder ähnliches referierte, sondern klare Grenzen hätte.

    Auf ewige Glückseligkeit!
  • Der menschliche Geist kann mehr als Evolution!

    24.01.2007, Jonas Schnaitmann, München
    "Fortschritt ist der Evolution wesensfremd" - nun, genau das ist doch die große Errungenschaft des menschlichen Geistes, dass er es nämlich geschafft hat, sich von der Evolution loszulösen.
    Und genau hier liegt auch der Widerspruch des Artikels: Über sich selbst und die Konstrukte der eigenen Rasse nachzudenken liegt sicher auch nicht im Wesen der Evolution, doch der Autor tut genau dies und - übertrieben gesagt - beschwert sich darüber, dass der Mensch sich diese Fähigkeit zunutze macht.
    Überhaupt: Musik, Literatur, Mathematik, aber auch Sozialsysteme, Demokratie und so weiter sind ebenfalls Dinge, die der Mensch nur deswegen erschaffen konnte, weil er dem evolutionären Prozess eben nicht mehr (oder zumindest nicht mehr gänzlich) unterworfen ist.
  • Fortschritt als Wandel vom Umgang mit der Natur

    24.01.2007, Michael Völker
    Es ist immer recht einfach gegen einen Begriff zu polemisieren,
    der nicht scharf definiert ist. Dies explizit zu tun, hat der Autor
    leider versäumt. Implizit definiert Voland Fortschritt als psychologische Kategorie, die sich aus "Zielen und Wünschen" generiert. Die Ablehnung objektiver Erkenntnis kennzeichnet den Autor als radikalen Konstruktivisten, was auch der Verweis auf Michael Ruse deutlich macht. Damit kommt das Standardproblem dieser Strömung ins Spiel, wenn Voland zum Beleg seiner Theorie empirische Ergebnisse in Form von Umfragen zum Beleg seiner These anführt. Wenn die "evolutionär nützlichen Weltzugänge als konstruierte Illusionen des Zentralnervensystems" "enttarnt" werden, um das zu belegen jedoch Empirie bemüht, kann man mit Ludwig Feuerbach von "physikalischem Idealismus" sprechen.

    Abgesehen von dieser Schwäche des Ansatzes gibt es in der Erkenntnistheorie eine ganze Reihe alternativer Modelle, auf die der Autor keinen Bezug nimmt.
    Fortschritt könnte etwa mit Blick auf Martin Heideggers Philosophie der Technik als ein Wandel vom Umgang des Menschen mit der Natur betrachtet werden. Dafür ist das geschichtsphilosophische Axiom der planvollen Entwicklung der Geschichte, auf das Voland anspielt, irrelevant. Ebenso wenig ist Fortschritt hierbei an Wertungen wie "besser als vorher" oder "komplexer als vorher" gebunden. Heidegger verzichtet ganz bewusst darauf, die Philosophie der Technik mit einem Kulturoptimismus zu vermengen. Seine Erklärung der Entwicklung der Technik als Umdeutung der Natur zum reinen Bestand - und in diesem Punkt ist die Heidegger'sche Position wahrlich keine Außenseiterposition - könnte als Fortschritt definiert werden. Und das weit weg von Zielen und Wünschen.



  • Fortschrittsgläubigkeit als Glaubensersatz

    23.01.2007, Krimm Hans , 94401 Landau, P-Fach 4
    Ich stimme schon lange mit dem Artikel, also einem Fortschrittspessimismus überein, einer blinden Fortschrittsgläubigkeit als Glaubensersatz, einem Zerstörungsautomatismus des Menschen.
    Ich sage immer: "Im Namen der Humanität wurde auch das MG erfunden (und sofort eingesetzt) und alles Machbare wird gemacht ..." Im Cowboy-, Lobby- und Kartell-Pragmatismus, hinter "Fortschrittspropaganda" steht nämlich oft nur Gewinnstreben, wie z.B. bei Interessen-Verbänden "zum Wohl" der Kinder (meint z.B. eigenen Sieg vor Gericht), der Behinderten, der Familien (meint oft der Alleinerziehenden), der Zuwanderer, der Patienten (Klonen auf Frankenstein/Homunculus komm raus...), der Alten (im Heim...), der Sterbenden usw. Und mit dem nicht hinterfragten "Fortschritt", der nur als (fragiler?) verwöhnender, außen-motivationsabhängiger Wohlstand erlebt wird, sind dann viele oberflächliche, bes. junge unkritische Konsumenten/Innen "happy" mit Glimmstengeln (bis Drogen...). Es scheint keine so natürliche Freude zu sein, sondern meist eine künstliche. Gute Nacht, ausgeschaltetes bzw. ferngesteuertes Gehirn ... und fortschrittlich von Handies früh und jung "aufgeweichtes Hirn" (vgl . Contergan-Spätwirkung ): Für mich stinkt (wirtschaftlich begründeter) "Fortschritt" meist nach "Rückschritt". Die Geschichte der Kulturen und die Umweltschäden geben dem Fortschrittspessimismus Recht.
  • 1 + 1 = Fortschritt

