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Brief an die Leser


Verehrte Leserin,

sehr geehrter Leser,

dieser Tage ist das dritte Spektum der Wissenschaft Spezial erschienen. Das erste, "Gehirn und Geist", beruhte noch auf der regulären Ausgabe November 1992; das zweite, "Das Immunsystem", brachten wir letztes Jahr als zusätzliches Angebot heraus. Das neueste zeichnet sich nun außerdem durch zwei Besonderheiten aus: Speziell daran ist die umfassende Thematik, und es wird damit ein Jubiläum eingeleitet – der Scientific American besteht bald 150 Jahre. Gemäß dem Anlaß und dem Anspruch aller Editionen dieser Zeitschrift, den jeweils aktuellen Stand des wissenschaftlichen Weltbildes zu vermitteln, lautet der Titel diesmal "Leben und Kosmos".

In ihren zehn Artikeln leisten die Autoren freilich mehr als bloß eine tour d'horizon. Steven Weinberg etwa unternimmt es im einleitenden Essay, sowohl die Konditionen für unsere Existenz darzulegen wie die Doppelrolle des forschenden Verstandes zu verdeutlichen: als Teil des Alls, das wir zu erklären suchen, und als erklärende Instanz. Indes reißt er auch die fundamentalen Fragen an, mit denen sich dann die weiteren Beiträge eingehend beschäftigen: Wie hat sich das Universum entwickelt? Woher stammen die Elemente? Wie verlief die Geschichte der Erde? Und was war der Ursprung des Lebens? Was kennzeichnet dessen Evolution? Sind in fernen Sonnensystemen Organismen zu gewärtigen? Worin ist Intelligenz begründet? Werden Roboter unsere Erben sein? Oder was ist, seit die Zivilisation den ganzen Planeten umgestaltet, überhaupt die Zukunft des Lebens?

Eine solche Zusammenschau, resümiert mein Kollege Gerhard Trageser, der die redaktionelle Arbeit an diesem Spezial koordiniert hat, erwecke gewiß "ein Gefühl von Staunen und Bewunderung gegenüber den ebenso komplexen wie grandiosen Erscheinungen und Abläufen der Natur"; aber sie führe "auch vor Augen, eine wie unbedeutende Randerscheinung letztlich wir selber sind". Aufklärung, Befreiung aus überkommenen Befangenheiten, ist mitunter schmerzhaft. "Wiederholt", so heißt es in Tragesers Editorial weiter, "hat die Wissenschaft den Menschen von den selbsterrichteten Podesten seiner Eitelkeit gestürzt."

Eine dieser heilsamen Desillusionierungen, die mit Charles Darwins Werk begann, bringt Steven Jay Gould zu Ende: Nachdem die Gattung Homo ihre Abkunft aus dem Tierreich begriffen hat, müsse sie noch erkennen, daß sie nicht der Schlußpunkt, sondern lediglich ein zufälliges Nebenprodukt der Evolution sei. Wie es weitergeht? Marvin Minsky blickt erwartungsvoll voraus – auf Homo sapiens artificialis, den weisen Maschinenmenschen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1994, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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