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Die Unvollkommenheit, die Stahl zum Schweigen bringt


Stahl ist elastisch: Das Material dämpft Schwingungen nur in geringem Maße. Für einen Gong ist das höchst erwünscht; bei den meisten Allerweltsgeräten und Fahrzeugen, in denen rotierende Teile und rhythmische Stöße Schwingungen anregen, sind die Vibrationen und der dadurch erzeugte Lärm nur störend.

Die französische Firma Sollac aus der Unternehmensgruppe Usinor-Sacilor stellt seit Beginn dieses Jahres Stahlplatten mit einer neuartigen eingebauten Schalldämpfung her: Eine zwischen zwei Bleche eingefügte dünne Polymerschicht wandelt die Schwingungsenergie der dreischichtigen Gesamtstruktur in Wärme um.

Diese Energieumwandlung kommt durch Reibung im mikroskopischen Maßstab zwischen den Molekülketten im – nicht-kristallinen – Polymer zustande. Am günstigsten sind dessen viskoelastische Eigenschaften und somit die Stärke der Dämpfung in der Nähe einer für das jeweilige Material charakteristischen Temperatur. Man wählt das Polymer zweckmäßigerweise so aus, daß diese Glasübergangs-Temperatur mit der normalen Betriebstemperatur des Geräts zusammenfällt.

Je größer die auf das Polymer wirkenden Scherkräfte sind, desto größer ist auch die Wärmedissipation. Die dreilagige Struktur wurde gewählt, weil in ihr erheblich größere Scherkräfte wirken als bei einer einfachen Polymerbeschichtung.

Es versteht sich, daß eine optimale Dämpfung nur bei perfektem Kontakt zwischen Metall und Polymer zu erreichen ist. Zu diesem Zweck hatten die Ingenieure sowohl ein geeignetes Polymer als auch ein Verfahren zur Vorbehandlung der Metalloberfläche zu finden. Das nun entwickelte Sandwich-Material ist problemlos kleb-, verform- und verschraubbar. Damit es auch geschweißt werden kann, mußte es elektrisch leitfähig gemacht werden; dazu gibt man dem Polymerharz, aus dem durch Aushärten die Zwischenschicht entsteht, kleine Metallteilchen zu.

Insgesamt gelang damit die Entwicklung eines Bleches mit allen mechanischen Eigenschaften von Stahl, das – dank der eingebauten Unvollkommenheit – außerdem Schwingungen sehr stark dämpft. Die gegenwärtigen, vielversprechenden Forschungen konzentrieren sich auf homogene metallische Mikrostrukturen mit ähnlich schallschluckenden Eigenschaften.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1994, Seite 113
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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