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Vor fünfzig und vor hundert Jahren


1945

Penicillin zerstört nach letzten einschlägigen Informationen nicht direkt Bakterien, sondern verhindert deren Weiterteilung. Somit gibt dieser Wunderwirkstoff den normalen Körperfunktionen Gelegenheit, die attackierenden Organismen zu beseitigen. Dies ist Aufgabe der Leukozyten im Blut, die durch Penicillin offensichtlich nicht geschädigt werden. Wegen der Magensäure muß es stets intramuskulär oder intravenös gespritzt werden; seine Salze werden im sauren Milieu zerstört. (Scientific American, Band 172, Nr. 2, Seite 100, Februar 1945)

Das Raketengeschoss "V2". Neben der bekannten Flügelbombe V1 wird seit einigen Monaten von Deutschland eine weitere Fernwaffe in Form des Raketengeschosses V2 gegen die Alliierten eingesetzt. Das Geheimnis der V2 wird womöglich noch strenger gewahrt als bei der V1, über die ja bis heute noch keine deutsche technische Darstellung erfolgt ist. Da aber inzwischen einige, verhältnismässig unbeschädigte Blindgänger aufgefunden wurden, sind unlängst aus englischer offizieller Quelle einige technisch interessante Angaben gemacht worden. Nach diesen Meldungen ist die V2 ein geschossförmiger Körper von etwa 1,6 m Durchmesser und 15 m Länge. In der spitz zulaufenden Nase befindet sich die Sprengstoff-Ladung von etwa 1000 kg; in getrennten Behältern wird der Treibstoff mitgeführt, der aus Alkohol und flüssigem Sauerstoff besteht. Durch Pumpen wird der Brennstoff in die Brennkammer gefördert, worauf durch 18 getrennte Düsen die Verbrennungsgase ausgestossen werden. Am Schwanz des Geschosses befinden sich vier Stabilisierungsflossen. Das Gesamtgewicht der V2 wird auf 12 t geschätzt, der Abschuss erfolgt auf einer fast senkrechten Rampe durch elektrische Zündung des Brennstoffes. Die Reichweite beträgt 300 bis 320 km, wobei Höhen von 100 km und Geschwindigkeiten von 4800 km/h erreicht werden ... Die Alliierten betonen die technische Leistung bei der Realisierung der V2. Diese besteht vor allem in der Beherrschung der Verbrennungsvorgänge so gewaltiger Energiemengen, dass kurzzeitig Antriebleistungen zu Stande kommen, die bis anhin nicht üblich waren und zu aussergewöhnlichen Geschwindigkeiten führen. Ob die Wirkung der V2 diesen unglaublichen Aufwand rechtfertigt, entzieht sich noch der Beurteilung. Beim Uebergang von der zerstörerischen Waffe zu zivilen Verwendungszwecken wird noch eine ganze Anzahl von Problemen zu lösen sein. (Schweizerische Bauzeitung, Band 125, Nr. 7, Seiten 75 und 78)

Berechnung der Schwangerschaftsdauer unter Kriegsumständen. Die besonderen Kriegsumstände bieten den Geburtshelfern ungeahnte Chancen, um Beiträge zur Frage der Dauer der menschlichen Gravidität zu sammeln. Schon öfters ist der Ruf ergangen, solche Daten zu veröffentlichen, aber nur mit geringem Erfolge. In dieser ganz kurzen Arbeit, die aber doch von großem Werte ist, namentlich in forensischer Hinsicht, beschreibt der Verfasser 10 Krankengeschichten, bei denen ihm Zeit der Konzeption und der Geburt genau bekannt war, ohne weitere Kommentare daran zu knüpfen. Als Minimum der Tragezeit konnte er aus diesen Beobachtungen 267,8 Tage, als Maximum 273,9 Tage errechnen. Das würde also recht genau mit dem übereinstimmen, was man bisher angenommen hatte, und gerade darin liegt die große Bedeutung dieser Mitteilung. (Schweizerische Medizinische Wochenschrift, 75. Jg., Heft 5, Seite 139, 10. Februar 1945)


1895

Im grossen Demonstrationssaal der Londoner Universität machte Professor Ramsay am 31. Januar die mit Spannung erwarteten Mitteilungen über das von ihm und Lord Raleigh entdeckte, "Argon" genannte neue Gas, auf das wir bereits hingewiesen haben ... Das sonderbarste scheint seine chemische Indifferenz zu sein. Es sind alle möglichen Versuche angestellt worden, um Argon in chemische Verbindungen einzuführen, aber alle sind gescheitert. Argon wird in Gegenwart von Alkalien und reinem Sauerstoff durch elektrische Entladungen nicht oxydiert, es geht keine Verbindung mit Wasserstoff, Chlor, Brom, Tellur, Kalium, Natrium, Phosphor, Silicium, Bor, überhaupt mit keinem der bekannten Köper ein. Sind wir somit über seine chemische Struktur und seine Affinitäten völlig im Dunkeln, so wissen wir etwas mehr über seine physikalischen Eigenschaften. Seine Löslichkeit im Wasser ist zweieinhalbmal so gross als diejenige von Stickstoff. Der kritische Punkt ist nach den Untersuchungen von Professor Olzewski in Krakau -121 Grad, der kritische Druck 50,6 Atm., der Siedepunkt -187, der Schmelzpunkt -189,6 Grad. Im festen Zustand bildet Argon farblose Krystalle. (Schweizer Bauzeitung, XXV. Band, Nr. 8, Seiten 55 und 56)

Die wundersamen Tesla'schen Ströme hat Herr Spies in der Urania zu neuen interessanten Experimenten benutzt. Der benutzte Wechselstrom hat eine Spannung von 20000 Volt, ist also etwa 200mal kräftiger als die zur Erleuchtung einer Glühlampe erforderlichen Ströme und zehnmal stärker als die Ströme, die in Amerika zur "elektrischen Hinrichtung" benutzt werden, und doch lässt der Vortragende 20000 Volt-Ströme durch seinen Körper hindurchgehen, ohne irgendwelchen Schaden zu erleiden. Das ist das Wundersame, dass so gewaltige Wechselströme, die ohne jede Leitung ihre lichtzeugende Wirkung auf weite Entfernung ausüben, ohne jede schädliche Beeinflussung vom menschlichen Körper weiter geleitet werden. (Central-Zeitung für Optik und Mechanik, 16. Jg., Heft 3, Seite 33)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1995, Seite 103
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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