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Editorial: Ein etwas anderes Labor

Manon Bischoff

Weiße Wände, kühle Luft, blank geputzter Edelstahl: Solche Assoziationen kommen mir in den Kopf, wenn ich an Hochpräzisionsmessung denke. Das Labor, das ich auf Sardinien besuchte, hätte unterschiedlicher nicht sein können. In einer alten Lagerhalle, die sich die Forscher mit Minenarbeitern teilen, soll eine der bedeutendsten Fragen der Physik beantwortet werden. Neben riesigen Maschinen, rostigen Autos und angestaubten Werkzeugen wollen ambitionierte Wissenschaftler das Unmögliche wagen: das Gewicht des Vakuums bestimmen.

Als ich im Frühjahr von dem geplanten Experiment erfuhr, musste mich die Redaktion nicht lange überreden, die Anlage vor Ort näher zu betrachten. Auch wenn das Vorhaben gewagt klingt, stecken namhafte Größen hinter dem Projekt: Verantwortliche wie Enrico Calloni und Paola Puppo waren maßgeblich an der Entwicklung des Gravitationswellendetektors Virgo beteiligt. Wenn jemand weiß, wie man winzige Signale auffängt und verarbeitet, dann sind sie es.

Calloni war extra aus Neapel angereist, um mir das Labor zu zeigen. Tatsächlich arbeitet niemand dauerhaft vor Ort. Auch für die Italiener vom Festland ist der Versuchsort nicht nur einen Katzensprung entfernt. Mit Flugzeug oder Fähre gelangen sie nach Olbia, einer Hafenstadt im Norden Sardiniens. Mit dem Auto fährt man von dort aus etwa eine Stunde lang – wenn man die Geschwindigkeitsbegrenzungen flexibel interpretiert – auf kurvigen Straßen, vorbei am sardischen Hügelland mit graugrüner Macchie und leuchtend weißen Granitfelsen.

Die Forscher haben sich Sardinien nicht wegen der malerischen Umgebung ausgesucht – obwohl das ein schöner Nebeneffekt ist. Die Insel ist eine der seismologisch ruhigsten Regionen Europas. Damit die Fachleute die schwachen Signale auffangen können, darf es kaum Erschütterungen geben. Deshalb soll das Experiment in einer stillgelegten Mine, 110 Meter unter der Erde, stattfinden.

Doch die Messungen werden bislang nur oberirdisch durchgeführt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch die unterirdischen Schächte sah ich, warum: Noch ist der Versuchsraum leer. Bis Stromleitungen, Luftschächte und Ähnliches installiert sind, gehen die Forscher einer der wichtigsten Fragen der Physik in der oberirdischen Lagerhalle nach. Was sie bei ihrem Experiment herausfinden werden, ist ungewiss. Aber egal, wie es ausgeht, das Ergebnis wird für die Fachwelt extrem spannend. Warum, erfahren Sie ab S. 12 in diesem Heft.

Herzlich Ihre
Manon Bischoff

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