Direkt zum Inhalt

Die Weltwettermaschine. Satellitentechnik, Wettervorhersage und Klimaveränderungen


Das Klimasystem unseres Planeten wird wesentlich bestimmt durch die globale Bilanz von Sonneneinstrahlung und thermischer Ausstrahlung. Erstere überwiegt am Äquator, letztere an den Polen; dadurch entsteht ein kompensierender Wärmetransport in Form von Strömungen in Ozean und Atmosphäre, die wiederum das lokale Wetter und dessen längerfristiges Mittel, das Klima, verursachen. Wegen der Analogie zum Antrieb einer thermodynamischen Maschine spricht man deshalb manchmal von der "Weltwettermaschine".

Das eigentliche Anliegen des Buches wird jedoch deutlicher durch den Untertitel (und den Titel der englischen Originalausgabe von 1991 "Watching the World's Weather") ausgedrückt. Der britische Meteorologe William James Burroughs, Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Artikel, möchte – so die Einleitung – beschreiben, "wie die Wettersatelliten zu einem integralen Bestandteil der modernen Meteorologie wurden und wie die routinemäßige Beobachtung vom Weltraum aus nicht nur von ,Wetterfröschen', sondern auch von Forschern auf anderen Gebieten der Erdwissenschaften genutzt wurde". Erst durch die Nutzung der Satellitendaten verfügt man über kontinuierliche, flächendeckende und zum Teil dreidimensionale Beobachtungen als Ergänzung der klassischen Meßtechniken.

Das Buch beginnt mit einer Übersicht der grundlegenden Gesetze der elektromagnetischen Strahlung in der Erdatmosphäre und ihrer Nutzung für Satelliteninstrumente. Im Hauptteil wird erklärt, wie man die von Satelliten aufgezeichneten Strahlungsdaten für verschiedene Anwendungsgebiete nutzen kann.

Vom Beginn der Ära der Wettersatelliten vor 35 Jahren an spielte das Bild der Wolkenverteilung in der Atmosphäre eine wesentliche Rolle. In kürzester Zeit konnte man damit große Gebiete überblicken. Heute sind solche Bilder oder gar Filme aus aufeinanderfolgenden Bildern geostationärer Satelliten nicht nur den Meteorologen, sondern auch der Öffentlichkeit über die Medien leicht zugänglich. Gerade die bildhafte Gesamtdarstellung der Wolkenstruktur in der Umgebung besonderer atmosphärischer Vorgänge wie Zyklonen oder orographischer (durch Gebirgsformationen gelenkter) Strömungen ist sehr hilfreich für deren Verständnis und Vorhersage. Lange Zeit stellte gerade dieser Gewinn an Einsicht in Struktur und Intensität von Wetterlagen den größten Wert der Wettersatelliten dar.

Heute allerdings kann die Satelliten-Fernerkundung eine wachsende Anzahl klimarelevanter Parameter in Atmosphäre, Ozeanen und Kryosphäre (den von Eis und Schnee bedeckten Teilen der Erde) mit zunehmender Genauigkeit liefern. Je ein Kapitel ist der Ableitung der (Temperatur-)Struktur der Atmosphäre, der Messung des Regens, der Beobachtung der Landoberfläche, der Überwachung der Meere sowie der von Schnee und Eis gewidmet.

Die Kurzfrist-Wettervorhersage über wenige Stunden profitiert von der guten räumlichen Auflösung und zeitlichen Überdeckung moderner Satellitensysteme. Hier ist man durch die Kombination mit Radardaten, die Niederschlagsgebiete erkennen lassen, ein gutes Stück vorangekommen. Die Vorhersage über mehrere Tage profitiert von Zusatzdaten, die insbesondere über den Ozeanen erst durch die Satelliten verfügbar werden. Burroughs stellt auch die für die Klimafrage wichtige Herleitung der Komponenten der Strahlungsbilanz und des Wasserkreislaufs dar; nur ist die Entwicklung inzwischen deutlich über den dokumentierten Stand hinausgegangen.

Das Buch ist klar gegliedert; es gelingt dem Autor, die Zusammenhänge mit einfachen Worten und weitgehend ohne Formeln wiederzugeben. Die Aussagen sind mit vielen, zum großen Teil farbigen Abbildungen illustriert. Leider wird im Text häufig nicht durch Angabe der Abbildungsnummer darauf Bezug genommen, weswegen der Leser manchmal länger suchen muß; die Bildunterschriften sind oft zu kurz geraten, als daß sie für sich allein verständlich wären.

Wegen der raschen Entwicklung der Satelliten-Fernerkundung (zum Beispiel bei der aktiven und passiven Mikrowellenmessung) merkt man dem Text gelegentlich an, daß der wesentliche Teil mehr als fünf Jahre alt ist. Manchmal stören eine sehr wörtliche Übersetzung und unpräzise deutsche Bezeichnungen von Fachbegriffen beim Lesen etwas; vereinzelt sind sogar Flächenangaben in Morgen und Temperaturangaben in Fahrenheit übernommen worden. Bedauerlich mag für einen deutschen Leser auch sein, daß der Autor seine Beispiele fast ausschließlich aus dem Bereich westlich des europäischen Kontinents nimmt und nur englischsprachige Literatur zur weiteren Lektüre empfiehlt.

Trotz einiger Schwächen bietet der vorliegende Band interessierten Laien oder auch Studenten einen guten Überblick über die Möglichkeiten und Perspektiven moderner Satellitenmeteorologie. Es gibt keine vergleichbar breit angelegte Publikation deutscher Autoren.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1995, Seite 123
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.