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Mobilfunk: 'Intelligente Antennen' nutzen Zeit und Raum

Eine Kombination aus Mehrfachantennen und komplexer Signalverarbeitung soll es möglich machen: mehr Teilnehmer in einer Mobilfunkzelle, höhere Datenraten und das auch noch störungsfrei?


Der Milliardenpoker um Frequenzen spiegelt das enorme Wirtschaftspotenzial der Mobilkommunikation. Mehr und mehr Menschen streben nach allzeitiger Erreichbarkeit. Mit der neuen Handy-Generation nach dem UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunication System) sollen die Geräte blitzschnell elektronische Post versenden, Börsenkurse abrufen, kurz: das Internet in der Westentasche realisieren (Spektrum der Wissenschaft, 3/2000, S. 92). Doch der Boom bringt für die Betreiber schon jetzt durchaus auch Probleme mit sich, denn je mehr Teilnehmer sich gerade in einer Mobilfunkzelle befinden, desto schwieriger wird es, ihre Signale sauber auseinander zu halten.

Um noch mehr Kunden zu bedienen und zudem auch höhere Datenraten für künftige Multimedia-Dienste zu ermöglichen, könnten schon bald so genannte intelligente Antennenarrays eingesetzt werden. Sie bestehen aus mehreren Einzelantennen, deren Empfang und Sendung durch signalverarbeitende Software so gesteuert wird, dass sie sich vereinfacht gesagt wie eine einzige verhalten, die jeweils optimal auf einen Teilnehmer ausgerichtet ist.

Ein Problem aller Betreiber ist letztlich das beschränkte Frequenzband, das für alle Nutzer zur Verfügung steht und die Teilnehmerkapazität limitiert. Derzeit werden die Signale verschiedener Teilnehmer durch Zuweisung einer bestimmten Frequenz und eines "Zeitschlitzes" separiert. Eine Möglichkeit die Kapazität noch weiter zu erhöhen, besteht darin, verschiedene Nutzer anhand ihrer Position im Raum zu unterscheiden. Durch Verkleinern der Funkzellen bis hin zu einer Aufteilung in Sektoren lässt sich der pro Fläche geführte Funkverkehr steigern. Im Extremfall erhält jeder Teilnehmer quasi seine eigene Funkzelle, die dann seiner Bewegung ständig nachgeführt werden muss. Aber nicht nur die Aufteilung des Übertragungskanals ist problematisch, auch die physikalischen Randbedingungen des Mobilfunks setzen weitere Grenzen. Das Signal eines Teilnehmers erreicht die empfangende Antenne nämlich nicht nur auf direktem Wege. Vielmehr treffen dort zahlreiche Versionen ein, die einander überlagern und das ursprüngliche Wellenpaket verschmieren. Denn die informationstragenden elektromagnetischen Wellen werden beispielsweise an Gebäuden, Bäumen und auch an beweglichen Hindernissen wie Automobilen reflektiert, gestreut oder gebeugt; man spricht deshalb von einer Mehrwegeausbreitung.

Weil sich die diversen Signalversionen konstruktiv oder destruktiv überlagern, schwankt der Empfangspegel hinsichtlich Zeit, Frequenz und Raum. Diesen Effekt bezeichnet man als Signalschwund (englisch fading):

- Aufgrund der verschieden langen Ausbreitungswege werden die Teilwellen unterschiedlich verzögert.

- Durch die Bewegung der Mobil-stationen erfahren sie von der Ausbreitungsrichtung abhängige Frequenzverschiebungen auf Grund des Doppler-Effekts.

- Weil sie aus diversen Richtungen eintreffen, fällt die Überlagerung an verschiedenen Orten innerhalb der Funkzelle anders aus.

Eine Lösung beider Problemfelder bieten so genannte intelligente Antennen, das sind zumeist Antennenarrays mit nachfolgender digitaler Signalverarbeitung. Sie gewichten Amplituden und Phasen der mit ihren Einzelantennen aufgenommenen oder zu sendenden Wellen. Auf diese Weise entsteht insgesamt eine Empfangs- beziehungsweise Abstrahlcharakteristik, die sich den jeweiligen Erfordernissen anpassen lässt.

Richteffekt dank Gruppierung


Zum Beispiel kann diese Gruppenantenne eine Richtwirkung haben, um einen Teilnehmer besser zu empfangen, ihn also aus der Vielzahl der Sender sozusagen räumlich herauszufiltern. Dazu wird das Antennendiagramm, das die Richtungsempfindlichkeit der Antenne beschreibt, zu einer Keule (englisch: beam) geformt. Auch lassen sich Signale anderer Sender vorübergehend unterdrücken – das Antennendiagramm weist im Idealfall in Richtung des Störsignals eine Nullstelle auf, ist dort gleichsam taub. Bei einer Bewegung des Teilnehmers wird es entsprechend nachgeführt. Um mehrere innerhalb der Funkzelle mobile Nutzer gleichzeitig in einem Frequenzband unterzubringen, werden ihren Signalen verschiedene, zeitlich veränderbare Gewichtssätze zugewiesen.

Durch die Richtwirkung beim Senden und Empfangen werden zugleich die negativen Effekte der Mehrwegeausbreitung erheblich reduziert. Dabei wird die Zahl der möglichen Signalwege und damit die zeitliche Verzögerung reduziert, also auch die gegenseitige Störung der Teilnehmersignale.

UMTS erfordert Intelligenz


Ein angenehmer Nebeneffekt: Die mobilen Endgeräte benötigen nun weniger Sendeleistung, um sauber von der Basisstation empfangen zu werden, die Ladung der Akkus hält länger vor.

Bisherige Erfahrungen in Feldtests zeigen, dass intelligente Antennenarrays die Erwartungen erfüllen und die Leistung von Mobilfunknetzen erheblich verbessern können. Das hat natürlich auch seinen Preis: Neben den sehr aufwendigen Antennensystemen wird eine komplexe Signalverarbeitung benötigt, um die Gewichtssignaturen der Nutzer auch richtig zu schätzen und entsprechend ihrer Bewegung nachzuführen.

Bei der Vergabe von Lizenzen für künftige Mobilfunksysteme wird von den Bewerbern erwartet, dass sie die Frequenzressource sehr effizient nutzen. Der neue Mobilfunkstandard UMTS sieht deshalb die mögliche Verwendung intelligenter Antennen vor. Gerade Unternehmen ohne eigene Lizenz dürften ein Interesse haben, die künftig nur gemieteten Frequenzen an viele Teilnehmer zu vergeben. Mit der Entwicklung geeigneter, hochkomplexer integrierter Schaltkreise werden die bisher nur in sehr aufwendigen Testaufbauten realisierten intelligenten Antennen bald kommerziell verfügbar sein. Schon stehen Start-up-Firmen bereit, aus dieser neuen Technologie Kapital zu schlagen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2000, Seite 87
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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