    23.01.2007, Michael Springer Bayern
    Die These, Fortschritt sei nur eine subjektive Illusion unseres Gehirns, um weiter nach einer Differenz zu streben, dass man der Evolution folgen kann, ist sehr interessant.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, wird sie darauf gegründet, dass die Evolution eigentlich keinen Fortschritt kennt, da alle Parameter subjektiver Art sind.
    Nun denke ich aber, dass es doch einen objektiven Parameter in der Evolution gibt.
    Es ist schlicht die Zahl eines ähnlichen Systems, z. B. die DNA des Menschen, die über die Zeit anwächst.
    Vor tausend Jahren gab es nur einen Bruchteil der heute lebenden Menschen, ich denke man kann dies als Fortschritt für die Spezies bezeichnen.
    Ob sie diesen Fortschritt durch genetische Überlegenheit oder kulturelle Entwicklung geschafft hat, ist irrelevant.
    Affen haben beinahe die gleiche DNA wie wir Menschen, die Ameisen haben eine beinahe perfekt funktionierende Staatsform, aber dennoch gab es bei ihnen keinen Fortschritt, sie haben sich über die Zeit entwickelt, verändert, aber um dies zu bewerten, müsste man wieder einen subjektiven Standpunkt einnehmen.
    Positive Entwicklungen, ob in Medizin, Wirtschaft, Politik oder einfach privater Art werden schnell wieder als selbstverständlich und als Grundlage betrachtet, ich glaube, unser Gehirn lässt uns dies denken, da wir sonst stehen bleib würden.
    Wir würden die Entwicklung mit dem Vorherigen vergleichen, anhand bestimmter subjektiver Parameter feststellen, dass es uns nun in irgendeiner Weise besser geht.
    Würden wir nun stehen bleiben, bestünde das Risiko darin, dass die Zahl unseres Systems, der Menschen, nicht mehr weiter, oder nicht mehr so stark, anwächst.
    In meinem Sinn brächte somit eine Entwicklung, die unsere Überlebens- und damit Fortpflanzungsrate steigert, Fortschritt.
    Hierbei ist keine subjektive Bewertung wie „dies ist eine gute Entwicklung“ oder „dies ist eine schlechte Entwicklung“ nötig, es zählt nur das Resultat, das Anwachsen einer Zahl.
    Unter diesem Gesichtspunkt brachte die Pille beispielsweise keinen Fortschritt, sondern bremste ihn sogar.
    Andererseits, wenn morgen ein Tyrann an die Macht käme, der die Bevölkerung zwingen würde, Kinder zu bekommen, damit er sie zu einer Armee ausbildet, empfänden das die Menschen ziemlich sicher nicht als eine positive Entwicklung, bzw. Veränderung für sich, es wäre aber objektiv gesehen, obskurerweise doch ein Fortschritt.
    Es ist daher nicht zwingend, dass Fortschritt und das was wir als Glück empfinden, miteinander verknüpft sind. Er kann jedoch wie in vielen Fällen der Medizin auch mit Glück, oder Wohlbefinden einhergehen.

    Und mal subjektiv gesehen, sein ganzes Leben lang einer Sache hinterherzulaufen, die es nie gegeben haben soll und auch nie geben wird und vom eigenen Gehirn anscheinend nur vorgegaukelt wird, kein Wunder, dass man da nicht dauerhaft glücklich werden könnte...

    Michael Sp.
  • Fortschritt = Glückszunahme?

    23.01.2007, Oliver Adrian, Münster
    Eckart Voland entlarvt die Illusion, dass Evolution als Höherentwicklung zu verstehen sei, ebenso wie er ihren Charakterzug eines „Wettrüstens“ treffend darstellt: Wer still steht, verliert und darf nicht weiter mitspielen.
    Die Evolution hat unser Gehirn nicht daraufhin geprägt, die reale Welt objektiv zu erkennen; wenn eine selbst gemachte Illusion der evolutionären Fitness förderlich ist, dann betrügen wir uns halt selbst. So weit, so gut.
    Ist Fortschritt nun aber echt oder ausgedacht? Die zitierten Studien aus den USA über das Glücksempfinden sprechen für sich. Ist Fortschritt aber gleichzusetzen mit einer höheren Zahl glücklicher Menschen? Ich denke nicht. Unter Fortschritt verstehe ich vielmehr die Entwicklung neuer Technologien, die Möglichkeiten eröffnen, die bisher nicht da waren. Oder die Zurückdrängung mancher Krankheiten, auch wenn zeitgleich manche andere, „Zivilisationskrankheiten“, zunehmen; denn Fortschritt bezieht sich immer auf Erfolge in bestimmten, eng umgrenzten Bereichen. In diesem Sinne ist Fortschritt also etwas Reales.
    In jedem Falle behält Voland mit der Aussage Recht, dass „Fortschritt“ keine biologische Kategorie und der Evolution wesensfremd ist. Ob wir jedoch nur eine Idee von Fortschritt haben oder Fortschritt real stattfindet, hängt allein davon ab, wie wir diesen Begriff definieren.
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