Direkt zum Inhalt

Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1944

Seit mehreren Jahren versucht man mit therapeutisch nur geringem Erfolg, durch Ausschaltung des Histaminüberschusses im Körper, der meist mit dem Auftreten allergischer Beschwerden parallel geht, einen grundsätzlich neuen Weg in der Behandlung dieser Krankheitsgruppe zu beschreiten. Man wollte mit einem aus der Darmschleimhaut gewonnenen Enzym, der Histaminase, das Histamin zerstören bzw. inaktivieren. Es gibt ein neues Präparat, mit dem bisher bereits eine ganze Reihe von Personen mit gutem Erfolg von ihrem Heufieber und anderen allergischen Beschwerden befreit worden sind. Dieses "Antihistamin" in Form von Tabletten oder Dragees hemmt weder die Histaminbildung noch zerstört es das Histamin im Körper; man nimmt vielmehr an, daß das Histamin an der Entfaltung seiner physiologischen Wirkungen gehindert wird. Während die zeitraubende und nur in einigen Fällen erfolgreiche spezifische Desensibilisierung das Ziel verfolgt, den Patienten von seiner Überempfindlichkeit zumindest für längere Zeit zu befreien, vermag das Antihistamin zwar nur die Krankheitssymptome vorübergehend auszuschalten, jedoch ist es der bisherigen Therapie allergischer Krankheiten derart überlegen, daß seine breitere Anwendung empfohlen wird. (Die Umschau, 47. Jg., Heft 8, Seite 141)

Gletscherschwund. Wie von Klebelsberg, Innsbruck, berichtet, haben die Gletscher vornehmlich vom Ende und von den Rändern her abgenommen. Die Dicke der Gletscher nimmt außerdem fortgesetzt ab, die Oberfläche sinkt ein, Felsfenster werden größer und vermehren sich. v. Klebelsberg hat 53 Gletscher untersucht; vornehmlich bemerkenswert ist das Ergebnis, das vom Pasterzen-Kees im Großglockner gemeldet wird. Die seichte Einmuldung unter der Franz-Josefs-Höhe ist seit 1942 um 16 m tiefer geworden, so sehr ist in diesem Gebiet die Gletscherfläche in einem Jahr abgeschmolzen! Im Silvrettagebiet beträgt der Rückgang des westlichen Vermunt Ferners 45 m, in den Stubaier Gletschern war die Ausaperung in den letzten 20 Jahren noch nie so stark wie im letzten Sommer. Insgesamt ist also festzustellen, daß der Gletscherschwund im letzten Jahr im ganzen deutschen Alpengebiet außerordentlich starke Fortschritte gemacht hat. (Die Umschau, 47. Jg., Heft 8, Seite 141)

1894

In der Sitzung zeigten die Herren Loewy und Puiseux einige bewundernswerthe Mondphotographien, welche mit dem grossen knieförmigen Aequatoreal der Pariser Sternwarte erhalten worden sind. Eine von den Vergrösserungen auf Papier zeigte den Mond mit einem Durchmesser von 1,8 Metern. Man würde mehrere Jahre brauchen zur Herstellung einer Zeichnung, welche alle Einzelheiten enthält, die man auf einer Platte bei einer Exposition von einer Secunde sieht. Die gleichzeitig vorgelegten Glasnegative sind grösser, als die auf der Lick-Sternwarte erhaltenen, und sie vertragen starke Vergrösserung, ohne an Schärfe einzubüssen. (Naturwissenschaftliche Rundschau, IX. Jg., Nr. 31, Seite 400)

Flüssige Luft. Professor Dewar in London zeigte am 19. Januar c. in einer Vorlesung der Royal Institution flüssige atmosphärische Luft, die in einem offenen Gefässe nicht den gewöhnlichen Anblick einer trotz ihrer niederen Temperatur mehr oder weniger heftig siedenden, sondern einer ruhigen Flüssigkeit darbot. Dieses Verhalten wurde durch Umgebung des Behälters mit einer luftleeren Hülle erreicht, die ihrerseits in flüssigem Sauerstoff stand, der nochmals von einer mit Luftpumpe verbundenen Vacuumhülle umgeben war. In Folge dieser Anordnung kann die Wärme zu der flüssigen Luft nur durch Strahlung, d. h. in minimaler Menge dringen. Die Flüssigkeit muss also die Wärme, die sie zur langsamen Verdampfung an der Oberfläche braucht, selbst hergeben und kann dies nur durch theilweise Erstarrung anderer Theile. (Prometheus, V. Jg., Nr. 233, Seite 398)

Gewalzte nahtlose Ketten. Ein neues, höchst sinnreiches Verfahren zur Herstellung von nahtlosen Ketten ist dem Director Klatte vom Walzwerk Germania zu Neuwied in allen hauptsächlichen Ländern patentirt worden. Zur Herstellung der nahtlosen Ketten sind Walzstangen von kreuzförmigem Querschnitt (1) erforderlich. Diese Walzmaschine hat vier Walzen, die kreuzweise zueinander in derselben Mittelebene des Gestells gelagert sind und ineinander mittels doppelter Kegelräder eingreifen. Am Umfang sind die Walzen mit Stempelflächen versehen, welche doppelt konisch geformt sind und Vertiefungen haben, die den zu bildenden Kettengliedern entsprechen. Die Stempelflächen der Walzen berühren sich einander an einer Stelle beinahe, indem sie nur einen geringen Spielraum zwischen sich lassen. Die Walzen prägen nun ihre Stempelflächen in die weiche Stange ein und verwandeln diese in den sogenannten Kettenstab (2). In diesem sind die Kettenglieder bereits zum größten Theil ausgebildet, die miteinander nur noch durch den dünnen Walzbart (blechartige Streifen) zusammenhängen. Der erkaltete Kettenstab wird durch Stanzen von dem Walzbart befreit und erhält dann das Aussehen wie in 3. In diesem Zustande hängen die Kettenglieder nur noch an einigen Stellen zusammen, und man kann sie nun mit Leichtigkeit durch Abknicken vollständig voneinander lösen. Sie werden dann weiteren Arbeiten unterworfen, um etwa noch anhaftenden Grat zu beseitigen und die Glieder abzurunden. Die so gebildete Kette geht nochmals durch den Ofen, um hellrothwarm gemacht zu werden, und darauf durch eine Art Walzwerk oder eine Presse, welche die etwas ausgebauchten Glieder in die fertige, schlanke Form wie in 4 bringt. (Illustrirte Zeitung, Bd. 103, No 2668, Seite 195)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1994, Seite 67
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.