Brief an die Leser
Verehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,
"Erdgipfel oder Betroffenheitsspektakel?" Mit dieser skeptischen Frage hatte Klaus Conrad, Ordinarius für Wirtschaftstheorie und Ökonometrie an der Universität Mannheim, die Vorschau auf die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung überschrieben (Mai 1992, Seite 126). Tatsächlich ist es um das beispiellose Treffen von mehr als 100 Regierungschefs und rund 15000 Delegierten aus 178 Staaten in den Massenmedien bald wieder recht still geworden. Den "Beginn eines Umdenkens und – was noch wichtiger ist – eines anderen Handelns" mochte denn auch Udo Ernst Simonis, Professor für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin, in seinem nüchternen Resümee (November 1992, Seite 156) nur anmahnen, nicht konstatieren.
Enttäuschte hohe Erwartungen sind allerdings kein Grund, das Ziel aus den Augen zu verlieren: Die bisherigen Muster von Produktion und Konsum, nach denen nicht nur die Wohlstandsgesellschaften mit von den Ressourcen der Entwicklungsländer zehren, sondern die gesamte Weltbevölkerung auf Kosten der künftigen Generationen lebt, müssen auf nachhaltige Nutzung der Lebensgrundlagen umgestellt werden. Mit Appellen und individuellem Engagement ist allerdings gegen die globalen Probleme wenig auszurichten.
Am wirksamsten wären multinationale Verträge. Zwar gibt es bereits etwa 170 solcher Abkommen, die Boden, Wasser, Luft und Organismen schützen sollen; nur sind viele praktisch bedeutungslos, weil sie nach den Konsens-Regeln überkommener Diplomatie ausgehandelt wurden. Aber gerade die UN-Konferenz setzte dafür neue Maßstäbe, wie Hilary F. French vom Washingtoner Worldwatch Institute in dieser Ausgabe (Seite 62) erläutert: Die in Rio de Janeiro beschlossene Agenda 21, ein umfassendes Aktionsprogramm für das kommende Jahrhundert, schreibt fest, daß an ökologischen Planungen auch nichtstaatliche Organisationen zu beteiligen sind und daß eine ständige Kommission der Vereinten Nationen deren Umsetzung überwacht. Spät ist es, doch noch nicht alle Hoffnung verloren.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1995, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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