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Brief an die Leser


Verehrte Leserin,

sehr geehrter Leser,


den ersten Versuch von Spitzentechnik, mit mir in meinem eigenen Idiom zu kommunizieren, erlebte ich Anfang 1981. "Duten Taag", meldete sich die männlich klingende Stimme. "Auswiederhöäden", verabschiedete sie sich. Dazwischen artikulierte sie freilich etwas deutlicher, wenn auch wie ein sauerländischer Schützenbruder, der vor der Königsrede noch ein bißchen Zielwasser nachgegossen hat.

Mit der leicht sprachbehinderten AFI - der Automatischen Fahrplan-Information – hatte damals der Hamburger Verkehrsverbund probeweise die Telephon-Auskunft besetzt. Die günstigsten Routen durch die Hansestadt tüftelte das elektronische System perfekt aus. Start, Ziel und gewünschte Abfahrtszeit aber mußten ihm nach einem Zifferncode mit der Wählscheibe eingegeben werden; denn mit dem Nachbilden eines verständigen Ohres haperte es noch mehr als mit synthetischer Zungenfertigkeit. Einen Grund veranschaulicht das Bild hier (verkleinert aus dem Artikel "Computer lernen hören" von Stephen E. Levinson und Mark Y. Liberman, Spektrum der Wissenschaft, Juni 1981, Seite 20).

In Worten vernehmliche Apparate haben sich mittlerweile breitgemacht, weniger als Hilfsmittel in Büro und Industrie, die etwa dem Buchhalter oder dem Qualitätskontrolleur Blick und Hände freihalten, denn als Gag, so in manchen Autos, und vor allem als plappernder Tand im Kinderzimmer. Doch mit dem auf Zuruf reagierenden Roboter, dem Diktiergerät, das einen Redefluß in geschriebenen Text konvertiert, oder gar dem maschinellen Übersetzer, der Dialogpartnern unterschiedlicher Muttersprache assistiert, hat es nach wie vor seine Schwierigkeiten (siehe Seite 86 dieser Ausgabe).

Die Scheidelinie zwischen Materie und Geist ist eben nicht leicht zu überwinden, auch nicht dem Anschein nach, wenn physikalische Prozesse nur eine der menschlichen Lebensäußerungen simulieren sollen – zumal wir ja selber unsere Not damit haben, richtig zuzuhören und zu begreifen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1994, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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