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Anlage-Umwelt-Problem: Neue Erklärungen menschlichen Verhaltens

Noch bis vor Kurzem stritten Forscher darüber, ob bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen angeboren oder anerzogen sind. Inzwischen haben sich die Verhaltensgenetiker jedoch von dieser Dichotomie verabschiedet. Sich richten ihr Augenmerk jetzt auf das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt.

Sir Francis Galton (1822 – 1911), ein Cousin von Charles Darwin, gilt als Begründer der Verhaltensgenetik. Vor fast 150 Jahren wollte er als Erster quantitativ ermitteln, inwieweit die Fähigkeiten eines Menschen von seinen Erbanlagen oder aber von Umwelteinflüssen bestimmt sind. Dazu untersuchte er die Verteilung solcher Fähigkeiten innerhalb und zwischen Familien. Insbesondere betrachtete er Männer, die wegen ihrer besonderen Leistungen berühmt waren, und prüfte systematisch, ob in ihrer Verwandtschaft auch andere herausragende Persönlichkeiten vorkamen. Das war, wie er feststellte, unter Blutsverwandten ersten Grades sehr viel häufiger der Fall als unter solchen zweiten und dritten Grades.

Hierin sah Galton einen Beleg dafür, dass die zu Grunde liegenden Fähigkeiten zu einem gewissen Grad ererbt oder – moderner ausgedrückt – genetisch bedingt sind. Obgleich seine Schlussfolgerung richtig war, würden wir heute den Ergebnissen vergleichender Untersuchungen in natürlichen Familien allein jedoch nicht mehr trauen; denn übereinstimmende Merkmale könnten auch darauf beruhen, dass alle ­Familienmitglieder weit gehend dieselbe Umwelt teilen.

Welche Bedeutung haben Gene und Umweltbedingungen für das Verhalten von Menschen und Tieren? Diese Frage ist bis heute aktuell geblieben. Die moderne Verhaltensgenetik geht ihr allerdings hochgradig interdisziplinär nach; denn Beiträge aus der Biologie, der Genetik, der Psychologie, der Statistik und einer Reihe weiterer Disziplinen ...

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Gehirn&Geist – Neurodiversität: Eine neue Sicht auf die Vielfalt unseres Denkens

Mit dem Begriff Neurodiversität beschreibt die Wissenschaft die natürliche Vielfalt unseres Denkens – und eröffnet neue Perspektiven auf Autismus, ADHS & Co. Aber warum ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Diagnosen so deutlich gestiegen? Unsere Titelgeschichten gehen dieser Frage nach und beleuchten medizinische Ursachen ebenso wie gesellschaftliche Einflüsse und geschlechterspezifische Unterschiede. Erfahren Sie zudem im Interview mit Molekularbiologe Prof. Thomas Bourgeron, welche Rolle genetische Faktoren bei der Ausprägung und Diagnostik neurodiverser Eigenschaften spielen. Auch soziale Ungleichheit steht im Fokus dieser Ausgabe, denn neue Studien zeigen, wie sie politische Einstellungen beeinflusst und was Menschen dazu bringt, autoritäre Persönlichkeiten zu wählen. Daneben erklärt Maren Urner im Interview, was die ständige digitale Reizflut mit unserem Gehirn macht – und weshalb Langeweile gut für die mentale Gesundheit ist. Zudem berichten wir, warum Antidepressiva oft nicht wirken und welcher Weg zu einer maßgeschneiderten Therapie führen kann.

Spektrum - Die Woche – Wie Psychopharmaka das Gehirn verändern

Wie wirken Antidepressiva, Neuroleptika und Psychostimulanzien auf das Gehirn? Psychopharmaka bringen schnelle Linderung bei psychischen Störungen, doch die langfristigen Folgen auf unser Denkorgan sind noch nicht ausreichend erforscht. Außerdem: Süßwasser unter dem Meer. Ein Weg aus der Wassernot?

Gehirn&Geist – Musikalität

Manche Menschen können schon mit vier meisterhaft Klavier spielen, anderen fällt es zeitlebens schwer, im Takt zu klatschen. Was bestimmt, wie musikalisch wir sind? Welche Rolle spielen dabei die Gene, welche das Elternhaus, und wie wichtig ist eisernes Üben? Außerdem: Wenn Geiseln Zuneigung für ihre Peiniger entwickeln, ist schnell die Rede vom »Stockholm-Syndrom«. Handelt es sich dabei wirklich um krankhaftes Verhalten, wie der Ausdruck »Syndrom« suggeriert? Nach Überzeugung einiger Mediziner bekämpft Botox nicht nur Falten, sondern auch Depressionen. Es gibt aber Kritik an dieser Theorie. Wie gesund ist Yoga wirklich? Der Psychologe Holger Cramer erforscht die Wirkung von Yoga auf Körper und Geist und deckt dabei ebenso die Grenzen auf. Im Gehirn repräsentieren einzelne Neurone jeweils bestimmte Zahlen. Ein bislang unbekannter Mechanismus könnte dafür sorgen, dass dieser Zahlensinn bis zur Anzahl von vier kaum Fehler macht.

  • Quellen

Caspi, A. et al.: Role of Genotype in the Cycle of Violence in Mal­treated Children. In: Science 297, S. 851 – 854, 2002

Kendler, K. S.: Twin Studies of Psychiatric Illness: An Update. In: Archives of General Psychiatry 58, S. 1005 – 1014, 2001

Plomin, R. et al.: Gene, Umwelt und Verhalten: Einführung in die Verhaltensgenetik. Hans Huber, Bern 1999

Riemann, R., Spinath, F.: Genetik und Persönlichkeit. In: Netter, P., Henning, J. (Hg.): Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit, S. 539 – 628. Springer, Heidelberg 2005

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