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Nachgehakt: EXPOnierte Wissenschaft



Ob sie wohl ein wenig geknickt ist, die Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn? "Ich bin erst dann zufrieden", verkündete sie zur Eröffnung des hochkarätig besetzten wissenschaftlichen Global Dialogue auf der Expo2000, "wenn wir für solche Veranstaltungen ebenso viele Zuschauer haben wie bei einem Fußball-Länderspiel". Vielleicht hatte sie bei diesen Worten hinter dem Rücken ja zwei Finger gekreuzt. Zufrieden sein kann sie jedenfalls ganz und gar nicht mit dem Auftritt von Forschung und Technik auf der Weltausstellung in Hannover.

Dabei standen die Chancen besonders gut: Ein elf Einzelausstellungen umfassender Themenpark, ausgestattet mit reichlich Geldmitteln und gestaltet von international bekannten Szenographen, sollte in einer "publikumsorientierten informativen Ausstellung" zu den Schlagworten "Wissen, Information, Kommunikation" dem Besucher der Expo "Ideen, aus denen die Zukunft gemacht wird" nahe bringen und ihn vom Boulevard zwischen den Pavillons unwiderstehlich in die Hallen saugen. Als Krönung schließlich drei Juli-Tage voll wissenschaftlicher Aktionen, Präsentationen und nicht zuletzt Diskussionen im Rahmen des Global Dialogue. Mehr als 60 Institutionen und Organisationen warteten mit erfolgreichen Wissenschaftlern auf und engagierten Moderatoren-Prominenz, deren Namen auch auf den meisten Fußballplätzen bekannt sein dürften.

Trotzdem keine Spur von Länderspiel, eher Amateurklasse oder allenfalls zweite Liga. Wen wollten die deutschen Wissenschaftsorganisationen in ihren Dialog-Tempel locken mit den üblichen Poster-bewehrten Ständen und bieder-steifen Modellbauten? Welchen Zuschauer glaubten die Redner zu fesseln mit gleichförmigen Monologen zu Messkurven auf Overhead-Folien? Und worüber sollen Journalisten schreiben, wenn der mühsam gespannte Bogen an einem Vormittag von der Frage der globalen Energieversorgung bis zur Nanotechnik reichen muss?

Mit dem Global Dialogue wollte die Wissenschaft der Welt zeigen, dass sie die Zukunft gestalten kann. Doch dafür fiel ihr keine offensivere Methode ein als die Didaktik der Vergangenheit. Während es an einer gewöhnlichen Universität am Tag der offenen Tür vom schwebenden Supraleiter über Licht leitende Kunststoffe bis zur Extraktion von DNA aus Bananen lebendige Forschung zum Staunen gibt, blieben die Experten hier mal wieder unter sich – ein unnötiges Eigentor eines Teams, das nach eigener Aussage "ein hohes Maß an Unterstützung und eine hervorragende Stellung in der Gesellschaft" anstrebt.

Noch kümmerlicher als der miss-lungene Gastauftritt fallen die Heimspiele der Wissenschaft im Themenpark aus. Auf der Suche nach Informationen zu den durchaus interessanten Sujets wie Mensch, Ernährung, Gesundheit und Energie irrt der Besucher nur zwischen Videoinstallationen umher, die ihn mit hektischen Bildsequenzen bombardieren, unterstützt durch dröhnende Lautsprecherklänge. Die "sinnliche, dreidimensionale Darstellung des Mottos ‚Mensch – Natur – Technik‘" vergisst, dass der Mensch über mehr Sinne als Hören und Sehen verfügt: "Bitte nicht berühren" ist der häufigste Satz im Themenpark. Und wo mal Interaktivität angeboten wird, beschränkt sie sich meist auf Banalitäten. Da darf der Besucher etwa ausnahmsweise eine Wandfläche mit der Aufschrift "kalt" oder "heiß" anfassen, und tatsächlich fühlt sie sich eben kalt oder heiß an – Wahnsinn!

Dank kräftig zahlender – und dafür heftig werbender – Partner aus der Industrie hat es dem Themenpark wohl kaum an Geld gemangelt, alleine die Ideen fehlten. Ein Blick ins Deutsche Museum in München hätte da wertvolle Anregungen geben können. Dann müssten die Türsteher des Themenparks auch die vorbeigehenden Expo-Besucher nicht eigens zu einem Abstecher in die Halle animieren.

Wenn Wissenschaft kein Spiel für Insider bleiben soll, müssen sich ihre Macher wohl oder übel in den Normalbürger hineindenken und ihn da abholen, wo er steht. Sonst geht er nämlich einfach weiter – dahin, wo es ihm besser gefällt. Und im Vergleich zu solch fantasielosen Wissenschaftsinszenierungen ist das allemal noch ein Fußball-Länderspiel.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2000, Seite 21
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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